Antifaschismus-Mahnmal auf dem Südtiroler Platz

Bahnhöfe sind Knotenpunkte des Kommens und Gehens. Der Südtiroler Platz (Bahnhofsvorplatz) ist ein Platz mit hoher Symbolkraft. Im Süden befand sich in der NS-Zeit das Wehrkreiskommando XVIII, im Norden eine Reihe von Lagern für Zwangsarbeiter. Hierher wurden die zur Deportation bestimmten Juden, Roma und Sinti gebracht. Diesen Platz passierten die politischen Häftlinge, die zu den Hinrichtungsstätten in München oder Berlin transportiert wurden. Diesen Platz überquerten „Schutzhäftlinge“ auf ihrem Weg nach Dachau. Unweit von hier befand sich das Durchgangslager Itzling, von dem Zwangsarbeiter/innen auf ihre unfreiwilligen Arbeitsstätten verteilt wurden.
Diesen Charakter dieses Platzes thematisiert das Mahnmal. Heimo Zobernig hat es als Hütte gestaltet, als Wartehäuschen vielleicht, in grauem Beton, ohne heroisches Pathos. Es besteht aus einer Bodenplatte, drei Pfeiler halten die Dachplatte. Der fehlende vierte Pfeiler nimmt dem Mahnmal seine statische Sicherheit. Jederzeit kann das Häuschen einstürzen, man muss sich des antifaschistischen Grundkonsenses stets aufs Neue versichern.

Am oberen Ende des dritten Pfeilers befindet sich ein bronzener Kopf, weder Frau noch Mann, weder jung noch gealtert, Archetypus menschlichen Seins und Denkens. Der Kopf ist es, der der Dachplatte den nötigen Halt gibt. In diese ist der Widmungstext eingraviert. Die Stadt Salzburg bekennt, heißt es da, „dass auch hier Verbrechen des Nationalsozialismus geschehen sind und sich Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt daran schuldig gemacht haben“. Und die Stadt Salzburg benennt die Opfergruppen.
Das Mahnmal wirkt bescheiden, an den Rand gedrängt. Es ist aber Teil dieses Platzes, inmitten des Kommen und Gehens, eines Platzes, auf dem nichts statisch ist wie auch die „Grundprinzipien der Demokratie und der Menschenrechte, der Toleranz und der Rechtsstaatlichkeit, der Solidarität und der Nachhaltigkeit“ nichts Selbstverständliches sind. Sie bedürfen einer ständigen Anstrengung. Das Antifaschismus-Mahnmal ist Aufforderung an gegenwärtiges und künftiges Handeln.

Die Errichtung eines antifaschistischen Denkmals war Mitte der 1980er Jahre Teil des Wettbewerbs für die Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes. Das Architektenbüro Schürmann & Partner situierte das Mahnmal in den Hain im Westen und richtete es mittig auf den Bahnhof aus. Zu Jahresende 1999 beschloss der Gemeinderat schließlich (mit knapper Mehrheit) seine Errichtung.
2001 startete ein internationaler künstlerischer Wettbewerb, aus dem Heimo Zobernigs Entwurf als Siegerprojekt hervorging.
2002 – 57 Jahre nach Befreiung vom Nationalsozialismus – wurde das Mahnmal in Anwesenheit der Opferverbände seiner Bestimmung übergeben. Eine Beleuchtung betont seit 2012 die Raumwirkung des generalsanierten Mahnmals.

Widmungstext auf der Unterseite der Dachplatte:
DIE STADT SALZBURG BEKENNT UND BETRAUERT, DASS AUCH HIER VERBRECHEN DES
NATIONALSOZIALISMUS GESCHEHEN SIND UND BÜRGER/INNEN DIESER STADT SICH DARAN SCHULDIG GEMACHT HABEN. OPFER DIESER BARBAREI WAREN JUDEN UND JÜDINNEN, PSYCHISCH KRANKE UND BEHINDERTE, POLITISCH ANDERS DENKENDE, SINTI UND ROMA, HOMOSEXUELLE, KÜNSTLER/INNEN, WIDERSTANDSKÄMPFER/INNEN, KRIEGSGEFANGENE UND ZWANGSARBEITER/INNEN, ANDERE VERFOLGTE GRUPPEN UND EINZELPERSONEN. DIE ERINNERUNG AN DIESE DUNKLEN JAHRE IST ZUGLEICH VERPFLICHTUNG ZU EINEM NIE WIEDER. EIN LEBEN IN MENSCHLICHER WÜRDE BERUHT AUF DEN PRINZIPIEN DER DEMOKRATIE UND DER MENSCHENRECHTE, DER TOLERANZ UND DER RECHTSSTAATLICHKEIT, DER SOLIDARITÄT UND DER NACHHALTIGKEIT. DIESE GRUNDSÄTZE SIND NICHT SELBSTVERSTÄNDLICH, SONDERN MÜSSEN GEGEN DEN UNGEIST EINES UM SICH GREIFENDEN ALLTAGSFASCHISMUS VERTEIDIGT UND IMMER WIEDER NEU ERRUNGEN WERDEN. DAS ANDENKEN DER OPFER VON GESTERN ZU EHREN HEISST, SICH HEUTE AKTIV GEGEN ALLE FORMEN DES FASCHISMUS UND FÜR DIE WAHRUNG DER MENSCHENRECHTE ZU ENGAGIEREN.

Am 70. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, am 27. Jänner 2015, wurde mit der Verlegung von Stolpersteinen in der Nähe des Antifaschismus-Mahnmales elf Opfern im Zusammenhang mit Zwangsarbeit rund um die Deutsche Reichsbahn gedacht.

Im Sommer 2020 wurde das Mahnmal generalsaniert, mit zusätzlicher Beleuchtung und Stromanschluss sowie einer Infotafel in deutsch und englisch versehen und der Hain neu angelegt. Bei einem feierlichen Gedenkakt am 2. September wurde das Mahnmal seiner Bestimmung übergeben.

Rede von Walter Manoschek anlässlich der diesjährigen Veranstaltung zum "Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust"

Rede von Vladimir Vertlib anlässlich der diesjährigen Veranstaltung zum "Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust"