Wilhelm Furtwängler

Biografie als PDF mit Quellen und Literatur:
Wilhelm Furtwängler (2. von links) als Gast von Gauleiter Friedrich Rainer (links) und Reichsminister Wilhelm Frick (rechts) mit Gattin bei einer Festspielsoiree in der Salzburger Residenz, 19. August 1938

Komponist, Dirigent, Künstlerischer Leiter der Salzburger Festspiele (1952–1954)

* 25. Jänner 1886 in Schöneberg, Deutsches Reich

† 30. November 1954 in Eberstein bei Baden-Baden, Bundesrepublik Deutschland

Benennung des Parks: Furtwänglerpark, beschlossen am 17. Dezember 1954

Lage: Altstadt/Festspielbezirk; gegenüber dem Festspielhaus, zwischen Kollegienkirche und Theologischer Fakultät

Benennung der Promenade: Furtwänglerpromenade, beschlossen am 21. Oktober 1969

Lage: Aigen/Abfalter; von der Gänsbrunnstraße entlang des Gaisberges nach Süden.

 

Gustav Heinrich Ernst Martin Wilhelm Furtwängler wurde am 25. Jänner 1886 am Schöneberger Nollendorfplatz als Sohn des Professors für Klassische Archäologie Adolf Furtwängler und dessen Frau Adelheid geboren. Schon früh zeigte sich Furtwänglers musikalische Begabung, der in seinem Elternhaus in München und durch seine Erzieher Ludwig Curtius und Walter Riezler, die wichtigsten Assistenten seines Vaters, geistige und künstlerische Anregung fand. Von Anton Beer-Walbrunn und Joseph Gabriel Rheinberger in der Kunst der Komposition ausgebildet, führte der Münchner Orchesterverein bereits 1900 ein Klavierquartett und eine Ouvertüre des jungen Furtwängler auf. 1902 folgte ein längerer Aufenthalt bei dem Bildhauer Adolf von Hildebrand in Florenz, wo Furtwängler die ihn prägende Kunst Michelangelos kennenlernte und sein eigenes Kunstverständnis sich „von einer romantischen Prägung hin zur Klassizität mit Beethoven im Zentrum“ verschob.

Erste Engagements als Dirigent führten Furtwängler 1906 ans Stadttheater in Breslau (heute Wrocław, Polen), im gleichen Jahr leitete er Anton Bruckners 9. Sinfonie in München. Die weiteren Stationen seiner frühen künstlerischen Laufbahn führten ihn nach Zürich, München (1908–09), Straßburg (1910), Lübeck (1911–15) und Mannheim, wo er von 1915 bis 1920 als Kapellmeister am Nationaltheater wirkte. Von dort ging er nach Wien, wo er von 1919 bis 1921 Chefdirigent des Wiener Tonkünstler-Orchesters war. In der österreichischen Hauptstadt fungierte er seit 1921 neben Leopold Reichwein als einer der beiden Konzertdirektoren der Gesellschaft für Musikfreunde und hatte diese Position bis 1927 inne.

In Deutschland erlebte Furtwängler 1922 seinen endgültigen künstlerischen Durchbruch, als er nach dem Tod von Arthur Nikisch 1922 Chefdirigent des Berliner Philharmonischen Orchesters wurde. Furtwängler leitete dieses bedeutende Ensemble bis 1945 und dann wieder ab 1947, seit 1952 als Dirigent auf Lebenszeit. 1922 wurde er auch Chefdirigent des Gewandhausorchesters Leipzig und verblieb in dieser Funktion bis 1928; 1931 hatte er die Gesamtleitung der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth inne. 1952 bis 1954 war er gemeinsam mit Karl Böhm und Bernhard Paumgartner künstlerischer Leiter der Salzburger Festspiele. Furtwängler gewann eine Hörergemeinde, die ihm treu ergeben war, und er erwarb auch international ein hohes Renommee. Er selbst hielt seine Meinung über die Tonkunst als die maßgebliche, und tatsächlich galt er als „die Autorität in seinem Fach, ja so etwas wie der Musikpapst Deutschlands oder – genauer gesagt – jenes Deutschlands, das an die traditionellen Werte glaubte“. Furtwängler wurde als Repräsentant einer „germanischen“ Schule des Dirigierens gesehen, die auf Richard Wagner zurückging. Dessen „subjektiver“ Dirigierstil führte demnach unmittelbar zu Furtwänglers subjektivistischer Auffassung und Praxis der Kunst des Dirigierens.

