Quelle: Photograph by Gakuro 2006, GFDL

Die jüdische Gemeinde Salzburgs im Mittelalter - ein Überblick

Erste jüdische Gemeinden in Salzburg

Ansiedelung erster Juden und Jüdinnen und deren wirtschaftliche Bedeutung.

Im 12. und 13. Jahrhundert gewannen Städte und Märkte stark an Bedeutung. Jüdische Fernhändler und Kaufleute, deren Ansehen aufgrund ihrer Erfahrungen als Fernreisende in der christlichen Bevölkerung zunächst hoch war, siedelten sich verstärkt in diesen neuen Zentren an. Jüdischer Grundbesitz lässt sich für Salzburg erstmals im 13. Jahrhundert bezeugen (1230/38), aufgrund der Lage der jüdischen Siedlung in der Nähe des Waagplatzes ist allerdings davon auszugehen, dass sich Juden und Jüdinnen wesentlich früher in der Stadt niedergelassen haben. Für das 14. Jahrhundert finden sich schließlich Quellen, die jüdische Gemeinden – und damit klare Zeugnisse jüdischer Ansiedelungen – in den meisten wichtigen Städten Salzburgs nachweisen. Diese waren neben der Stadt Salzburg Friesach, Pettau (heute Ptuj), Hallein und Mühldorf am Inn (heute Bayern). In der wissenschaftlichen Literatur ist wiederholt davon zu lesen, dass die mittelalterlichen Gemeinden in Salzburg klein waren und 100 bis 150 Personen umfasst hätten. Tatsächlich fehlen jedoch konkrete Belege für die Zahl der Juden in Jüdinnen, wobei von größeren Gemeinden in den Zentren des Erzbistums wie Salzburg, Friesach und Pettau auszugehen ist. Die Gemeinden in Mühldorf am Inn und Hallein dürften deutlich kleiner gewesen sein.

Die sich verändernde wirtschaftliche Bedeutung der Juden für die christliche Gesellschaft

Mit dem Beginn der Kreuzzüge im 11. Jahrhundert verloren Juden nach und nach ihre herausragende Bedeutung im Fernhandel, da Christen nun in direktem Kontakt zum islamischen Kulturkreis standen. Gleichzeitig fielen tausende Juden und Jüdinnen, darunter auch in Salzburg beheimatete, ersten Pogromen zum Opfer. Zur selben Zeit begann der Übergang der Tausch- zur Geldwirtschaft. Das dabei entstandene Geld- und Kreditgeschäft wurde nicht nur von Juden übernommen, sondern auch von Christen. Alle drei Buchreligionen – Judentum, Christentum und Islam – kennen ein Zinsverbot, doch wurde dieses keineswegs immer beachtet und teilweise aufgehoben. Im Jahr 1179 sprach Papst Alexander III. Juden ausdrücklich das Recht zu, gegen Zinsen Geld leihen zu dürfen.

Ab dem 13. Jahrhundert schmälerte sich die wirtschaftliche Bedeutung der Juden im Geld- und Kreditgeschäft, da es zu einem Aufstieg des italienischen Bankwesens kam. Dieses wurde insbesondere von den christlichen Familien Bardi und später von den Medici geprägt. Im 14. Jahrhundert kam es erneut zu antijüdischen Pogromen, als die Pest wütete. Wieder wurden tausende Juden und Jüdinnen ermordet; ihre wirtschaftliche Bedeutung ging damit in manchen Städten ganz verloren.

Erzbischöfe und ihre "Kammerknechte": Die rechtliche Stellung der jüdischen Gemeinden

Die rechtliche Stellung der jüdischen Gemeinden in Salzburg war sowohl von päpstlichen als auch von kaiserlichen Beschlüssen abhängig. Sie unterschied sich deutlich von jener der christlichen Bevölkerung und war von einer zunehmenden Diskriminierung geprägt. So verabschiedete Papst Innozenz III. (1161–1216) im vierten Laterankonzil 1215 einige antijüdische Verordnungen, von welchen auch Juden und Jüdinnen in Salzburg betroffen waren: Öffentliche Ämter, mit welchen Macht über Christen ausgeübt werden konnte, durften ausschließlich an Christen übertragen werden. Weiters beschränkte er die Höhe der Zinsen, die Juden bei christlichen Schuldnern verlangen durften und schrieb Juden und Jüdinnen und MuslimInnen vor, sich anders zu kleiden, um klar als Nicht-ChristInnen erkennbar zu sein. Im Erzbistum Salzburg mussten Juden ab 1267 einen „gehörnten Judenhut“ tragen, Jüdinnen hatten ab 1418 ein Glöckchen an ihrer Kleidung anzubringen.

