Rückkehr aus der Emigration

Von den etwa 120.000 aus Österreich vertriebenen Juden und Jüdinnen kehrten nach dem Krieg nur einige Tausend zurück. In Salzburg war es keine Handvoll der 239 Personen, die sich bei der letzten Volkszählung 1934 zum Judentum bekannt hatten. Vielen ist es gelungen, sich in den jeweiligen Exilländern eine neue Existenz aufbauen, Österreich war besetzt, zerstört und verarmt. Die meisten der Vertriebenen wollten vor allem nicht mehr in einem Land leben, in dem sie entwürdigt, ihres Besitzes beraubt und brutal vertrieben wurden. Von wenigen Ausnahmen abgesehen hat sie auch niemand zu einer Rückkehr aufgefordert. 1946 sprachen sich in einer Umfrage 46 Prozent der befragten ÖsterreicherInnen gegen deren Rückkehr aus. Flucht wurde vielfach als freiwillige Auswanderung umgedeutet, vor allem galten Remigranten als Konkurrenz am Wohnungs- und Arbeitsmarkt. Spätestens mit den 1952 beginnenden „Wiedergutmachungs“-Verhandlungen galt das Wort Emigrant als Schimpfwort.

Maßgebend für eine Rückkehr waren die Bedingungen im jeweiligen Exilland, Beruf, Alter und die politische Zugehörigkeit. Verhältnismäßig viele jüdische KommunistInnen und SozialdemokratInnen kehrten zurück, um sich am Aufbau eines demokratischen Österreichs zu beteiligen. Viele RemigrantInnen waren alt und krank oder konnten ihren Beruf im Ausland nicht ausüben. Der Salzburger Anwalt Richard Weinberger überlebte beispielsweise in Shanghai als Essensträger und durch die finanzielle Unterstützung jüdischer Hilfsorganisationen. In Salzburg konnte er wieder als Anwalt tätig sein und wirkte als Kultusrat. Als sehr säkularer Jude war ihm die seit 1945 orthodox ausgerichtete jüdische Gemeinde allerdings fremd. Unter den Shanghai-Rückkehrern befanden sich auch die Familie Kohn, sowie der frühere Bürmooser Glasfabrikant Hermann Glaser, der nach seiner Rückkehr allerdings nach Wien ging.

Auch Israel war kein einfaches Exilland. Mit der Ausrufung des UN-Teilungsplans von 1947 begann ein Bürgerkrieg zwischen der jüdischen und arabischen Bevölkerung, auf die Staatsgründung im Mai 1948 folgten der erste israelisch-arabische Krieg, eine massive Wirtschaftskrise und weitere Kriege mit den Nachbarländern. 1952 kehrte beispielsweise der ehemalige Kohlenhändler Ludwig Löwy mit seiner Frau Helene zurück, Tochter Liselotte (verheiratete Papo) blieb in Israel. Im selben Jahr wurde die „arisierte“ Kohlenhandlung zurückgestellt. Ludwig Löwy wurde 1968 zum Präsidenten der Kultusgemeinde gewählt, war aber weiterhin um Assimilation bemüht. Der Halleiner Otto Kral und sein Sohn Fritz kehrten noch vor Gründung des jüdischen Staates zurück. Auf abenteuerlichen Wegen waren sie über Italien, Libyen und Ägypten nach Palästina geflüchtet, wo Fritz Krall am Bau arbeitete. In Hallein konnte er das väterliche Geschäft im Zentrum der Altstadt übernehmen. Er wirkte als Kultusrat und besuchte an hohen jüdischen Feiertagen die Synagoge. Mit einer nicht-jüdischen Frau verheiratet, feierte er auch die katholischen Feiertage.

Ernest (Ernst) Bonyhadi kam, wie viele vertriebene Österreicher, als US-amerikanischer GI nach Salzburg zurück. Aufgrund seiner Deutschkenntnisse wurde er für das Verhör von Kriegsgefangenen (Interrogation of Prisoners of War) ausgebildet. Er fuhr zuerst nach Bergen Belsen, wo seine Tante Gertrude Bonyhadi und ihre 15-jährige Tochter Ruth von der Britischen Armee befreit wurden. Die Tante starb einige Tage nach der Befreiung an Typhus. Mitte 1945 kam er nach Salzburg. Er war sehr gerührt, dass der Kellner im Café  Basar den „kleinen Ernstl“ sofort erkannt und ihm den ehemaligen Stammtisch seines Großvaters zugewiesen hatte. Seine Eltern zeigten kein Interesse an einer Rückkehr und überließen das Galanteriewarenfachgeschäft Fuchs und Company dem ehemaligen Mitarbeiter Franz Lipp. Obwohl Gegner des Nationalsozialismus, war Lipp der NSDAP beigetreten, um das Geschäft zu „arisieren“. Wie mit der Familie abgemacht, verstand er sich als deren Verwalter und wäre sofort zu einer Rückgabe bereit gewesen. Ernest Bonyhadi lebte als Anwalt in Oregon, war überzeugter Anhänger der Demokraten und starb im hohen Alter im Flugzeug am Weg zu einem Familientreffen nach Australien.

Zwischen den Vertriebenen und der neu gegründeten Salzburger Kultusgemeinde gab es kaum Kontakte. Als 1993 Vertriebene – manche mit Kindern und Enkelkindern – auf Einladung von Stadt und Land zu einem Besuch in ihre alte Heimat kamen, zeigten sie sich sehr erstaunt darüber, dass in der Synagoge die Frauenabteilung mit einem durchsichtigen Vorhang von der Männerabteilung abgetrennt war und die Gemeinde einen ultra-orthodoxen Rabbiner angestellt hatte.

Literaturempfehlung
  • Daniela Ellmauer / Helga Embacher / Albert Lichtblau (Hg.), Geduldet, Geschmäht und Vertrieben. Salzburger Juden erzählen, Salzburg / Wien 1998.
  • Helga Embacher, Neubeginn ohne Illusionen, in: Marko M. Feingold (Hg.), Ein ewiges Dennoch. 125 Jahre Juden in Salzburg, Wien / Köln / Weimar 1993, 285–336.
  • Albert, Lichtblau, „Arisierungen“, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und Entschädigungen in Salzburg. Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich, Bd. 17/2, Wien / München 2004