Der deutsche Bariton Dietrich Fischer-Dieskau stellte fest, dass Furtwängler für seine Kritiker speziell nach 1945 zum „Urbild für das starrsinnige und konservative Deutschland“ geworden sei. Dessen legendären Dirigierstil charakterisierte der Sänger so: „Da gab es keine exakten Einsätze, obwohl er es wahrlich immer fertigbrachte, exakte Einsätze zu erzielen. Manchmal machte er ja auch den Eindruck, er versinke in sich, und die bereits erhobenen Arme gingen langsam wie unentschlossen herunter, eher wie beschwörende Zeichengebungen eines Entrückten.“ Für den Dirigenten selbst bildeten „der absolute Höhepunkt musikalischen Schaffens die deutsche Klassik und ein Teil der Romantik. Aus diesen leitet[e] er seine Qualitätsmaßstäbe ab, die er an die Moderne seiner Zeit anlegt[e].“ Aus Furtwänglers Sicht hatte Musik übrigens „nichts, aber auch gar nichts mit Politik zu tun. Die Tonkunst stehe hoch über dem Parteiengezänk des Tages und sei geradezu ein heiliger Schutz- und Fluchtbezirk des Schönen, Wahren und Guten, in den einzudringen der unwürdigen Politik verwehrt bleiben müsse.“

 

Musik, Staat und Politik – Furtwängler und die Nationalsozialisten im Jahr 1933

Als die Nationalsozialisten am 30. Jänner 1933 mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler in Deutschland die Macht übernahmen, stand der damals 47-jährige Furtwängler auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Die neuen Machthaber hofierten den Dirigenten, weil sie ihn als kulturelles Aushängeschild sahen, und auch er erhoffte sich Vorteile aus seinem Pakt mit den Nationalsozialisten. Aus der Sicht des „braunen“ Regimes entsprach Furtwängler, der Dirigent Wagners, Beethovens und Bruckners, den „Erwartungen dieser ‚neuen Zeit‘ nach Pathos, nach großer Geste, nach Heroismus“. Hitler schätzte „die von Furtwängler vertretene klassizistische, antimodernistische Strenge“. Der Dirigent selbst untermauerte seine Annahme einer Überlegenheit der deutschen Musik auch publizistisch. In der Berufung auf „deutsche“ Traditionen erblickte er die Chance, dass die als „chaotisch“ empfundene Zeit der Weimarer Republik unter dem neuen Regime überwunden werden könne. Am „Tag von Potsdam“, an welchem Hitler über der Grablege der Preußenkönige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. einen Staatsakt zelebrieren ließ, das seinem Regime Legitimität verschaffen sollte, ließ sich Furtwängler denn auch als Dirigent verpflichten. Am Abend jenes 21. März 1933 leitete er eine Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg“ von Richard Wagner in der Berliner Staatsoper, wobei Hitler und verschiedene andere NS-Größen in den Ehrenlogen anwesend waren.

Furtwängler vermied es hingegen, seine Konzertprogramme den Wünschen der NS-Funktionäre anzugleichen. Er hielt vielmehr an seinem gleichsam kanonisierten Repertoire fest, welches er sich bis dahin erarbeitet hatte. „Nationalsozialistische“ Musik wie etwa SS-Märsche, Parteikantaten u. dgl. erhielten in Furtwänglers musikalischem Wirken ohnehin keinerlei Eingang. Propagandaminister Joseph Goebbels erkannte schon früh, dass Furtwängler dafür nicht zu gewinnen war. Dieser fand vielmehr Rückhalt in einer Ideologie, „die der nationalsozialistischen nicht gerade entgegenstand, aber doch mit strengen Grenzen benachbart war“. Goebbels widersprach zwar der „reaktionären“ Lehre, dass Kunst und Politik hermetisch voneinander getrennt seien. Er versuchte aber, Furtwängler „eine goldene Brücke“ zu bauen, indem er darauf hinwies, dass „der Künstler“ den Menschen „ewige Werte“ vermittle, wodurch dieser selbst unsterblich werde.

Schon in den ersten Monaten der NS-Herrschaft hätte Furtwängler erkennen können, dass zwischen einer autonomen Kunst und der Politik unter diesem Regime kein Trennstrich zu ziehen war. Dies kam in einer Reihe von Konflikten zum Ausdruck, die Furtwängler mit den NS-Machthabern speziell zur Frage der Mitwirkung jüdischer Musiker an den von ihm geleiteten Konzerten austrug, hinter denen aber durchwegs die grundsätzliche Frage stand, ob und inwieweit der schaffende Künstler unter den Bedingungen einer totalitären Diktatur autonom bleiben könne.