Papst Innozenz III. war wie seine Vorgänger auch Anhänger der Lehre der „ewigen Knechtschaft“. Diese geht auf den antijüdischen Vorwurf zurück, „die Juden“ hätten Jesus von Nazareth ermordet und seien daher zur ewigen Knechtschaft verdammt.

„Judenregal“

Sich u. a. auf die päpstliche Lehre der „ewigen Knechtschaft“ beziehend, erklärte Kaiser Friedrich II. (1194–1250) im Jahr 1236 Juden zu „kaiserlichen Kammerknechten“. Damit schützte er Juden als „seine Knechte“, gleichzeitig mussten diese aber  Steuern entrichten. Diese Herrschaft über die Juden und Jüdinnen, die sowohl Schutz auf der einen als auch Steuern auf der anderen Seite beinhaltet, wird als "Judenregal" bezeichnet. Die Salzburger Erzbischöfe waren auch Landesfürsten und nahmen dieses Regalrecht persönlich wahr. Damit standen Salzburger Juden in direkter Abhängigkeit der Erzbischöfe. Mit dieser Regelung wurden ihre Handlungsmöglichkeiten und Freiheiten stark eingeschränkt. Wollten Juden etwa das Land verlassen, bedurfte es der ausdrücklichen Erlaubnis des Erzbischofs. Flüchteten sie oder verließen sie das Erzbistum heimlich, konfiszierte er ihre Güter. Eine günstigere Rechtsstellung und ein höherer Schutz waren teuer; nur einzelne Juden konnten sich diese Spezialprivilegien leisten.

Im Spätmittelalter entstand ein eigenes Judenrecht im Erzbistum Salzburg, das besonders diskriminierende Bestimmungen enthielt. Darin wurde etwa festgelegt, dass Juden, die sich taufen ließen, danach aber wieder zum Judentum zurückkehrten, mit dem Feuertod bestraft werden sollten.

Unsicherheiten und Pfandleihe

Der Großteil der Salzburger Juden lebte im Hoch- und Spätmittelalter von Pfandleihgeschäften. Ihr Alltag war durch große Unsicherheiten bestimmt: Zum einen waren sie der Willkür der Erzbischöfe und ihrer hohen Geldforderungen ausgesetzt, zum anderen kam es zu drei bedeutenden Judenverfolgungen in den Jahren 1350, 1404 und 1498. Diese Risiken führten dazu, dass Juden hohe Zinsen verlangen mussten, um sich abzusichern. Letztere begünstigten aber wiederum Verfolgungen, denn diese standen keineswegs nur in Zusammenhang mit Vorwürfen der Hostienschändung oder Brunnenvergiftung, sondern folgten klaren wirtschaftlichen Überlegungen: mit dem Tod eines Kreditgebers verfielen die Schulden.

Erzbischöfliche Darlehen bei Juden

Nur einzelnen Juden gelang unter diesen schwierigen Lebensbedingungen der Aufstieg zu bedeutenden Geldverleihern; ihr Anteil in der jüdischen Bevölkerung war verschwindend klein. Sie waren aber umso wichtiger für die Erzbischöfe und Adeligen, wenn diese große Geldsummen benötigten – etwa um Kriegsschulden zu begleichen oder neues Land zu erwerben:

Erzbischof Konrad IV. (in diesem Amt von 1291–1312) kaufte 1297 den bayerischen Herzogen Otto und Stephan das Gasteinertal ab, indem er die Rückzahlung ihrer Schulden bei den Juden Hatschim und Jakob von Regensburg übernahm. Konrad IV. konnte die Kaufsumme aber selbst nicht aufbringen. Daher nahm er ein Darlehen beim Juden Samson aus Mühldorf auf. Das Gasteinertal kam folglich durch das Begleichen alter und Aufnehmen neuer Schulden in den Herrschaftsbereich der Salzburger Erzbischöfe.

Ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert ist überliefert, dass der jüdische Geldverleiher Isaak aus Friesach (heute Kärnten), dem Salzburger Vizedom hohe Geldsummen lieh, damit dieser den Kreuzzugszehnten (eine Abgabe zur Finanzierung eines Kreuzzuges) entrichten konnte.

