Richard Strauss

Biografie als PDF mit Quellen und Literatur:

Komponist, Dirigent

* 11. Juni 1864 in München (Königreich Bayern)

† 8. September 1949 in Garmisch-Partenkirchen (Bayern, Deutschland)

Straßenbenennung: Richard-Strauss-Straße, beschlossen am 21. Dezember 1953

Lage: Parsch; verbindet den Wolfsgartenweg mit der Alexander-Girardi-Straße und verläuft parallel zur Gaisbergstraße.

 

Richard Georg Strauss wurde am 11. Juni 1864 als erstes Kind des späteren ersten Hornisten des Münchner Hofopernorchesters und Professors an der dortigen Akademie der Tonkunst Franz Strauss geboren. Seine Mutter Josephine stammte aus der Münchner Bierbrauerfamilie Pschorr. Schon während seiner Schulzeit machte sich Strauss, der von seinem Vater musikalisch gefördert wurde, einen Namen als komponierendes Talent. Nach seinem Abitur 1882 besuchte er Vorlesungen an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität in Philosophie und Kulturgeschichte. 1883 wurden erste Werke des jungen Komponisten in seiner Heimatstadt aufgeführt. Im selben Jahr ging er nach Berlin, wo er 1884 erstmals persönlich dem bedeutenden Dirigenten Hans von Bülow begegnete. Dieser beeinflusste Strauss sowohl als Dirigenten wie auch als Komponisten nachhaltig. Bülow holte ihn im darauffolgenden Jahr als Assistenten zu sich nach Meiningen, wo er ab Jänner 1886 dessen Posten als herzoglicher Musikdirektor übernahm.

Weitere Stationen von Strauss‘ musikalischer Karriere waren bereits im Jahr 1886 München, wo er die Stelle eines 3. Kapellmeisters an der Münchner Hofoper antrat, sowie 1889 bis 1894 Weimar. Dort wurde er Großherzoglich-Sächsischer Kapellmeister, widmete sich verstärkt den Opern Richard Wagners und konnte 1894 seine erste Oper „Guntram“ (op. 25) zur Uraufführung bringen. Im selben Jahr heiratete er die Sopranistin Pauline de Ahna, die er in München unterrichtet hatte und mit der er in den folgenden Jahren zahlreiche internationale Gastspielreisen unternahm. Nach dem Tod Hans von Bülows 1894 übernahm Strauss die Leitung der Konzerte des Philharmonischen Orchesters in Berlin. Mit 1. November 1898 wurde er 1. Preußischer Kapellmeister an der Berliner Hofoper, wo er zwanzig Jahre verbleiben sollte. In Berlin entstanden einige der bekanntesten musikdramatischen Werke von Strauss, die er gemeinsam mit seinem Librettisten Hugo von Hofmannsthal erarbeitete. Zu diesen Stücken zählten „Elektra“, „Der Rosenkavalier“, „Ariadne auf Naxos“ und „Die Frau ohne Schatten“. Abgesehen von seinem künstlerischen Schaffen trat der Komponist und Dirigent auch als Präsident des Allgemeinen Deutschen Musikvereins (1901–1909) sowie durch seinen Einsatz für ein besseres musikalisches Urheberrecht hervor.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs übernahm Strauss zusammen mit Franz Schalk die künstlerische Leitung der Wiener Staatsoper, wo er 1910 bei „Elektra“ erstmals am Pult der damaligen Hofoper gestanden war. Da die Arbeitsteilung zwischen ihm und seinem Ko-Direktor Schalk nie klar geregelt worden war, kam es bereits im ersten Jahr seines Engagements 1919 zu Konflikten, die wesentlich dazu beitrugen, dass Strauss nach wenigen Jahren 1924 von seinem Posten zurücktrat. Strauss nützte seine Position in Wien nicht zuletzt dazu, um verstärkt eigene Werke ins Programm aufzunehmen. Er verhalf der Wiener Staatsoper trotz finanzieller Engpässe aber auch zu einer Blütezeit, indem er Werke von Richard Wagner und Wolfgang Amadé Mozart wieder stärker in ihr Repertoire aufnahm.