Da sich die rassistisch motivierte Hetze und die Verfolgungen gegen politisch missliebige und jüdische Kunstschaffende in Deutschland im Frühjahr 1933 rasch ausweiteten, glaubte Furtwängler mit seiner Autorität eingreifen zu können. Er richtete einen Protestbrief an Goebbels, in welchem er eine ambivalente antisemitische Position bezog und in dem es u. a. hieß: „Man kann Musik nicht kontingentieren wie andere lebensnotwendige Dinge, wie Kartoffeln und Brot. (…) Wenn sich der Kampf gegen das Judentum in der Hauptsache gegen jene Künstler richtet, die – selber wurzellos und destruktiv – durch Kitsch, trockenes Virtuosentum und dergleichen zu wirken suchen, so ist das nur in Ordnung. Der Kampf gegen sie und den sie verkörpernden Geist, der übrigens auch germanische Vertreter besitzt, kann nicht nachdrücklich und konsequent genug geführt werden. Wenn dieser Kampf sich aber auch gegen wirkliche Künstler richtet, ist das nicht im Interesse des Kulturlebens. (…) Es muß deshalb klar ausgesprochen werden, daß Männer wie Walter, Klemperer, Reinhardt usw. auch in Zukunft in Deutschland mit ihrer Kunst zu Worte kommen müssen.“

Einerseits suchte er damit namentlich von ihm erwähnte prominente Künstler wie die Dirigenten Bruno Walter und Otto Klemperer sowie den Regisseur Max Reinhardt gegen die Angriffe des Regimes und seiner Parteigänger zu verteidigen. Andererseits bediente er in seiner Argumentation jene Spielart des im deutschen Bildungsbürgertum verbreiteten kulturellen Antisemitismus, der zwischen „wirklichen“ und „wurzellosen“ Künstlern unterscheiden wollte. Furtwängler trat nur insoweit für jüdische Künstler ein, sofern diese über „ungewöhnliches Können“ verfügten; „jüdische Schreiberlinge“ wollte er hingegen „entfernen“, soweit dies möglich sei. Indem er sich dafür aussprach, vorgeblich destruktive Elemente aus dem Kulturbetrieb auszusondern, stimmte er hierin mit Goebbels in hohem Maße überein. In seinem Antwortschreiben machte der Minister dem Dirigenten allerdings klar, dass im nationalsozialistischen Staat auch die Kunst politisiert sei. Es sei zwar sein „gutes Recht, sich als Künstler zu fühlen und die Dinge auch lediglich vom künstlerischen Standpunkt zu sehen.“ Dies bedinge aber nicht, dass er als Künstler der ganzen Entwicklung in Deutschland unpolitisch gegenüberstehen würde. Furtwänglers Schreiben an den Propagandaminister wurde am 11. April 1933 – zusammen mit der Antwort Goebbels‘ – in der „Vossischen Zeitung“ publiziert.

Wenige Wochen später kam es neuerlich zu einem Eklat. Anlass war ein gemeinsamer Konzertauftritt, den das Berliner Philharmonische Orchester unter der Leitung Furtwänglers mit dem Orchester des Mannheimer Nationaltheaters in Mannheim absolvierte. Der Posaunist August Sander, der Mannheimer Orchestervorstand, bat Furtwängler vorab, die ersten Pulte mit Musikern seines Ensembles besetzen zu dürfen. Dieser weigerte sich aus künstlerischen Gründen, dieser Bitte nachzukommen. Furtwängler erkannte die hinter dem Ersuchen stehende antisemitische Absicht, „nichtarische“ Mitglieder des Berliner Orchesters – wie etwa dessen Konzertmeister Szymon Goldberg – nicht ins Blickfeld der Zuschauer kommen zu lassen. Zwar verlief das Konzert selbst ohne Zwischenfälle, der Mannheimer Orchestervorstand warf im Anschluss daran dem Dirigenten jedoch vor, dass es diesem an „nationalem“ Empfinden mangeln würde. Furtwängler nahm daraufhin nicht am abendlichen geselligen Beisammensein teil, sondern er zog es vor, die Mutter seiner jüdischen Privatsekretärin Berta Geissmar zu besuchen. Als das Gemeinschaftskonzert der Berliner Philharmoniker mit dem Mannheimer Orchester am 29. April 1933 vom lokalen Parteiorgan „Hakenkreuzbanner“ besprochen wurde, kam dieses nicht ohne eine aggressive Warnung an Furtwängler aus. Man werde „auf keinen Fall dulden, daß man uns in Zukunft nochmals ein Orchester mit einigen Dutzend Juden vorzusetzen wagt. Herr Furtwängler möge sich das für die Zukunft merken.“ Furtwängler wiederum wandte sich brieflich an Kultusminister Bernhard Rust und forderte diesen auf, beim Engagement von Künstlern nicht auf Nation oder „Rasse“ zu achten, sondern sich zum Leistungsprinzip zu bekennen. Rust veröffentlichte daraufhin am 28. Juni 1933 einen Erlass über die „Neuregelung des Konzertwesens“. Darin wurde die „Pflege der großen deutschen Musik“ als zentrale Zielsetzung des Musiklebens beschrieben, gleichzeitig aber auch hervorgehoben, dass das „Leistungsprinzip“ ein ausschlaggebender Faktor bleiben müsse und „jeder wirkliche Künstler“ in Deutschland tätig sein könne.

