Die Bedeutung von jüdischen Hilfsorganisationen für jüdische Überlebende in der Nachkriegszeit

Mit der Shoah brach die jüdische Infrastruktur in Europa zusammen. Nach der Befreiung fühlte sich kaum jemand für jüdische Überlebende zuständig oder setzte sich für deren Interessen ein. In Österreich trat nur die neu gegründete Israelitische Kultusgemeinde als deren Fürsprecher auf. „Nur“ Juden und Jüdinnen blieb anfangs die Mitgliedschaft im KZ-Verband verwehrt, da sich dieser als Sprachrohr der politisch Verfolgten und „aktiven“ WiderstandskämpferInnen verstand. Opfer rassistischer Verfolgung blieben auch vom ersten Opferfürsorgegesetz vom Juli 1945 noch ausgeschlossen, außer sie konnten nachweisen, Teil des aktiven österreichischen Widerstands gewesen zu sein. Daher gründeten ehemalige jüdische KZ-Häftlinge das Aktionskomitee der jüdischen KZler, mit dessen Hilfe jüdische Opfer schließlich in den KZ-Verband aufgenommen wurden. Damit wurden jüdische Mitglieder als politisch Verfolgte deklariert und konnten ab 1946 Opferfürsorge beantragen.

Eine zentrale Rolle kam in den Nachkriegsjahren somit internationalen Hilfsorganisationen zu. Diese kümmerten sich um jüdische Überlebende in DP-Lagern, stellten sicher, dass sie bestmöglich verpflegt wurden (was teilweise auch zu Neid auf Seiten der nicht-jüdischen Bevölkerung führte), bereiteten sie auf ein Leben in einem jüdischen Staat in Palästina vor und unterstützten sie bei der illegalen Emigration. Salzburg, das aufgrund seiner geopolitischen Lage zu einem wichtigen Zentrum für die jüdische Auswanderung wurde, beherbergte Niederlassungen wichtiger internationaler Hilfsorganisationen. Diese arbeiteten Großteils zusammen und es gab auch zahlreiche personelle Überschneidungen.

Zu den wichtigsten Organisationen sind die folgenden zu zählen:

  • Das American Jewish Joint Distribution Committee, kurz: Joint oder JDC genannt: Die größte US-amerikanisch-jüdische Hilfsorganisation spielte eine fundamentale Rolle in der Versorgung jüdischer DPs, verwaltete Transitcamps in Salzburg und unterstützte die Bricha auch finanziell. Der Joint informierte kurz nach der Befreiung 1945 US-Präsident Harry S. Truman über die schwierige Situation der jüdischen Überlebenden in Europa, worauf dieser umfassende Untersuchungen in Auftrag gab. Auf Basis des dabei entstandenen Harrison-Reports verbesserte sich die Situation der jüdischen Überlebenden: es wurden eigene jüdische DP-Camps gegründet und unter Selbstverwaltung gestellt. Außerdem erhielten jüdische Überlebende Sonderförderungen.
  • Die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) war eine bis Ende 1946 operierende Hilfsorganisation der Vereinten Nationen. Sie verwaltete DP-Camps in der US-Zone, u. a. jenes in Bad Gastein, Salzburg-Parsch („New Palestine“) und Braunau. Das in Salzburg stationierte Team der UNRRA kam zum Teil aus Palästina.
  • Die Jewish Brigade wurde von jüdischen Soldaten in Palästina gegründet. Sie war Teil der britischen Armee und damit auch Teil der britischen Besatzungsmacht. Die Jewish Brigade unterstützte Überlebende bei Familienzusammenführungen, bei der Vorbereitung auf ein Leben in Palästina und beim illegalen Transit über die österreichisch-italienische Grenze. Bei letzterem besonders hilfreich war ihre Kooperation mit Merkaz Lagolah, dem Diaspora-Zentrum in Italien.
  • Die Jewish Agency for Palestine, seit der Gründung Israels im Jahr 1948 Jewish Agency for Israel, wurde bereits 1921 als Organisation der Zionistischen Weltorganisation (ZWO) gegründet. Sie vertrat die Interessen der jüdischen Bevölkerung Palästinas gegenüber der britischen Mandatsregierung und dem Völkerbund bzw. der UNO. Ihr zentrales Ziel war die Errichtung eines jüdischen Staates. Nach der Befreiung der Lager 1945 engagierte sie sich auch für Familienzusammenführungen. Immer wieder gelang es Überlebenden in österreichischen DP-Camps Verwandte in deutschen DP-Camps – etwa in Bad Reichenhall oder Ainring – ausfindig zu machen, doch gestalteten sich Zusammenführungen aufgrund der rigorosen Einreisebestimmungen zumeist als schwierig. (Marko Feingold spielte hier eine wichtige Rolle, indem er Überlebende über die deutsche Grenze brachte – teilweise auch illegal.) Die Jewish Agency for Palestine war auch am europaweiten Ausbau der Bricha beteiligt und bereitete Überlebende auf eine Emigration nach Palästina vor.
Literaturempfehlung
  • Helga Embacher, Neubeginn ohne Illusionen, in: Marko M. Feingold (Hg.), Ein ewiges Dennoch. 125 Jahre Juden in Salzburg, Wien / Köln / Weimar 1993, 285–336.
  • Helga Embacher, Die Salzburger jüdische Gemeinde von ihrer Neugründung im Liberalismus bis zur Gegenwart, in: Dies. (Hg.), Juden in Salzburg. History, Cultures, Fates, Salzburg 2002, 38–66.
  • Mendel Karin-Karger (Hg.), Salzburgs wiederaufgebaute Synagoge. Festschrift zur Einweihung, Salzburg 1968.