Rundum ein Hingucker: Kunst-Litfaßsäulen in Salzburg 2017

01.08.2017

In Salzburg sorgen mehr als 250 Litfaßsäulen im öffentlichen Raum für aktuelle Infos aus dem Kulturleben. In den vergangenen Jahren haben die klassischen Annoncier-Säulen außerdem zeitgenössische „Geschwister“ bekommen – die drehbaren City-Light-Säulen und seit heuer auch Digi-Screens. Im August 2017 werden Litfaßsäulen aller Generationen wieder zum temporären Kunstschauplatz:

Die Stadt Salzburg hat im Frühjahr in Zusammenarbeit mit dem Kunstbeirat, der Kulturabteilung des Landes und Progress Werbung zum vierten Wettbewerb „Kunst-Litfaßsäulen“ eingeladen. Die zehn Siegerprojekte setzen sich wieder in sehr spezifischer und gewitzter Form mit dem Medium Plakatsäule in allen Erscheinungsformen auseinander. Prämiert und realisiert wurden fünf analoge und fünf digitale Plakatier-Projekte.


• Georg Frauenschuh Kriterienverlust, klassische Litfaßsäule, Franz-Josef-Kai 39
• Stefan Heizinger Litfaß goes Baroque, klassische Litfaßsäule, Franz-Josef-Straße 1
• Elisabeth Schmirl Sichtbarkeiten, klassische Litfaßsäule, Giselakai 51-53
• Stefan Wirnsperger Stadtlandschaft, klassische Litfaßsäule, Franz-Josef-Kai 27
• Frank Furtschegger Tages-Lauf, City-Light-Säule vor der Stadtbibliothek
• Petra Gell u.a. / Die 4 Grazien Markieren, Digi-Screen in der Wolf-Dietrich-Halle
• Bernhard Gwiggner #beggarbelongings, Digi-Screen in der Wolf-Dietrich-Halle
• Séverin Krön in Zusammenarbeit mit Nagham Hodaifa und Larissa Tomassetti Permutable Art, Digi-Screen in der Wolf-Dietrich-Halle
• Annelies Senfter Snapshots, Digi-Screen in der Wolf-Dietrich-Halle
• Angelika Wischermann Streich um Streich, Digi-Screen in der Wolf-Dietrich-Halle
Annoncier-Säulen als temporärer Ausstellungsraum

Angeregt wurde die Aktion für Kunst im öffentlichen Raum im Jahr 2013 vom Vorsitzenden des Kunstbeirates, Werner Thuswaldner, und Progress-Geschäftsführer Fred Kendlbacher, der die Plakatsäulen und heuer erstmals auch einen Digi-Screen als Ausstellungsflächen zur Verfügung stellt.

Werner Thuswaldner erläutert das Anliegen hinter dem Projekt Kunst-Litfaßsäulen folgendermaßen: „Der Berliner Drucker Ernst Litfaß machte die Erfindung vor mehr als 160 Jahren. Sie bewährt sich in der Werbewirtschaft bis heute und ist in all den Jahren ein wichtiges Element im öffentlichen Raum geblieben. Der Gedanke, die Litfaßsäule auch für die bildende Kunst zu nützen, ist nicht weit hergeholt.“ Seit Ende des 19. Jahrhunderts haben bedeutende Künstler Plakate gestaltet – und damit auch ein Publikum erreicht, das weit über den Kreis von Galeriebesuchern hinausgeht; man könne mit Recht von Niederschwelligkeit sprechen, so Werner Thuswaldner.

Ähnlich sieht das auch Fred Kendlbacher, Geschäftsführer der Progress Werbung: „Zunächst möchte ich den Künstlern herzlich gratulieren, die sich am Medium Litfaßsäule und Digitalen City Lights im öffentlichen Raum ausdrücken und kreative Welten schaffen. Kunst im öffentlichen Raum ist ein wesentlicher Bestandteil der Kultur, Pädagogik und der Kulturinformation heute. Sie ist nicht Ersatz für Museen, sondern etwas anderes – die direkte Konfrontation mit Kunst im urbanen Alltag. Damit wird sie zum Stachel, zum Moment der Irritation und regt zum Nachdenken an. Menschen, die sich sonst selten mit Kunst auseinandersetzen, treffen auf andere Welten, können sich mit anderen Menschen verständigen und bekommen so vielleicht Lust, auch einmal in Ausstellungen zu gehen oder Galerien zu besuchen. Kunst war immer Bestandteil der Gestaltung des öffentlichen Raumes, in der Architektur, in der Malerei, aber auch in der Kommunikation.“

Für die Progress als Out of Home Media Unternehmen sei es eine noble Pflicht, ihre Flächen Künstlern zur Verfügung zu stellen, um bewusst einen Kontrapunkt zum normalen Geschäft der lauten Reklame zu setzen. „Plakat ist ein öffentliches Medium, Out of Home ist draußen und damit Teil des öffentlichen Diskurses. Wir wollen ihn anfachen, das Resultat sehen Sie hier: Eine Einladung zum Wundern, zum Staunen, zum miteinander Reden.“, so Kendlbacher.