Nach diesem Erlass sah sich Furtwängler vorläufig bestätigt, zumal er noch im Juni 1933 zum Ersten Staatskapellmeister an der Berliner Staatsoper ernannt wurde. Am 16. Jänner 1934 schloss er mit dem preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring einen Fünfjahresvertrag ab, der ihm den Posten eines Direktors der Berliner Staatsoper sicherte. Göring ernannte ihn darüber hinaus mit Wirkung vom 15. September 1933 zum Preußischen Staatsrat. Goebbels hatte daneben ein vergleichbares Organ geschaffen, das Görings „Staatsrat“ Konkurrenz machen sollte, so dass Furtwängler bald auch „Reichskultursenator“ wurde. Mit diesen Titeln verfügte Furtwängler zwar nur über beratende Funktionen, er versprach sich davon aber, mehr Einfluss auf die staatliche Kulturpolitik zu gewinnen und die Kunst von allem „Niederen“ freihalten zu können. Dies dürfte auch für seine Funktion als Vizepräsident der Reichsmusikkammer gegolten haben, die er im Herbst 1933 neben Richard Strauss als deren Präsidenten angenommen hatte. Obgleich Goebbels, dessen Propagandaministerium die Reichsmusikkammer unterstand, in seinem Tagebuch notierte, dass Furtwängler „einer der stärksten Aktivposten in unserer gesamten Kulturpolitik“ sei, blieb dessen Position weiterhin keineswegs unangefochten.

So attestierte etwa Winifred Wagner, die Leiterin der Bayreuther Festspiele, im Mai 1933 nach der Affäre um den Mannheimer Konzertauftritt Furtwängler eine „judenfreundliche“ Einstellung, was er „durch seinen Briefwechsel mit Dr. Goebbels erneut vor aller Welt bestätigt“ habe. Furtwänglers offener Brief an Goebbels dürfte andererseits viele von den Nationalsozialisten Verfolgte dazu bewogen haben, den Dirigenten um Hilfe zu bitten. Die zahlreichen Petitionen veranlassten im Juli 1933 Georg Gerullis, den Ministerialdirektor im Kultusministerium, sich an Hans Hinkel zu wenden, Goebbels‘ Mitarbeiter in Fragen der Kultur. Gerullis stellte diesem die folgende rhetorische Frage: „Können Sie mir einen Juden nennen, für den Furtwängler nicht eintritt?“ Eine daraus abgeleitete Schlussfolgerung, dass Furtwängler sich speziell für Juden eingesetzt habe, trifft in dieser Form allerdings nicht zu. Denn der Dirigent verteidigte Juden nicht im Allgemeinen, sondern nur eine begrenzte Zahl von ihm erwählter Musiker*innen.