Belegt ist außerdem, dass Erzbischof Friedrich III. (in diesem Amt von 1315–1338) hohe Darlehen bei den Juden Aaron von Salzburg, Samuel von Salzburg und Izzerl von Pettau zur Begleichung von Kriegsschulden aufnahm, nachdem er die Schlacht bei Mühldorf 1322 verloren hatte.

Jüdische Geldverleiher waren folglich eine Vorform des Bankenwesens und standen gleichzeitig in vielen Fällen in rechtlicher Abhängigkeit zu ihren Schuldnern. Diese Konstellation machten sich vor allem Adelige und Landesherren zunutze.

Judengasse, Synagoge und Friedhof: jüdische Infrastruktur in der Stadt Salzburg

Die zahlreichen religiösen Vorschriften des Judentums regelten alle Bereiche des Lebens und durchdrangen dementsprechend den Alltag der Juden und Jüdinnen. Ihre Einhaltung erforderte ein enges Zusammenleben der jüdischen Gemeinde und hatte gleichzeitig auch eine Abgrenzung nach außen hin zur Folge. Das Zentrum der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde bildete die Synagoge, die einerseits Gebetshaus war, andererseits auch Ausbildungsstätte.

In der Stadt Salzburg spielte für das jüdische Leben die Judengasse eine zentrale Rolle. Hier lebte bis zur Judenvertreibung 1404 der Großteil der Salzburger Juden und Jüdinnen. Sie mündet bis heute direkt in den Waagplatz – dem damaligen Markt- und Gerichtsplatz. Die Nähe der Judengasse zu diesem zentralen Ort unterstreicht die damalige Bedeutung der jüdischen Kaufleute und Händler für Salzburg. Vereinzelt ist auch jüdischer Hausbesitz außerhalb der Judengasse belegbar.

In der Judengasse befand sich bis zur Judenverfolgung 1404 auch eine Synagoge. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war diese im Haus mit der Adresse ‚Judengasse 15‘ untergebracht, in der sich heute ein Hotel befindet. (Der Dachvorsprung dieses Hauses trägt heute die Inschrift „1377 – Gelobt sei Jesus Christus in Ewigkeit – 1992“. Ein Hinweis auf die frühere Verwendung als Synagoge ist nicht vorhanden.) Zudem finden sich Belege, dass in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein Rabbiner in Salzburg lebte.

Der jüdische Friedhof Salzburgs lag in der Nähe der Müllner Kirche am nördlichen Ende des Mönchsbergs. Heute findet man dort keine Spuren mehr, die auf einen Friedhof aus dem Mittelalter hindeuten. Die jüdische Infrastruktur verlor ihre Bedeutung, nachdem die Salzburger Landstände 1498 die letzten Salzburger Juden und Jüdinnen vertrieben hatten. Nach der Neubesiedelung im 19. Jahrhundert wurden Synagoge und Friedhof in anderen Stadtteilen neu errichtet.

Pogrome und endgültige Vertreibung

Die Pestpandemie 1348–1351 löste in vielen mitteleuropäischen Städten Pogrome aus, denen Tausende Jüdinnen und Juden zum Opfer fielen. Es handelte sich keineswegs um spontane Massaker der von der Pest heimgesuchten und verängstigten Bevölkerung, sondern sie wurden in der Regel durch die Landesherren oder städtischen Obrigkeiten koordiniert. Vielerorts fanden Judenpogrome statt, bevor es erste Pestopfer gab. Die Gründe für die Massaker, die teilweise zur völligen Vernichtung der jüdischen Gemeinden führten, waren religiöser, sozialer, aber auch wirtschaftlicher Natur, denn mit der Ermordung von Juden als Kreditgeber verfielen die Schulden. Ausgelöst wurden die Tötungen durch den Vorwurf, Juden hätten Brunnen vergiftet und dadurch die Pest verursacht.

Judenverfolgung zur Zeit der Pest im Erzbistum Salzburg

Während Juden und Jüdinnen im damaligen Österreich weitgehend von Verfolgung und Vertreibung verschont blieben, waren sie im Erzbistum Salzburg durchaus davon betroffen. Aufgrund der schlechten Quellenlage lässt sich jedoch nicht rekonstruieren, in welchem Umfang jüdische Gemeinden den Pogromen zum Opfer fielen. Fest steht, dass jene in der Stadt Salzburg, Laufen, Mühldorf und wahrscheinlich auch Hallein ermordet und vertrieben wurden. Nur wenige Juden und Jüdinnen konnten sich durch eine Taufe retten. Ob die gesamte jüdische Gemeinde der Stadt Salzburg vernichtet wurde, ist unklar. In diesem Fall kam es zu einer raschen Wiederansiedelung, denn bereits für das Jahr 1349 lässt sich belegen, dass die im Zuge der Pogrome beschlagnahmte Synagoge wiedererworben wurde. Auch nach den Pestpogromen bildete die Judengasse das Zentrum jüdischen Lebens in Salzburg.