Strauss‘ zunehmende Erfolge als Komponist hatten bereits vor dem Ersten Weltkrieg dazu geführt, dass er seine Verpflichtungen als Dirigent einzuschränken suchte. Er konzentrierte sich stattdessen darauf, die Aufführung eigener Werke zu leiten. Seit 1908 war sein „Landhaus“ in Garmisch-Partenkirchen für ihn und seine Familie zum Refugium geworden. In Wien ließ er sich durch den Architekten Michael Rosenauer eine repräsentative Villa in der Jacquingasse 10 im 3. Bezirk errichten. Hierzu hatte ihm die Stadt Wien als Erbpacht für sechzig Jahre ein Baugrundstück am östlichen Rand des Belvedere überlassen, das früher ein Garten des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand gewesen war. Strauss verpflichtete sich im Gegenzug dazu, der Stadt Wien die handschriftlichen Partituren des „Rosenkavaliers“ zu schenken. Außerdem versprach er, innerhalb von fünf Jahren hundert Vorstellungen ohne Honorar zu dirigieren.

Mit den Wiener Philharmonikern war Strauss erstmals 1906 in Salzburg aufgetreten; mit diesem Orchester unternahm er 1920 und 1923 auch zwei Südamerika-Tourneen. Bereits seit 1917 unterstützte Strauss ferner eine Initiative zur Begründung von Festspielen in Salzburg, die außer von ihm selbst von dem Bühnenbildner Alfred Roller, dem Dirigenten Franz Schalk, dem Regisseur Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal gefördert wurde und die schließlich 1920 zum Erfolg führte. Strauss wurde damit zu einem der Mitbegründer der Salzburger Festspiele. 1922 dirigierte er mit Mozarts „Don Giovanni“ die erste Opernaufführung der Salzburger Festspiele. 1926 erklang mit „Ariadne auf Naxos“ erstmals eine Strauss-Oper bei den Festspielen. Bereits zwei Jahre zuvor hatten ihm die Städte Wien, Salzburg und München anlässlich seines 60. Geburtstags ihre Ehrenbürgerschaften verliehen.

 

Richard Strauss – ein „homo politicus“?

Der Musiker Strauss war stets auf Politik und Staat angewiesen, um seine kulturpolitischen Vorstellungen umzusetzen. Es ging ihm vor allem darum, die Musikkultur generell zu verbessern, wobei er vor allem das deutsche Opernrepertoire im Auge hatte. Die Operette wollte er möglichst zurückdrängen. Dies sollte durch eine angemessene Politik, Erziehung und Ausbildung sowie den Tantiemen- und Urheberrechtsschutz für Komponisten erreicht werden. Er selbst sah sich zu Beginn der NS-Herrschaft – wie viele andere seiner Kollegen – als einen unpolitischen Künstler: So schrieb er noch am 10. März 1933 seinem Verleger Otto Fürstner, dass er sich „nie in politische Dinge eingemischt“ habe.

Der kanadische Historiker Michael H. Kater charakterisiert Strauss hingegen als einen Künstler, der „ein starkes Gespür für politische Autorität und gesellschaftliche Hierarchie“ hatte. Dies lag wesentlich daran, dass er „eine doppelte Funktion als loyaler Untertan und Diener der weltlichen Herrscher“ hatte, der bereits vor der Jahrhundertwende berufliche Erfahrungen in „zumindest drei verschiedenen Machtbereichen“ gesammelt hatte. In Wirklichkeit habe Strauss „sogar noch bewußter und geschickter“ agiert als der Dirigent Wilhelm Furtwängler und die meisten seiner künstlerischen Kollegen. Der in der Zeit des Wilhelminischen Kaiserreichs sozialisierte Strauss übernahm aber auch in der Weimarer Republik kulturpolitische Verantwortung und zwar ungeachtet der Tatsache, dass er die Republik im Grunde verabscheute. So notierte der Kunstsammler, Mäzen und Schriftsteller Harry Graf Kessler am 14. Juni 1928 in seinem Tagebuch: „Bei Hofmannsthals in Rodaun gefrühstückt mit Richard Strauss. (…) Strauss äußerte unter andrem seine drolligen politischen Ansichten, Notwendigkeit einer Diktatur usw.“