Dagmar Aigner, stellvertretende Leiterin der Kulturabteilung: „Die Präsentation von zeitgenössischer Kunst im öffentlichen Raum ist nicht zuletzt im Sinne des Kulturleitbildes ein wichtiges Anliegen der Stadt. Der Wettbewerb für das Projekt Kunst-Litfaßsäulen hat sich mittlerweile als Mosaikstein im Rahmen der kontinuierlichen Aktivitäten des Kunstbeirates etabliert, der immer wieder eindrucksvoll zeigt, dass und wie Kunst zum Hingucker werden kann – heuer zum ersten Mal auch in digitaler Präsentationsform.“ Diese formale und damit auch quantitative Erweiterung sei möglich, weil die Kulturabteilung des Landes das Projekt seit drei Jahren mittrage und Progress ihre neuen Medien einbringe, betont Dagmar Aigner. „Dafür mein herzlicher Dank an unsere Partner.“

Dietgard Grimmer, Referentin für Bildende Kunst in der Kulturabteilung des Landes, über die Kunst-Intervention in der Festspielzeit: „Das Positive dieses Jahr ist die Erweiterung und Vielfalt der Kunst-Litfaßsäulen in noch mehr Standorte und neue Medien. Außer den City Lights, die bereits in den vergangenen Jahren genutzt werden konnten, kommen Kurzfilme auf den Digi-Screens dazu. Die Jury konnte, weil die Mittel von Stadt und Land erhöht wurden und die Progress Werbung großzügig die Produktion übernommen hat, dieses Jahr erstmals zehn Positionen auswählen. Somit werden die Kunst-Interventionen an den Werbeflächen diesen August sicher mehr Aufmerksamkeit erhalten.“
Zum ersten Mal wird am 1. August auch eine Besichtigungsrunde (per Fahrrad) für Kunst-Interessierte organisiert; Treffpunkt um 17 Uhr am Giselakai 51.



Daten & Fakten
Die Salzburger Kunst-Litfaßsäulen sind ein Projekt der Abteilung Kultur, Bildung & Wissen der Stadt Salzburg in Zusammenarbeit mit dem Kunstbeirat Salzburg, der Kulturabteilung des Landes Salzburg und der Progress Werbung. Die ausgewählten Projekte werden von der Abteilung Kultur, Bildung und Wissen der Stadt Salzburg und der Abteilung Kultur, Bildung und Gesellschaft des Landes Salzburg gemeinsam mit 1.000 Euro pro Plakatsäule/Digi-Screen-Arbeit für die Entwurfsgestaltung unterstützt; die Kosten für die Ausführung der Werke übernimmt die Progress Werbung.


Prämierte Projekte - analog

* Kriterienverlust von Georg Frauenschuh
Die in einem Hutong realisierte Wandmalerei Kriterienverlust ist anlässlich einer Ausstellung in Beijing im Jahr 2011 entstanden. Durch die Platzierung des Fotos im öffentlichen Raum der Stadt Salzburg wird eine Verbindung dieser Orte hergestellt. Die Grenzen zwischen Dokumentation und künstlerischem Eingriff, zwischen Photographie und Malerei, Fläche und Raum, Abstraktion und Narration werden als unklare erfahrbar. www.georgfrauenschuh.com

* Litfaß goes Baroque von Stefan Heizinger
In meiner Arbeit geht es oft um die Auslegung und Um-Interpretation von vorgefundenen Bildern und Objekten. Eine Litfaßsäule hat eine rationale Form: den Zylinder. In meinem Projekt verändert dieser Zylinder seine Form. Die Litfaßsäule entdeckt quasi ihre plastischen Möglichkeiten. In „Litfaß Goes Baroque“ geht es auch um die Auseinandersetzung mit einer historischer Formensprache. Die Veränderung der Litfaßsäule sehe ich in Anlehnung an barocke Säulen und Wolkenmotive. www.stefan-heizinger.com

* Sichtbarkeiten von Elisabeth Schmirl
Normalerweise tragen Litfaßsäulen Inhalte IN den Stadtraum hinein - addieren Information, sind in ihrer Oberfläche präsente Botschafter. Die reflektierende Spiegeloberfläche der Säule nimmt jedoch nun die Umgebung auf. So bewirkt die spiegelnde Oberfläche einerseits eine Tarnung des Objektes, andererseits wird sie zu einem Informationsträger über ihren Umraum - sie verbindet sich mit dem Geschehen vor Ort. Die Arbeit spielt mit Lichtreflexionen, Spiegelungen und Sichtbarkeiten und reflektiert die Geschehnisse im Stadtraum.
www.elisabethschmirl.at