Die große Salzburger Judenverfolgung 1404

1404 wurde fast die gesamte Salzburger und Halleiner jüdische Gemeinde ermordet. Auch hier ist zwischen Auslöser und Ursache zu unterscheiden: Ausgelöst wurde sie durch die  Anschuldigung, Juden hätten Hostien der Müllner Kirche geschändet und ein christliches Kind rituell ermordet. Die beiden Hauptangeklagten wurden gefoltert und begingen Selbstmord. Danach wurden fast alle Salzburger und Halleiner Juden und Jüdinnen verbrannt. Nur ein Konvertit, zwei schwangere Frauen und minderjährige Kinder durften weiterleben.

Die Ursache für die Vernichtung der Juden und Jüdinnen hingegen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Finanzschwierigkeiten von Erzbischof Eberhard III. zu finden. Er ließ gleichzeitig auch die Juden in Pettau und Friesach, und damit in weit entfernten Städten, vertreiben und zog das gesamte Vermögen der Ermordeten und Vertriebenen ein. Auch deren offenen Schuldforderungen gingen an den Erzbischof über. Durch die Pogrome entstanden für ihn folglich beträchtliche finanzielle Vorteile.

Jüdisches Leben in Salzburg nach 1404

Nach dem Pogrom lag jüdisches Leben in Salzburg darnieder. Eberhard II. holte jedoch bereits 1409 den ersten Juden von Regensburg wieder nach Salzburg. Einige wenige Familien siedelten sich wieder in der Stadt Salzburg an, allerdings nicht mehr in der Judengasse, sondern in der Steingasse am rechten Salzachufer. Der Ortswechsel lässt auch auf deren nun deutlich niedrigere wirtschaftliche Bedeutung schließen. 1418 wurde die Bestimmung zur verpflichtenden Kennzeichnung von Juden im Rahmen einer Salzburger Provinzialsynode erneuert.

Vertreibung der letzten Salzburger Juden 1498 durch Erzbischof Leonhard von Keutschach

Im Frühling 1498 ordnete Erzbischof Leonhard von Keutschach (in diesem Amt von 1495–1519) an, die letzten Salzburger Juden und Jüdinnen zu vertreiben. Fünf jüdische Haushaltsvorstände aus Salzburg und drei aus Hallein mussten mittels Unterschrift eines Urfehdebriefs bezeugen, das Erzbistum Salzburg niemals wieder zu betreten. Ihren Besitz durften sie mitnehmen.

Im Urfehdebrief finden sich Hinweise darauf, dass die Vertreibung auf Wunsch der Landstände durchgeführt wurde. Sie brachten vor allem wirtschaftliche Beschwerden gegen die wenigen Salzburger Juden ein. Ob damit auch Beschuldigungen der Blasphemie in Verbindung standen, ist unklar. So findet sich ein Vermerk im Gustrey-Urbar des Stiftes Nonnberg über einen angeblichen Hostiendiebstahl, der allerdings erst nach der Vertreibung eingefügt worden sein dürfte.

Bereits im Jahr 1487 beauftragte die Stadt Salzburg den namhaften Bildhauer Hans Valkenauer, das antijüdische Spottbild einer „Judensau“ herzustellen. Die Marmortafel wurde am Rathausturm, und damit gut sichtbar auf einem der bedeutendsten Gebäude Salzburgs, angebracht und blieb dort fast 300 Jahre. 1785 wurde das Spottbild schließlich auf Anordnung des aufgeklärten Erzbischofs Hieronymus Graf Colloredo entfernt. Für knapp 370 Jahre existierte in Salzburg kein jüdisches Leben mehr. Erst 1867 war es für Juden und Jüdinnen wieder möglich, sich in Salzburg anzusiedeln.

    Literaturempfehlung
    • Eveline Brugger / Martha Keil / Albert Lichtblau / Christoph Lind / Barbara Staudinger, Geschichte der Juden in Österreich, Wien 2006.
    • Heinz Dopsch, Die Salzburger Juden im Mittelalter bis zu ihrer Ausweisung 1498, in: Helga Embacher (Hg.), Juden in Salzburg. History, Cultures, Fates, Salzburg 2002, 23–37.