Am 30. Jänner 1933 erfolgte die Machtübernahme der nationalsozialistischen Regierung. Strauss begriff die NS-Diktatur als eine Chance, „das Musikleben nach seinen alten Vorstellungen umzukrempeln und die genossenschaftlichen und urheberrechtlichen Interessen der Komponisten endlich umzusetzen“. Er verknüpfte damit auch die Erwartung, dass seine eigenen Werke unter den Bedingungen des neuen Regimes gefördert würden und er diese nach seinen Vorstellungen an den deutschen Opernhäusern zur Aufführung bringen könnte.

 

Zwischen musikpolitischem Machtanspruch und Desillusionierung: Richard Strauss im „Dritten Reich“

Während in der Literatur zu Strauss lange Zeit das Narrativ vorherrschte, dass der Komponist sich „eher gegen seinen Willen“ in die Politik des NS-Regimes verstricken habe lassen, ist diese Ansicht laut dem Musikwissenschaftler und Strauss-Experten Walter Werbeck mittlerweile „unhaltbar“. Ebenso wenig zutreffend ist aber die Behauptung, dass Strauss ein Nationalsozialist gewesen sei, der die politischen Ziele der Partei vollständig mitgetragen habe. Kaum zu bestreiten ist allerdings, dass sich Strauss, der Hitlers Machtübernahme hoffnungsvoll begrüßte, bereits unmittelbar danach in Wort und Tat an das neue Regime anzubiedern begann.

Einer von vielen Belegen hierfür ist, dass Strauss bereits am 19. März 1933 anstelle des unerwünschten Bruno Walter ein Konzert der Berliner Philharmoniker übernahm. Drei Tage später befanden sich Adolf Hitler und Hermann Göring im Publikum, als Wilhelm Furtwängler Strauss‘ Oper „Elektra“ dirigierte; Strauss selbst saß beim anschließenden Souper mit dem Generalintendanten der Preußischen Staatstheater und mit Winifred Wagner zusammen. Am 21. März 1933 nahm der Komponist gemeinsam mit seinem Sohn Franz an der Eröffnung des Reichstags in der Potsdamer Garnisonkirche teil, die in bombastischer Weise als „Geburtsstunde des Dritten Reiches“ inszeniert wurde. Im April 1933 unterzeichnete er einen pamphletartigen Protest von Honoratioren der „Richard-Wagner-Stadt München“ gegen den Schriftsteller Thomas Mann, dem er die angebliche „Herabsetzung unseres großen Musikgenies“ vorwarf. Ende Mai 1933 stand Strauss schließlich kurzfristig als Ersatz für Arturo Toscanini zur Verfügung, der seine Mitwirkung an den Bayreuther Festspielen wegen der politischen Zustände in Deutschland abgesagt hatte. Der Dirigent Fritz Busch, der später selbst von den Nationalsozialisten politisch verfolgt und in die Emigration gezwungen werden sollte, hatte es hingegen abgelehnt, für Toscanini einzuspringen.

Strauss‘ Annäherungsversuche an die Nationalsozialisten bedeuteten nicht, dass er sich nicht um seinen Librettisten Stefan Zweig sorgte, mit dem er seit dem überraschenden Tod von Hugo von Hofmannsthal 1929 zusammenarbeitete. Seine auf Zweig sich beziehenden privaten Äußerungen lassen allerdings nicht den Schluss zu, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits erkannt hatte, was für seinen Librettisten, der jüdischer Herkunft war, wirklich auf dem Spiel stand: „Was ist mit unserem Freunde Stefan Zweig? Ich habe Angst, daß er sich am Ende auch bei diesen jetzt ganz überflüssigen Kundgebungen der ‚Intellektuellen‘ unnötig exponiert.“ Ungeachtet seiner privat geäußerten Bedenken hinsichtlich der Frage, wie das NS-Regime mit jüdischen Künstler*innen umgehen würde, ist mit den Worten des Musikwissenschaftlers Gerhard Splitt „Strauss 1933 musikpolitisch als Mann der ersten Stunde“ zu bezeichnen.