Furtwänglers Versuche, etwa die beiden berühmten Geiger Yehudi Menuhin und Bronisław Huberman nach Berlin einzuladen, um mit den Berliner Philharmonikern zu spielen, erwiesen sich dabei umso mehr als unrealistisch, weil er sich davon eine „Normalisierung unseres Musiklebens“ erhoffte. Huberman schätzte zwar Furtwänglers Bemühungen. Er verfasste aber einen offenen Brief, in welchem er dessen Ansinnen deutlich entgegentrat. In dem Schreiben, das in zahlreichen internationalen Zeitungen erschien, hielt der Geiger u. a. fest: „In Wirklichkeit ist es keine Frage von Violinkonzerten oder der Juden; das Thema ist die Bewahrung der Dinge, die unsere Väter mit Blut und Opfern erreicht haben, der elementaren Voraussetzungen unserer europäischen Kultur, der Freiheit des Individuums und seiner bedingungslosen Eigenverantwortung, unbehindert durch Fesseln von Kaste oder Rasse.“

 

Der „Fall Hindemith“ 1934 und Furtwänglers Arrangement mit den NS-Machthabern

Dass die Musik im „Dritten Reich“ faktisch keine Autonomie genoss, erlebte Furtwängler auch in der Auseinandersetzung um den Komponisten Paul Hindemith. Dieser wurde von einigen Nationalsozialisten wegen der von ihnen behaupteten „kulturbolschewistischen“ Tendenzen in seiner Musik angegriffen. Am 11. und 12. März 1934 dirigierte Furtwängler die Uraufführung von Hindemiths Sinfonie „Mathis der Maler“, der ein großer Publikumserfolg beschieden war. Die „NS-Kulturgemeinde“, die mit dem späteren „Amt Rosenberg“ verbunden war, hielt ungeachtet dessen an ihrem Boykottaufruf gegen den Komponisten fest. Andere Nationalsozialisten wie die musikalischen Führer der Hitlerjugend (HJ) stemmten sich hingegen gegen den Boykott Hindemiths und wurden dabei von Goebbels unterstützt. Furtwängler griff in diesen Machtkampf, der zwischen den Verfechtern einer „reinen Lehre“ um den NS-Ideologen Rosenberg und den Kräften um Goebbels ausgefochten wurde, mit einer eigenen öffentlichen Stellungnahme ein. Er verteidigte Hindemith in einem aufsehenerregenden Artikel, der am 25. November 1934 in dem Blatt „Deutsche Allgemeine Zeitung“ veröffentlicht wurde. Furtwängler wandte sich generell dagegen, dass „politisches Denunziantentum“ auf die Kunst angewendet werde, womit er bei Teilen seines Publikums unverhohlene Zustimmung erntete. Damit brachte er aber Alfred Rosenberg gegen sich auf, und auch Hitler und Goebbels waren für ihn seither vorübergehend nicht mehr zu sprechen.

Aus dem „Fall Hindemith“ war aus Sicht der NS-Machthaber somit ein „Fall Furtwängler“ geworden. Furtwängler, der durch seine Unterschrift unter den „Aufruf der Kulturschaffenden“ vom 19. August 1934 noch öffentlich bekundet hatte, dass er „zu des Führers Gefolgschaft“ gehöre, erhielt durch Göring die Mitteilung, dass der „Führer“ seinen Rücktritt erwarte, andernfalls werde er entlassen. Furtwängler sah sich daraufhin genötigt, am 4. Dezember 1934 seine Ämter als Staatsoperndirektor, Leiter des Berliner Philharmonischen Orchesters und Vizepräsident der Reichsmusikkammer aufzugeben. Göring beließ ihm vorerst allerdings sein volles Gehalt und drückte seine Hoffnung aus, dass Furtwängler weiterhin künstlerisch tätig sein werde. Den Titel eines Staatsrates konnte der Dirigent ebenfalls behalten.

Damit trat eine Zwangspause für Furtwängler ein, aus welcher er sich aber rasch wieder zurückmeldete. Bereits am 28. Februar 1935 kam es nämlich zu einem Treffen zwischen dem Dirigenten und Goebbels, bei dem der Konflikt beigelegt wurde. In einem öffentlich verlautbarten Kotau vor den Machthabern erklärte Furtwängler, dass er mit seinem Hindemith-Artikel keinesfalls „in die Leitung der Reichskunstpolitik einzugreifen“ beabsichtigt habe; seiner Auffassung nach werde diese „selbstverständlich allein vom Führer und Reichskanzler und dem von ihm beauftragten Fachminister bestimmt“. So konnte Furtwängler seine öffentliche Tätigkeit im April 1935 wieder aufnehmen, wobei er zunächst nur das Berliner Philharmonische Orchester und später auch in der Berliner Staatsoper als Gastdirigent dirigierte. 1935 und 1938 dirigierte er am Vorabend der Reichsparteitage in Nürnberg; er war 1936, 1937 und 1943 zudem Hauptdirigent der Bayreuther Festspiele, die als NS-Weihestätte eine zentrale Rolle spielten, und repräsentierte das Deutsche Reich 1937 bei der Pariser Weltausstellung.

