Leben in Salzburg: Heirat, "Wiener Mode", politisches Engagement und Antisemitismus

Marko Feingold und Else Grömmer, Graz 1946

Else Grömmer

Marko Feingold und Else Grömmer (1911–1992) lernten einander im Juni 1945 in Salzburg kennen und heirateten im August 1947. Ihm war es wichtig, eine Frau zu finden, die antinazistisch eingestellt war; die religiöse Zugehörigkeit hingegen war damals nebensächlich. Else Grömmer stammte aus einer katholischen Salzburger Familie, war aber nicht religiös. In der NS-Zeit wurde sie wegen „Feindradio-Hörens“ und „Wehrkraftzersetzung“ zu über zwei Jahren Haft verurteilt, nachdem sie von ihrer Mitbewohnerin und Freundin denunziert worden war. Eineinhalb Jahre musste sie im Frauenlager in Aichach verbringen. Aufgrund der unmenschlichen Haftbedingungen war sie ihr ganzes Leben lang schwer herzleidend. Marko Feingold zufolge ging Else Grömmer mit SalzburgerInnen, denen nach wie vor der Abstand zur NS-Ideologie fehlte, hart ins Gericht. Religionen gegenüber blieb sie abgewandt.

„Wiener Mode – Feingold“ und gescheiterte
Auswanderungspläne

Die Flüchtlingsarbeit in der KZ-Küche und der Bricha war für Marko Feingold auch eine psychische Stütze und Möglichkeit, sich von seinen Erinnerungen an die NS-Zeit abzulenken. Wie viele Überlebende litt er an Alpträumen. 1948 wurden beide Organisationen geschlossen. Marko Feingold griff frühere Überlegungen, ein Herren- und Damenmodegeschäft zu gründen, wieder auf. Bereits wenige Monate nach seiner Ankunft in Salzburg bemühte er sich um einen Gewerbeschein für Handel mit Textilien, der ihm schließlich im Januar 1946 zuerkannt wurde. 1948 eröffnete er gemeinsam mit Edi Goldmann ein Modegeschäft in der Wolf-Dietrich-Straße. Auf seine Herkunft anspielend nannte er es „Wiener Mode – Feingold“.

Marko und Else Feingold versuchten, in die USA auszuwandern, verloren aber 1950 das Recht auf Einreise wieder, da Marko Feingold im November 1945 seine Staatsbürgerschaft zurückbekam. Marko Feingold erhob schriftlich Einspruch gegen diese Entscheidung und schrieb 1951 an die International Refugee Organisation (IRO): „Ich versuchte zu vergessen und begann mir eine Existenz aufzubauen. […] Im Laufe der Zeit wurde mir das Leben hier [in Salzburg; Anm. d. Verf.] zur Hölle und ich bin nicht mehr imstande, in dem Land weiter zu leben, wo ich alles verloren habe.“ Die IRO sprach ihm schließlich das Recht auf Ausreise zu, von dem er allerdings nie gebrauch machte. Gleichzeitig gelang es ihm und Edi Goldmann, in Salzburg mit ihrem Geschäft Erfolge zu feiern. Ihre Lederwaren waren stark nachgefragt und wurden bereits wenige Monate nach Geschäftseröffnung in Tageszeitungen lobend erwähnt.

Marko Feingold war ein sehr kreativer Geschäftsmann und lebte seine Leidenschaft für Mode aus. Zudem absolvierte er in München die Schneiderakademie. Er spezialisierte sich auf moderne Lederbekleidung und ließ Kleidung in Zwischengrößen produzieren, brachte neue Schnitte und Trends nach Salzburg und war einer der ersten, die Kleidung aus dehnbaren Stoffen und modische Hosen für Damen zum Verkauf anboten. Seine Ware, zu der auch Trachten zählten, war sowohl bei SalzburgerInnen als auch bei TouristInnen sehr gefragt. In Interviews erzählte er, dass selbst die iranische Kaiserin Farah Diba und der Onkel des Königs von Ägypten einkauften. 1955/56 eröffnete er eine Filiale im Salzburger Kongresshaus (das 2001 durch einen Neubau ersetzt wurde). Marko Feingold betonte, der Tätigkeit als Geschäftsinhaber sehr gerne nachgegangen zu sein. 1977 ging er in Pension.

Politisches Engagement und Antisemitismus

Wie bereits sein Vater war auch Marko Feingold lange Zeit Sozialdemokrat. Er öffnete sich später aber auch anderen Parteien. Nach der Befreiung 1945 trat er erneut der SPÖ bei. Er war Mitglied in der Lagergemeinschaft Buchenwald, dem damaligen KZ-Verband stand er kritisch gegenüber, da dieser von politisch Verfolgten dominiert war und wenig Sensibilität für „nur“ jüdische Überlebende aufbringen konnte. Besonders hart getroffen hatten ihn antisemitische Erfahrungen in seiner eigenen Partei, der SPÖ. Marko Feingold zufolge weigerte sich die sozialistische Zeitung im Jahr 1950, ein Inserat für sein Modegeschäft zu veröffentlichen. Er interpretierte diese Entscheidung als antisemitisch, da die Inserate aller nicht-jüdischen Geschäfte durchaus gedruckt wurden. Um eine Erklärung zu provozieren, weigerte er sich, seinen Parteibeitrag weiterhin zu bezahlen. Dem späteren Salzburger Bürgermeister Heinz Schaden war es noch in seiner damaligen Funktion als Bezirksparteivorsitzender der SPÖ ein Anliegen, ihn mit der Partei wieder zu versöhnen. Dafür bot er Marko Feingold die Ehrenmitgliedschaft der SPÖ an, die dieser in einer kleinen Feier auch gerne annahm.

2012 setzten die geführten Debatten um antisemitische Einstellungen des Sozialdemokraten Karl Renner setzten Marko Feingold stark zu. Sie markierten außerdem einen Bruch in seiner lebensgeschichtlichen Erzählung – insbesondere das Verbot, die Demarkationslinie zu passieren, betreffend: Bis zum Beginn dieser Auseinandersetzungen führte er dies auf eine Entscheidung der russischen Besatzungsmacht zurück. Seit den Antisemitismusdebatten hingegen erklärte er, Karl Renner, damals Staatskanzler der provisorischen Regierung, hätte dies persönlich verhindert. Belege für diese Behauptung fehlen allerdings.

Literaturempfehlung:
  • Helga Embacher, Der Kampf um die Opferrolle. Verfolgte des Nationalsozialismus im österreichischen Bewusstsein nach 1945, in: Thomas Weidenholzer / Albert Lichtblau (Hg.), Leben im Terror. Verfolgung und Widerstand. Die Stadt salzburg im Nationalsozialismus Band 3 = Schriftenreihe des Archivs der Stadt Salzburg Band 35, Salzburg 2012, 374–404.
  • Helga Embacher, Neubeginn ohne Illusionen, in: Marko M. Feingold (Hg.), Ein ewiges Dennoch. 125 Jahre Juden in Salzburg, Wien / Köln / Weimar 1993, 285–336.
  • Marko M. Feingold, Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh. Eine Überlebensgeschichte, hg. von Birgit Kirchmayr und Albert Lichtblau, Wien 2000.
  • Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission; darunter: Clemens Jabloner u.a. (Hg.), Schlussbericht der Historikerkommission der Republik Österreich. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich. Zusammenfassungen und Einschätzungen, 1, Wien / München 2003.