Splitt spielte damit nicht zuletzt auf Strauss‘ Ernenung zum Präsidenten der neu eingerichteten „Reichsmusikkammer“ (RMK) an, die am 15. November 1933 in feierlicher Form erfolgte. Dieser Ernennung lag ein Angebot von Propagandaminister Joseph Goebbels an den Komponisten zugrunde, der sich in den ersten Monaten des NS-Regimes bereits mehrfach mit ihm über gesetzgeberische Fragen unterhalten hatte. Während Strauss der Zwang zusagte, den ein diktatorisches Regime ausüben konnte, um seine Vorhaben umzusetzen, sahen die NS-Machthaber in ihm einen willfährigen Musiker, der „sich für ihre macht- bzw. rassepolitischen Ziele und damit für eine totale ideologische Vereinnahmung von Kultur und Musik einspannen“ lassen würde.

Strauss „war sich seiner einzigartigen Position an der Spitze der deutschen Komponisten im besonderen und aller Musiker im allgemeinen voll bewusst“. Seine Prominenz schlug sich symbolisch in der pompösen Feier anlässlich seines 70. Geburstages 1934 nieder, die die Nationalsozialisten im Rahmen einer Strauss-Woche in Dresden zu Ehren des Komponisten ausrichteten und bei der diesem u. a. der „Adlerschild des Deutschen Reiches“ verliehen wurde. In Zusammenarbeit mit Goebbels, dem die RMK unterstand, gelang es ihm, 1935 ein neues Urheberrechtsgesetz zu erwirken, das die Schutzfrist für musikalische Werke von dreißig auf fünfzig Jahre nach dem Tod eines Komponisten zum Nutzen der Familie erweiterte. Durch diese und weitere Maßnahmen im Bereich des Systems zur Verteilung von Tantiemen profitierte Strauss selbst in nicht unbeträchtlichem Maße, galt er jedoch als jener Komponist der „ernsten“ Musik in Deutschland, der über das höchste Einkommen verfügte. Doch Strauss‘ Position war innerhalb des NS-Regimes von Anfang an umstritten. Vor allem Arthur Rosenberg und der „Kampfbund für deutsche Kultur“ (sowie dessen Nachfolger, die „NS-Kulturgemeinde“) prangerten seine Zusammenarbeit mit Stefan Zweig an, der nach den rassistischen Maßstäben der Nationalsozialisten als „Volljude“ galt. Die Anhänger Rosenbergs zeigten sich ferner darüber irritiert, dass Strauss‘ einstiger Librettist Hugo von Hofmannsthal nach denselben NS-Maßstäben „Halbjude“ gewesen war und der langjährige Verleger Strauss‘, Otto Fürstner, Jude sei.

Die Schwierigkeiten wuchsen vor allem deshalb, weil sich der selbstbewusste Strauss von den Nationalsozialisten nicht auf Linie bringen ließ. Seine „Reformen“ dürften sich zudem auf längere Sicht nicht mit den kulturpolitischen Zielsetzungen der Nationalsozialisten gedeckt haben. Als Präsident der RMK handelte Strauss oft eigenmächtig. Damit folgte er seinem „subjektiven Kunstegoismus“, den er über das deutsche und österreichische Kaiserreich über die Weimarer Republik hinweg bis zum „Dritten Reich“ beibehalten hatte. Dazu gehörte auch, dass er für qualitativ hochwertige Libretti eintrat, was ihn wiederum dazu bewog, sich bei Hitler und Goebbels für Stefan Zweig einzusetzen. Strauss trieb die ideologisch geprägten rassistischen Maßnahmen, etwa gegen jüdische Künstler*innen, nicht voran, verhinderte diese aber auch nicht. Seine Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer der RMK, Heinz Ihlert, gestaltete sich alles andere als reibungslos. Walter Werbeck fasst Strauss‘ Verhalten als Präsident der RMK mit folgenden Worten zusammen: „Strauss diente sich den Machthabern an – zwar nicht so aktiv, wie gelegentlich behauptet wurde, aber doch intensiv genug, um sich bei den Verfolgten des Regimes, denjenigen zumal, die als jüdische Künstler ihre Existenzgrundlage verloren und das Land verlassen mussten, weiter zu diskreditieren.“

