Thomas Roithner - Robert Jungk Stipendiat 2017

Die Stadt Salzburg vergibt jährlich in Kooperation mit der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen ein Robert-Jungk-Stipendium für zwei Monate.

2017 erhielt Priv.-Doz. Mag. Dr. Thomas Roithner das Robert-Jungk-Stipendium. Für die Weiterentwicklung seiner Forschungsfragen arbeitete er von 6.11.2017 bis 7.1.2018 in Salzburg.

Thomas Roithner ist Friedensforscher und lehrt als Privatdozent am Institut für Politikwissenschaft sowie am Institut für Internationale Entwicklung der Universität Wien. Sein aktuelles drittelmittelfinanziertes Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der Zukunft der Europäischen Friedenspolitik. Dabei bilden Fragen wie die militärische und zivile Auslandseinsatzpolitik, rüstungsindustrielle Aspekte oder die globale Strategie der Union ein Zentrum. Analysiert wird auch die Problemstellung, wie sich die EU in Zeiten globaler politischer und ökonomischer Machtverschiebungen positioniert. Ein Schwerpunkt des Gesamtvorhabens ist der Entwurf einer wissenschaftlich fundierten Friedensstrategie für die EU.

Porträt Thomas Roithner

Forschen mit Wohlfühlpotential

Mit Gewalt und Konflikten beschäftigt sich Thomas Roithner, der aktuelle Robert-Jungk-Stipendiat in der Wissensstadt Salzburg. Der Friedensforscher arbeitet noch bis Jänner in der Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen (JBZ). Im Interview erzählt er über das große Thema Frieden und über seine Zeit in Salzburg, eine Stadt mit großem Wohlfühlpotential.  
„Krieg wird in der öffentlichen Debatte oft als die letzte Option bezeichnet“, sagt Thomas Roithner, „es sollte aber mehr in die vorletzte und vorvorletzte Option investiert werden, nämlich Kriege mit zivilen Mitteln zur verhindern.“ Der Friedensforscher beschäftigt sich mit der Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik der Europäischen Union. Keine leichte Aufgabe. Um weiter an seinem aktuellen Forschungsprojekt zu arbeiten, hat er sich für das Robert-Jungk-Stipendium beworben, das heuer bereits zum 10. Mal vergeben wurde.  
Das Team der Robert-Jungk-Bibliothek kennt Thomas Roithner schon lange, seit Anfang November ist er ein Mitglied, wenn auch nur bis Jänner. Jeden Tag arbeitet er in der Bibliothek und besucht zahlreiche Veranstaltungen. Vor allem profitiert er auch vom Umfeld der JBZ, den spannenden Begegnungen und neuen Kontakten. Und er fühlt sich sichtlich wohl in der „Zukunftsbibliothek“ am Stadtwerk.

Gewaltfreie Beziehungen auf internationaler Ebene

Wie kann man die Beziehungen innerhalb der EU, aber auch mit der EU und der Welt auf einer gewaltfreien Basis gestalten? Die Beantwortung dieser Frage hat Roithner schließlich von Wien in die Wissensstadt Salzburg geführt. „Es geht darum Gewalt – direkte Gewalt, aber auch Gewaltstrukturen – abzubauen. Diese Gewaltstrukturen finden wir genauso in den globalen Wirtschaftsbeziehungen,“ erklärt Roithner seine Forschungsergebnisse.

Strategie für den Frieden

Bei seinem Projekt stellt sich Roithner einer wahren Herkulesaufgabe: Er entwirft eine wissenschaftlich fundierte Friedensstrategie für die EU. Im Zentrum stehen dabei militärische und zivile Auslandseinsatzpolitik, rüstungsindustrielle Aspekte oder die globale Strategie der Union. Außerdem analysiert er die Positionierung der EU in Zeiten globaler politischer und ökonomischer Machtverschiebungen.  
Die Sicherheitsstrategie der EU berücksichtigt militärische Mittel, wie Land-, See- und Luftstreitkräfte. „Was dabei fehlt, ist eine umfassende Krisenprävention. Es sollte mehr darum gehen, Bedingungen zu schaffen, damit Leute in Sicherheit leben, als Militärstreitkräfte einzusetzen“, kritisiert Roithner die Vorgehensweise der EU.

