Arisierungen

Die generelle Organisation von "Arisierungen" in der "Ostmark"

Sechs Wochen nach dem "Anschluss" im März 1938 erließ die nationalsozialistische Regierung eine Verordnung, wonach alle Juden und Jüdinnen in der so genannten "Ostmark" ihre Besitzverhältnisse offenlegen mussten. Durch diese "Vermögensanmeldung" erhielten die neuen Machthaber einen genauen Überblick über das Eigentum, das sie in weiterer Folge einziehen bzw. "arisieren" konnten: Darunter fielen Spareinlagen und Bargeld, Lebensversicherungen, Wohnungen, Häuser, Fabriken, Mobiliar, Bilder, Schmuck und eine große Menge anderer Vermögenswerte. Dreh- und Angelpunkt für die "Arisierungen" in der gesamten "Ostmark" war dann die im August 1938 gegründete Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien, die von SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann geleitet wurde. Kernaufgabe dieser Behörde war die systematische Koordination der Beraubung und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung. In den einzelnen Gauen installierten die NS-Behörden so genannte "Vermögensverkehrsstellen", die die lokale Gesamtorganisation der "Arisierungen" übernahmen. Diese setzten "kommissarische Verwalter" und "Veräußerungstreuhänder“ in Betrieben ein und trugen Sicherungssperren im Grundbuch ein, um ungewollte Immobilienverkäufe zu verhindern. Zudem gaben sie Schätzgutachten in Auftrag, die den Wert der zu raubenden Besitztümer bestimmten. Die jüdischen EigentümerInnen wurden daraufhin unter Druck gezwungen, diese zu einem Bruchteil ihres tatsächlichen Wertes zu verkaufen. Mit neuen Gesetzen und Zwangsabgaben enthielten sie den Geschädigten aber selbst diese Ansprüche vor.

Mit der "Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben" vom 12. November 1938 wurden jüdischen Gewerbetreibenden schließlich auch der Betrieb von Einzelhandels- und Versandgeschäften sowie der selbstständige Betrieb eines Handwerks verboten. Ihre Gewerbeberechtigungen wurden eingezogen, die Geschäfte "arisiert" oder geschlossen. Trotz der verordneten Liquidierung von Unternehmen bereicherten sich viele weiterhin an jüdischem Eigentum – so wurden etwa Waren und Inventar aus der Liquidierungsmasse zu günstigen Preisen verteilt.

"Arisierungen" in Salzburg

Beim Großteil der "Arisierungen" in Stadt und Land Salzburg ging es um Immobilien: Knapp ein Drittel der 379 Fälle von Vermögensentzug betraf privat genutzte Häuser und Wohnungen, hinzu kamen Mietwohnungen und Geschäfte, vorwiegend kleinere Gewerbebetriebe. Die NS-Behörden verkauften diese entweder an "Volksgenossen" oder liquidierten sie kurzerhand. Eine der bekanntesten Liegenschaften war das Schloss Leopoldskron, das sich im Besitz des Begründers der Salzburger Festspiele, Max Reinhardt, befunden hatte und bereits im April 1938 vom Reichsgau Salzburg "arisiert" bzw. geraubt wurde.

Das Beispiel Kaufhaus Schwarz

Im Unterschied zu Wien und anderen Bundesländern gab es in Salzburg nur wenige jüdische Großbetriebe, etwa die Zündwarenfabrik Handler & Pfifferling in Salzburg-Sam oder das Kaufhaus Schwarz in der Salzburger Innenstadt:
der Kaufmann Walter Schwarz war im März 1938 verhaftet, kurz darauf wieder freigelassen, jedoch im August 1938 abermals verhaftet und in der Gestapohauptstelle München inhaftiert worden. Laut Totenschein des dortigen Polizeiarztes beging er am 1. September 1938 Selbstmord. Die inoffizielle Todesursache könnte gleichermaßen Mord gewesen sein.

Als "Arisierungswerber", der sein Kaufhaus übernehmen und weiterführen wollte, trat daraufhin SS-Gruppenführer Curt Wittje aus Hamburg-Altona auf. Die Kaufhaus-Belegschaft hoffte ebenfalls auf eine "Arisierung" durch Wittje, da sie darin – im Gegensatz zu einer Liquidierung – die einzige Möglichkeit sah, ihre Arbeitsplätze zu erhalten. Allerdings kam im September 1938 mit der Salzburger Sparkasse ein weiterer "Arisierungswerber" hinzu, der sich letztlich durchsetzen konnte:
am 21. November 1938 wurde die Liquidierung des Kaufhauses Schwarz genehmigt. Nur ein kleiner Teil des ehemaligen Warenhauses wurde von früheren Angestellten weitergeführt.

Weitere Fälle

Zusätzlich sind im Bundesland Salzburg einige wenige Fälle von "Arisierungen" in der Landwirtschaft dokumentiert, der umfangreichste Bereich aber war der Raub von Ferienhäusern und -wohnungen in den Salzburger Sommerfrische-Orten. (Ein Beispiel hierfür ist das Hotel Bristol, ein von der Familie Kokisch orthodox geführtes Kurhaus in Bad Gastein, das sich 1938 die unter SS-Leitung stehende örtliche Polizei einverleibte.)

Hinzu kamen auch die im Zuge der Novemberpogrome zerstörte Synagoge und der jüdische Friedhof, die beschlagnahmt und veräußert wurden. Um den Verkauf des Friedhofs durchzuführen, setzten die Nationalsozialisten den jüdischen Anwalt Otto Weinberger ein. Er war seit den Novemberpogromen bereits in Dachau inhaftiert, wurde jedoch zu diesem Zweck nach Salzburg zurückgeholt und zum Kurator der jüdischen Gemeinde ernannt, damit der Verkauf juristisch korrekt durchgeführt werden konnte. Geld selbst bekam er nie zu Gesicht, vielmehr ging es um die Wahrung des formalen Scheins, für Weinberger unter der Androhung zurück nach Dachau geschickt zu werden, sollte er sich den Bedingungen widersetzen. Mit 10 Reichsmark in der Tasche, gelang ihm schließlich die Flucht nach Shanghai.

Überdies wurden im Zuge der "Arisierungen" jüdische Vereine aufgelöst und ihre Vermögenswerte eingezogen. Beispielsweise gingen so auch die Schutzhütten des "jüdisch alpinen Vereins Donauland" an die Wehrmacht und den Deutschen Alpenverein über.

Insgesamt waren im Bundesland Salzburg etwa 600 Personen von der nationalsozialistischen Beraubungspolitik betroffen. Viele als "arisch" geltende SalzburgerInnen profitierten davon, dass der jüdischen Bevölkerung ihr Besitz entrissen wurde, sie bekamen daraufhin leerstehende Wohnungen zugewiesen oder konnten ein "arisiertes" Geschäft erwerben.

Literaturempfehlung
  • Daniela Ellmauer / Helga Embacher / Albert Lichtblau (Hg.), Geduldet, Geschmäht und Vertrieben. Salzburger Juden erzählen, Salzburg / Wien 1998.
  • Johannes Hofinger, Nationalsozialismus in Salzburg: Opfer. Täter. Gegner, Innsbruck 2016.
  • Albert Lichtblau, „Arisierungen“ in Salzburg, in: Helga Embacher (Hg.), Juden in Salzburg: history, cultures, fates, Salzburg 2002, 67–83.
  • Albert, Lichtblau, „Arisierungen“, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und Entschädigungen in Salzburg. Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich, Bd. 17/2, Wien/München 2004.