Am 17. Juni 1935 lieferte Strauss selbst einen willkommenen Vorwand, um ihn aus seiner Position als Präsident der RMK zu verdrängen. An diesem Tag schrieb er nämlich einen Brief an Stefan Zweig, in welchem er zum Ausdruck brachte, dass ihn der nationalsozialistische „Rassegedanke“ nicht und das „Volk“ nur in seiner Eigenschaft als zahlendes Publikum interessiere. Außerdem behauptete er gegenüber Zweig, dass er den Präsidenten der RMK lediglich „mimen“ würde. Der Brief wurde jedoch von der Gestapo abgefangen und an Hitler geschickt. Das Schreiben hatte zur Folge, dass Strauss Anfang Juli 1935 von Goebbels zum „freiwilligen“ Rücktritt genötigt wurde. Strauss gab sich daraufhin in einem Brief vom 13. Juli 1935 an den „Führer“ als politisch unerfahrener Künstler, der keinen geeigneten „deutschen“ Librettisten gefunden habe. Weitere Konsequenzen für ihn bestanden darin, dass seine in Zusammenarbeit mit Zweig entstandene Oper „Die schweigsame Frau“ verboten wurde, nachdem er deren Premiere Anfang Juli 1935 gerade noch durchsetzen hatte können. Die anderen Werke des Komponisten blieben weiterhin ein fester Bestandteil des deutschen Opernrepertoires und wurden ohne Einschränkungen aufgeführt. Was Strauss‘ Arbeitsbeziehung zu Stefan Zweig betrifft, hielt Michael H. Kater fest, dass diese von einem „gutsherrenmäßigen, weitgehend ökonomisch, religiös und kulturell motivierten Antisemitismus seitens des Komponisten begleitet“ gewesen sei, unter dem sie auch gelitten habe. Strauss erwies sich als durchaus typischer Vertreter eines kulturell geprägten Antisemitismus, der nicht von persönlichen Aversionen gekennzeichnet war, sondern eher von einer stereotypen Wahrnehmung dessen, was er als spezifisch jüdisch betrachtete.

Sein erzwungener Rücktritt als Präsident der RMK bedeutete keinen Bruch mit dem NS-Regime, wie erwähnt blieben seine musikalischen Werke weiterhin populär. Oliver Rathkolb notierte hierzu, dass Strauss‘ Œuvre zwischen 1933/34 und 1941/42 mit rund 4000 Aufführungen bestens vertreten gewesen sei. An eine Emigration dachte der Künstler ebenso wenig, wie er sich eine Abkehr vom deutschen Kulturleben, das er über Jahrzehnte hinweg maßgeblich mitgeprägt hatte, überhaupt vorstellen konnte. Vielmehr erwies sich Strauss für das NS-Regime weiterhin als nützlich und zwar z. B. als Präsident des „Ständigen Rats für internationale Zusammenarbeit der Komponisten“. Bei dieser Vereinigung handelte es sich um einen Zusammenschluss europäischer Kollegen, die sich wie Strauss von der Avantgarde distanziert hatten. Die Äußerungen Goebbels‘ bezüglich Strauss, die sich in dessen Tagebuch finden, schwankten zwischen weiterhin bestehender Bewunderung für die musikalischen Leistungen des Musikers, der 1936 die Olympia-Hymne in Töne setzen durfte („…komponieren kann der Junge“) und Verachtung für dessen politische Gesinnung („harmloser Irrer!“).