Fünf Fragen an Thomas Roithner

Wie wird man Friedensforscher?  
Es gibt in Österreich viel zu wenige Möglichkeiten, Friedens- und Konfliktforschung zu studieren. Ich habe mich während meines Studiums der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften immer schon dafür interessiert und meine Lehrveranstaltungen dahingehend ausgerichtet. Ausschlaggebend war meine Arbeit im Friedensbüro. Außerdem behandelte ich bei der Promotion und Habilitation friedenspolitische Themen. 

Sie beschäftigen sich mit einem großen Begriff. Wie definieren Sie Frieden?
Unter Frieden versteht man die Abwesenheit von Gewalt. Darunter fallen auch Gewaltstrukturen oder kulturelle Gewalt, also bestimmte Gegebenheiten die etwa Gewalt rechtfertigen. Friede ist ein Zustand, den man sich nur ausmalen, aber nicht erreichen kann.

Österreich wird als friedliches Land wahrgenommen. Hier fühlen wir uns sicher vor Bedrohungen. Sehen Sie das genauso?  
Für Österreich sehe ich das Problem der Versicherheitlichung. Das Bundesheer erhält immer mehr Kompetenzen und übernimmt Aufgaben der Polizei oder der Justiz. Keine zivilen Aufgaben sollten dem Militär zugeschlagen werden. Diese Vermischung sehe ich sehr kritisch und durchaus als gefährlich.  
Sicherheit wird wurde auch zum Wahlkampfthema. Wenn man jedes Problem durch die Sicherheitsbrille betrachtet, so geraten oft zivile Möglichkeiten aus dem Blickfeld. Globale Armut, ökologische Probleme oder Migrationsfragen brauchen keine Versicherheitlichung, sondern ursachenorientierte Konfliktbearbeitung. In Krisengebieten muss man rechtzeitig, zivil und klug eingreifen, damit Menschen nicht fliehen müssen oder um noch Schlimmeres vorbeugend zu verhindern.

Warum haben Sie sich ausgerechnet für das Stipendium in der Robert-Jungk-Bibliothek (JBZ) entschieden?  
Durch die Arbeit in der JBZ ist es mir möglich meinen eigenen Friedensbegriff zu erweitern. Man trifft mich meistens lesend in der Bibliothek. Ich nehme aber auch an vielen Veranstaltungen teil und treffe Personen zum Austausch.  
Auch der Alltag in Salzburg gefällt mir sehr gut. Als gebürtiger Linzer mag ich die angenehme Größe von Salzburg. Ich gehe zu Fuß in die Jungk-Bibliothek und durchwandere die Altstadt. 

Sie leben und arbeiten in Wien. Wie nehmen Sie die Salzburger Forschungslandschaft wahr?  
Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass die Institutionen und Einrichtungen in kleineren Städten wie Salzburg häufig vernetzter sind und eine intensivere Zusammenarbeit leben. Die Größe einer Stadt hat nicht zwingend einen Zusammenhang mit der Intensität der Zusammenarbeit. Besonders wenn dahinter Initiativen stecken, die diese Zusammenarbeit auch noch aktiv fördern. 

Das Interview führte Eva Kraxberger.

Zur Person

Thomas Roithner wurde 1971 in Linz geboren. Schon während seines Studiums der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in der oberösterreichischen Landeshauptstadt hat er sich der Friedens- und Konfliktforschung verschrieben. Seine Anfänge machte er im Friedensbüro in Linz. Obwohl er seit 1999 in Wien als Universitätsdozent, Autor und Journalist arbeitet, ist er im Herzen ein „Stahlstadtkind“ geblieben. Er lehrt am Institut für Politikwissenschaft und am Institut für internationale Entwicklung der Universität Wien. Außerdem schreibt er für Zeitungen, wie den Standard oder die Furche, und veröffentlicht wissenschaftliche Beiträge. Sein nächstes Buch erscheint im Jänner 2018.