* Stadtlandschaft von Stefan Wirnsperger
Die Litfaßsäule zeigt einen Plan der Stadt Salzburg, der durch aufgeklebte Styroporelemente ins Dreidimensionale erweitert wurde. Er suggeriert einen urbanistischen Entwurf, der sich an den existenten Straßenverläufen und an der für Salzburg so typischen Geografie orientiert. Gleichzeitig lässt er eine vollkommen neue Stadtlandschaft entstehen, mit unerwarteten Verdichtungen und Höhepunkten, sowie einer Skyline, die das barocke Ensemble der Stadt in die Ästhetik einer Metropole des 21. Jahrhunderts überführt. Ihr utopischer Charakter entsteht durch die Neuinterpretation der bestehenden Bausubstanz und eröffnet unterschiedliche fiktive historische oder futuristische Szenarien. www.stefanwirnsperger.net

* Tages-Lauf von Frank Furtschegger
In meiner künstlerischen Praxis geht es hauptsächlich um die Zeichnung und die Möglichkeiten, die daraus entstehen können. Im Rahmen meines Auslandsaufenthaltes in Merida/Mexiko (welcher vom Land Salzburg und der Galerie im Traklhaus gefördert wurde), sind etliche Tuschezeichnungen auf PVC Folien entstanden, die Sie hier sehen können.
Sie haben nun die Möglichkeit, bei unterschiedlicher Tageszeit verschiedene Motive zu erkennen, wobei die Rotation der Säule der ganzen Zeichnung noch etwas von einem kurzem Ablauf oder einer kleinen Szene mitgibt.


Prämierte Projekte - digital | Digi-Screen in der Wolf-Dietrich-Halle, Schloss Mirabell

* Snapshots/Momentaufnahmen von Annelies Senfter
Die Arbeit „Snapshots/Momentaufnahmen“ ist eine subjektive Sammlung sprachlicher Momentaufnahmen. Auf dieselbe Weise, in der ich mit meiner Kamera einen bestimmten Augenblick visuell festhalte, gehe ich hier mit Sprache vor. Aus Gesprächen, an denen ich beteiligt bin oder aus im öffentlichen Raum zufällig Gehörtem entstehen Textvignetten, Wortsammlungen etc., die wiederum im öffentlichen Raum präsentiert werden. www.anneliessenfter.at

* #beggarsbelongings von Bernhard Gwiggner
Die Hinterlassenschaften der sogenannten Notreisenden, auch Bettler genannt, beanspruchen ihren eigenen kleinen Raum im Stadtbild. Miniskulpturen gleich verweisen sie auf ihre Besitzer*innen und deren sozialen Status. Diese Relikte des Peripheren haben sich vielerorts bereits als Gewohntes zu einem neuen Ornament in dieser Stadt verfestigt.
Wie mit Notreisenden umgehen??? Nochmals gefragt! www.gwiggner.com

* Permutable Art von Séverin Krön & Nagham Hodaifa, Larissa Tomassetti
Es handelt sich um das erste Projekt, in dem das Konzept „Permutable Art“ des Künstlers Séverin Krön als Zusammenarbeit mehrerer Künstler erforscht wurde. Die drei Künstler*innen haben sich auf gemeinsame Werte und Farben geeinigt, Stichworte wie Natur, Transparenz, und die Farbe Grün waren gemeinsam gewählter Ausgangspunkt. Die strenge gleichmäßige Einteilung der Rahmen jedes Quadrats bildet eine weitere Spielregel. Von da aus gestalteten die Teilnehmer frei jeweils zwei Quadrate dieses Werks - das zum Sinnbild einer dynamischen Vielfalt von Möglichkeiten wird, bei Einhaltung geteilter Werte. www.severin-kron.com

* Markieren von Petra Gell / Die 4 Grazien
Was genau bedeutet das so männlich dominierte Verb „markieren“? Neben der wohl geläufigsten Verwendung, um territoriale Abgrenzung, Inbesitznahme, Einverleibung und Verteidigung eines Reviers zu kennzeichnen, gibt es eine weitere Definition, nämlich die des Vortäuschens und Simulierens. Beides wird in der Serie „Markieren“ thematisiert. Denn zum einen müssen die vier Grazien ihr Territorium künstlerisch wie auch genderpolitisch verteidigen. Zum anderen ist das Leitmotiv der Arbeiten natürlich die Täuschung an sich, das Spiel mit der Geschlechtlichkeit, das Simulieren männlich stigmatisierter Verhaltensmuster. www.die4grazien.at

* Streich um Streich von Angelika Wischermann
Ein Streichholz wird angezündet, nur kurz erhellt die kleine Flamme Teile der Umgebung, lässt Hände und eine Tischplatte erkennen. Manchmal ist das Gesicht der zündelnden Person in der Dunkelheit erkennbar, wird jedoch niemals völlig sichtbar. Das Streichholz brennt herunter, gibt weniger Licht frei und verlischt schließlich ganz. Der Raum versinkt in völliger Dunkelheit, bis kurze Zeit später ein weiteres Streichholz angezündet wird. Der Inhalt einer Streichholzschachtel wird Streichholz um Streichholz entzündet und abgebrannt, doch obwohl die Handlung stets gleichbleibend ausgeführt wird, ist eine exakte Wiederholung unmöglich - jeder Entzündungs- und Abbrennvorgang unterscheidet sich von den anderen.
www.angelikawischermann.com

Cay Bubendorfer