Obgleich Strauss in den folgenden Jahren einige öffentliche Anerkennung erlebte – so konnte er beim „Reichsmusikfest“ 1938 in Düsseldorf, wo im Übrigen auch die antisemitische Ausstellung „Entartete Musik“ gezeigt wurde, seine Oper „Arabella“ dirigieren –, ist seine Affinität zum NS-Regime insgesamt doch als ambivalent zu bezeichnen. Die manipulative Strategie der NS-Machthaber bestand nämlich darin, „den Komponisten zur selben Zeit zu benutzen und zu mißbrauchen, ihn für seine Sünden in der Vergangenheit bezahlen zu lassen und ein weiteres Aufmucken im Keim zu ersticken“. Den Nationalsozialisten fiel dies umso leichter, weil Strauss „nichtarische“ Familienmitglieder hatte, deren Sicherheit ihm begreiflicherweise zusehends größere Sorgen bereitete. Seine Schwiegertochter Alice, eine Geborene von Grab-Hermannswörth, galt infolge der Nürnberger Rassegesetze als „Volljüdin“, ihre Söhne Richard und Christian, Strauss‘ Enkel, als „Mischlinge 1. Grades“. Alice war mit Strauss‘ einzigem Sohn Franz verheiratet, einem Musikpatentanwalt. Eine besondere Ironie dürfte übrigens darin liegen, dass Franz Strauss als glühender Nationalsozialist galt, der 1933 in Wien dadurch aufgefallen war, dass er in SA-Uniform auftrat.

Um seine durch Polizeirazzien und andere Schikanen bedrohte Familie so gut als möglich zu schützen, fasste Strauss schließlich Ende 1941 den Entschluss, nach Wien zu übersiedeln, um sich dem dortigen neuen Gauleiter Baldur von Schirach anzuvertrauen. Dieser suchte sich seinerseits von seinem Rivalen Goebbels abzugrenzen und mit Kultur zu punkten. Dem Wiener Gauleiter kam daher die Anwesenheit von Strauss, der Schirachs Vater noch aus dessen Weimarer Zeit her kannte, durchaus gelegen. Strauss selbst hatte während des Krieges offenbar nur einen einzigen manifesten Konflikt mit Hitler und Goebbels. Als ihm nahegelegt wurde, zwei ledige Ingenieure eines Rüstungsbetriebes im Nebenhaus seiner Garmischer Villa einzuquartieren, lehnte er dieses Ansinnen rundheraus ab. Dies ginge ihn nichts an, weil für ihn kein Soldat zu kämpfen brauche. Daraufhin entschied Hitler, das gesamte Nebengebäude für Bombengeschädigte und Evakuierte zu beschlagnahmen. Goebbels hielt daraufhin am 25. Jänner 1944 Folgendes fest: „Das Urteil des Führers über Richard Strauß ist gefällt. Er will zwar nach meinem Vorschlag nicht, daß die Werke von Richard Strauß eine Beeinträchtigung erfahren, aber der Kontakt führender Nationalsozialisten mit seiner Person muß unterbunden werden.“ Am 4. März 1944 ergänzte der Propagandaminister: „Der Führer will nicht, daß Richard Strauß Unbill angetan wird. Er hat sich nur sehr über ihn geärgert, daß er sich in der Frage der Aufnahme von Evakuierten so schofel benommen hat. Trotzdem sollen seine Werke ungehindert aufgeführt werden.“ Strauss galt der NS-Führungsriege offenbar als Symbol für „deutsche Kultur“, auf die sie nicht verzichten wollte oder konnte – Hitler selbst hielt seine schützende Hand über den Komponisten. Strauss‘ 80. Geburtstag am 11. Juni 1944 wurde dementsprechend auch offiziell in Wien gefeiert. Zwar fielen die Glückwunschtelegramme von Hitler und Goebbels laut Oliver Rathkolb eher „knapp“ aus; Baldur von Schirach durfte ihm aber einen Taktstock überreichen, der mit Brillanten besetzt war. Am 16. August 1944, kurz vor der Schließung fast aller deutschen Theater am 1. September 1944, konnte in Salzburg vor geladenen Gästen noch die Generalprobe von Strauss‘ Oper „Die Liebe der Danae“ stattfinden, die Clemens Krauss dirigierte.

