Herkunft und Familie

Marko Max Feingold wurde am 28. Mai 1913 – und damit genau 14 Monate vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs – in eine jüdische Familie geboren. Seine Geburtsstadt Besztercebánya, auch Banská Bystrica oder deutsch Neusohl genannt, war damals Teil der Österreich-Ungarischen Monarchie und liegt heute in der Slowakei. Er verbrachte seine Kindheit vorwiegend in Wien. Dort lebte er gemeinsam mit seinen Eltern und drei Geschwistern (zwei weitere starben als Säuglinge) im 2. und 20. Gemeindebezirk. Dieser Teil Wiens wurde damals auch „Mazzesinsel“ genannt, da hier der Anteil der jüdischen Bevölkerung am höchsten war (Mazze = ungesäuertes Fladenbrot, das zu Pessah gegessen wird). Tausende osteuropäische Juden und Jüdinnen, die ihre Heimat seit Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund antisemitischer Pogrome, Armut und später in Folge des Ersten Weltkrieges verlassen mussten, siedelten sich hier an. Nach dem Ersten Weltkrieg lebte etwa ein Drittel der 180.000 Wiener Juden und Jüdinnen in diesem Gebiet – viele davon in großer Armut. Marko Feingold verbrachte seine Kindheit folglich in einem durch ostjüdische Traditionen geprägten Umfeld.

Mutter Cilly Feingold

Marko Feingolds Mutter Cilly Cypre, geb. Fuchs, wuchs in Lemberg (damals Österreich-Ungarn, heute Westukraine) auf, wo sie in ihrer traditionell lebenden Familie lernte, einen rituellen Haushalt zu führen. Marko Feingold hatte sie als religiöse, traditionsbewusste und großzügige Frau, liebevolle Mutter und hervorragende Köchin in Erinnerung. In ihrer Küche spiegelte sich die geschmackliche Vielfalt der Monarchie wider. Mit ihrem Tod ging viel Wissen um die Zubereitung bestimmter Speisen unwiederbringlich verloren; Marko Feingold suchte zeitlebens vergeblich nach gewissen Geschmackserlebnissen seiner Kindheit. In ihrer raren Freizeit besuchte Cilly Feingold gerne das jüdische Theater in der Praterstraße. Sie verstarb 1936 an einer Krankheit in Wien.

Vater Heinrich Feingold

Marko Feingolds Vater Heinrich Chaim Feingold stammte aus der heutigen Ukraine, wo die Familie eine kleine Landwirtschaft betrieb. Wie tausende andere Juden und Jüdinnen verließ auch seine Familie aufgrund des erstarkenden Antisemitismus um 1880 ihre Heimat und siedelte sich letztendlich in Wien an. Großvater und Vater fanden beim Eisenbahnbau, der zu diesem Zeitpunkt stark an  Bedeutung gewann, Beschäftigung. Während des Ersten Weltkriegs war Marko Feingolds Vater am Isonzo stationiert, vom Krieg erzählte er seinem Sohn allerdings nie. Die unmittelbaren Nachkriegsjahre in der jungen Ersten Republik waren von einer großen Versorgungskrise gekennzeichnet. Wie viele Österreicher konnte Heinrich Feingold die Familie daher nur durch Schwarzhandel ausreichend versorgen. Bald aber war es ihm möglich, als Betreiber von Wechselstuben und Vertreter für verschiedene Firmen ausreichend Geld zu verdienen. Er war daher häufig auf Handelsreisen. Marko Feingold hatte seinen Vater als sparsamen, liberalen Menschen in Erinnerung, der gerne ins Kaffeehaus ging. Wie viele Wiener Juden war er politisch „rot angehaucht“. Während des „Anschlusses“ befand er sich gemeinsam mit Sohn Fritz in Jugoslawien und reiste von dort über Ungarn und die Tschechoslowakei nach Warschau, wo auch einer seiner Brüder lebte. Er starb dort unmittelbar nach Kriegsausbruch 1939, nachdem er von einer Granate getroffen worden war.

Geschwister

Marko Feingold wuchs mit zwei älteren Brüdern und einer jüngeren Schwester auf. Der älteste Bruder Nathan, genannt Fritz, wurde 1910 geboren. Er arbeitete als Buchhalter, Buchprüfer und später als Vertreter und ging gemeinsam mit dem Vater auf Handelsreisen. Nach dem Tod seines Vaters in Warschau übersiedelte er nach Lemberg zu einer Tante und heiratete dort eine Lehrerin. Fritz überlebte den Holocaust nicht.

Sein Bruder Ernst wurde 1911 geboren. Auch er wurde in der Buchhaltung ausgebildet und arbeitete anschließend als Vertreter. Marko und Ernst verbrachten gemeinsam einige Zeit in Italien, flüchteten 1938 in die Tschechoslowakei und wurden gemeinsam ins KZ Auschwitz und anschließend ins KZ Neuengamme deportiert. Ernst Feingold wurde im Juni 1942 in der Tötungsanstalt Bernburg vergast (siehe Link). Er hinterließ einen Sohn, den einzigen Nachkommen von Marko Feingolds Geschwistern. Dieser überlebte gemeinsam mit seiner Mutter in England.

Auch Marko Feingolds Schwester Rosa wurde Vertreterin, was damals für eine junge Frau ungewöhnlich war. Sie war sehr modern, wie Marko an Mode interessiert und trug kurze Haare, Bubikopf genannt. Berufsbedingt lebte sie längere Zeit in Italien, ehe sie 1934 zurück nach Wien zur Mutter reiste. Nach dem „Anschluss“ 1938 verließ auch sie Österreich. Sie lebte unter einer falschen nicht-jüdischen Identität als Rosa Ruzicka in Krakau. Nach 1945 suchte Marko Feingold vergeblich nach seiner Schwester. Sie blieb verschollen.

Weitere Verwandte und deren Schicksal

Marko Feingolds zahlreiche Onkel und Tanten sowie deren Kinder lebten bis 1938 vorwiegend in Wien, daneben auch in Lemberg, Sambir (heutige Ostukraine) und Warschau. Eine Tante emigrierte bereits in den 1920er Jahren in die USA, von wo aus sie die Feingold-Familie teilweise unterstützte. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten gelang nur zwei weiteren verwandten Familien die Flucht. Der Großteil von Marko Feingolds Familie und Verwandtschaft hingegen wurde im Holocaust ermordet oder war nach dem Krieg verschollen. Eine Ausnahme bilden lediglich zwei Cousins der großen Familie: Paul Schaffer (siehe Link) überlebte den Holocaust und ließ sich nach 1945 in Paris nieder. Cousin Max Gold wanderte nach Israel aus, wo er in Tel Aviv eine neue Heimat fand.

Literaturempfehlung:
  • Ruth Beckermann (Hg.), Die Mazzesinsel – Juden in der Wiener Leopoldstadt 1918–1938, Wien 1984.
  • Marko M. Feingold, Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh. Eine Überlebensgeschichte, hg. von Birgit Kirchmayr / Albert Lichtblau, Wien 2000 (2. Auflage Salzburg / Wien 2012).
  • Marsha L. Rozenblit, The Jews of Vienna, 1867–1914. Assimilation and Identity, New York 1983.