Wie die folgenden Zahlen verdeutlichen, zählte Strauss selbst in der Endphase des Krieges weiterhin zu den materiellen Nutznießern der NS-Kulturpolitik: 1943 erzielte er ein Einkommen von 128.924,- RM, und selbst 1944, als der Kulturbetrieb in Deutschland zusehends eingeschränkt wurde, kam der Komponist immer noch auf Einnahmen von 111.348,- RM. Sein Vermögen hatte sich allein vom 1. Jänner 1939 bis zum 1. Jänner 1940 von 499.000,- RM auf 798.000,- RM erhöht.

 

Nachkriegszeit und letzte Lebensjahre

In den letzten Monaten des Krieges musste Richard Strauss ohnmächtig die Zerstörung der für ihn so wichtigen Opernhäuser in München (Oktober 1943), Dresden (Februar 1945) und Wien (März 1945) miterleben. „Mit dem Zusammenbruch Deutschlands, so seine Überzeugung, war nicht nur sein künstlerisches Wirken, sondern jegliches Kulturleben beendet.“ Für Strauss bestand die wahre Tragödie des Zweiten Weltkriegs und der NS-Herrschaft offenbar nicht etwa im millionenfachen Mord an den europäischen Jüdinnen und Juden, sondern in der Vernichtung jener Kulturstätten, an welchen seine Werke aufgeführt wurden.

Das Kriegsende erlebte Richard Strauss am 30. April 1945, als US-amerikanische Soldaten Garmisch besetzten. Seine Villa blieb von einer Beschlagnahmung verschont. Einer der in Garmisch eindringenden US-Offiziere erwies sich nämlich als Liebhaber der Musik von Strauss und erklärte dessen Villa umgehend für „off limits“. Richard und Pauline Strauss blieben aber nicht in Garmisch, sondern lebten seit Oktober 1945 in der Schweiz, wo sie sich eine bessere Versorgung mit Lebensmitteln und Heizmaterial erhofften. In der Schweiz nahm sich der Musikkritiker und spätere Strauss-Biograf Willi Schuh des Ehepaars Strauss an. Im Herbst 1947 organisierte Strauss‘ Verleger Ernst Roth eine Konzertreise nach London, wo Strauss vor rund 7500 Zuhörer*innen das Philharmonic Orchestra in der Royal Albert Hall dirigierte. Auch wurde eine konzertante Aufführung seiner Oper „Elektra“ von der BBC übertragen.

Während die Republik Österreich Strauss am 31. Jänner 1947 die österreichische Staatsbürgerschaft verlieh, wurde in Deutschland ein Spruchkammerverfahren gegen ihn eröffnet. Strauss selbst erklärte am 1. Jänner 1947 eidesstattlich, dass er der NSDAP nie angehört oder für diese Propaganda getrieben habe. Er sei von Joseph Goebbels, ohne um seine Zustimmung gefragt worden zu sein, zum Präsidenten der Reichsmusikkammer ernannt worden. Dieses Ehrenamt habe er nur deshalb angenommen, weil er die neuen Machthaber damals noch gar nicht gekannt habe. Nach seinem erzwungenen Rücktritt von diesem Amt habe er keinerlei Beziehungen mehr zum Propagandaministerium und zur Partei unterhalten, stattdessen sei er Anfeindungen und Schikanen ausgesetzt gewesen. Unmittelbar nach Kriegsende hatte er im Mai 1945 gegenüber dem Schriftsteller Klaus Mann allerdings noch erklärt, dass er mit der „Naziregierung“ „in korrekten, wenn nicht freundschaftlichen Beziehungen“ gestanden sei. Nachdem die Gestapo seinen Brief an Stefan Zweig abgefangen habe, sei sein Verhältnis zur Regierung für einige Zeit „kühl“ gewesen, im Laufe der Jahre hätten „die Herren in Berlin und ich den unangenehmen Zwischenfall“ aber wieder vergessen.

Die zuletzt zitierte Erklärung gegenüber Klaus Mann kurz nach Kriegsende dürfte in dem Spruchkammerverfahren gegen ihn kaum eine Rolle gespielt haben. Dem Komponisten gelang es in dem Verfahren, eine Reihe von Zeugenaussagen zu seinen Gunsten vorzubringen, die etwa von dem österreichischen Industriellen Manfred Mautner Markhof oder dem Schweizer Diplomaten Hans Zurlinden abgegeben worden waren. Die Zeugen betonten, dass Strauss während der Zeit des „Dritten Reiches“ nicht nur einen wesentlichen Anteil daran gehabt habe, dass einige der bedeutendsten Orchester weiter bestehen konnten, sondern sie bestätigten auch, dass dieser sich in kritischen und teils abfälligen Worten über das NS-Regime und dessen Repräsentanten geäußert habe. Strauss selbst ordnete die weltgeschichtlich singuläre Katastrophe, die das NS-Regime zu verantworten hatten, in seine eigene teleologische, gänzlich unhistorische Sichtweise der deutschen Musikgeschichte ein. Demnach sei das „deutsche Volk“ durch Bach, Mozart und Wagner „unsterblich“ geworden. Seit dieses „Volk“ sich zuerst von Bismarck, später von Hitler dazu verleiten habe lassen, den Pfad der kriegerischen Eroberungen zu beschreiten, habe es sein „schicksalsbedingtes Los“ ereilt, von der Weltbühne abzutreten.

Nachdem die Spruchkammer Strauss als „nicht betroffen“ eingestuft hatte, wurde das Verfahren gegen ihn im Juni 1948 eingestellt. Im Juni 1949 nahm der Komponist an den Münchner Feiern zu seinem 85. Geburtstag teil, zu dem er zahlreiche Ehrungen wie etwa das Ehrendoktorat der Universität München empfing. Einen Monat zuvor war Richard Strauss aus der Schweiz nach Garmisch-Partenkirchen heimgekehrt, wo er am 8. September 1949 verstarb. Der Gedenkgottesdienst fand vier Tage später am Münchner Ostfriedhof statt. Strauss‘ Gattin Pauline überlebte ihn nur um wenige Monate. Sie starb am 13. Mai 1950.

 

Straßenbenennung

Im Herbst 1953 dankte Stadtrat Dr. Otto Ponholzer (VdU) dem Salzburger Rechtsanwalt Dr. Hans Asamer in einem Schreiben „für die kostenlose Abtretung“ eines Grundstückes im Stadtteil Aigen bzw. Parsch. Von Asamer waren einige Bedingungen dafür gestellt worden, u. a. dass der betroffene Platz „nach dem Ehrenbürger der Stadt Salzburg Ludwig Schmederer benannt“ werde. Die Magistratsabteilung VI fertigte einen Amtsbericht aus, mit dem sich der Stadtsenat in seiner Sitzung vom 26. Oktober 1953 „nach Erledigung der Tagesordnung (…) auf Grund einstimmig zuerkannter Dringlichkeit“ beschäftigte und der die von Ponholzer vorgebrachte Platzbenennung in Aigen beinhaltete. „Der im Ausbau befindliche neue Platz am Ende der Gaisbergstraße an der Kreuzung Traklstraße – Wolfgartenweg – Kreuzbergpromenade wäre in Ludwig Schmederer-Platz zu benennen. Die bisherige Ludwig Schmederer-Straße wäre in Richard-Strauß-Straße (sic) umzubenennen.“ Wer den Namen des vier Jahre zuvor verstorbenen Komponisten vorbrachte, ist nicht aktenkundig. Der Antrag wurde von den Mitgliedern des Stadtsenates einstimmig angenommen und an den Gemeinderat weitergeleitet, der die „Richard Strauß-Straße“ in seiner Sitzung vom 21. Dezember 1953 einstimmig (15 SPÖ, 13 ÖVP, 9 VdU, 1 KPÖ) beschloss.