Furtwängler suchte sich somit politisch in das Regime einzuordnen, was Goebbels am 27. Juni 1936 in seinem Tagebuch offensichtlich befriedigt kommentierte: „Er hat viel gelernt und ist ganz bei uns.“ So unterstützte Furtwängler wie andere deutsche Künstler etwa einen Aufruf zur Reichstagswahl 1936, bei der nur eine Einheitsliste der NSDAP zugelassen war, und er äußerte sich öffentlich zur Volksabstimmung über den „Anschluß“ Österreichs. In Letzterem erblickte er „eine Notwendigkeit“, die Hitler durch seine „unauslöschbare geschichtliche Tat“ Wirklichkeit habe werden lassen. Im Sommer 1938 gastierte er bei den ersten Salzburger Festspielen, die nach dem „Anschluß“ abgehalten wurden, und im Juni 1939 übernahm er die Leitung der Wiener Philharmoniker; im Dezember desselben Jahres wurde er von Gauleiter Josef Bürckel zum „Bevollmächtigten für das gesamte Musikwesen der Stadt Wien“ ernannt. Furtwängler dirigierte Konzerte zu Hitlers Geburtstag und Weihnachtsempfang; ein Sonderkonzert der Berliner Philharmoniker gab er im Februar 1938 für die Hitlerjugend; für das Propagandaministerium leitete er im November 1940 ein Konzert der Wiener Philharmoniker zur Neueröffnung des Prager „Deutschen Theaters“. Dort trat er im März 1944 neuerlich auf, als der fünfte Jahrestag der Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren begangen wurde.

Aufgrund seines enormen Prestiges war Furtwängler nach dem Rücktritt von seinen Ämtern nicht auf einen festen Posten angewiesen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Seine zahlreichen Auftritte als Dirigent, die er weiterhin auch im Dienst von Hitler, Göring und Goebbels bestritt, lassen seine Selbstdarstellung (und wohl auch Selbstsicht) als unpolitischer Musiker hingegen mehr denn je als Illusion erscheinen. So weist etwa Michael H. Kater darauf hin, dass Hitler die „Meistersinger“ „zur repräsentativen Festoper der Nürnberger Parteitage gemacht“ habe. Jene Oper dirigierte Furtwängler am Vorabend des Nürnberger Parteitages von 1935, bei dem die antisemitischen Nürnberger „Rassengesetze“ beschlossen wurden.

 

Furtwänglers Verbleib und Wirken in und für „Großdeutschland“

Furtwängler hätte in der NS-Zeit grundsätzlich über die Möglichkeit verfügt, Deutschland zugunsten eines künstlerischen Engagements im Ausland zu verlassen. So bot ihm 1936 das New York Philharmonic Orchestra an, als Nachfolger Arturo Toscaninis den Posten des Chefdirigenten anzunehmen. Der so Umworbene erklärte sich dazu bereit, eine zwölfwöchige Saison mit 42 Konzerten für eine Gage von 35.000,- Dollar zu bestreiten, die im November 1936 beginnen sollte. Die New Yorker Presse veröffentlichte am 19. Februar 1936 seine Zusage. Nahezu gleichzeitig verpflichtete sich Furtwängler gegenüber Göring, in der folgenden Spielzeit als Gastdirigent an der Berliner Staatsoper aufzutreten. Göring hatte ihm deutlich gemacht, er werde im Falle einer Annahme des New Yorker Angebots nicht mehr nach Deutschland zurückkehren können. Von seinem geplanten Berliner Engagement konnte man in der deutschen Presse am 28. Februar 1936 lesen. Aus der Abmachung zwischen dem Dirigenten und Göring machte die Associated Press eine Meldung, wonach Furtwängler wieder Direktor der Staatsoper sei. Die New Yorker Öffentlichkeit schien daraufhin umso weniger geneigt, jenen Dirigenten willkommen zu heißen, dem man eine allzu enge Beziehung zum NS-Regime nachsagte. Furtwängler blieb daher in Deutschland, wodurch er nicht zuletzt erhebliche materielle Vorteile für sich in Anspruch nehmen konnte.

In den Kriegsjahren wurde Furtwängler für das NS-Regime vor allem als Kulturbotschafter immer wichtiger. Nicht zufällig notierte Goebbels im November 1939 in seinem Tagebuch: „Er hat uns wieder im Ausland große Dienste getan.“ Noch am 13. Jänner 1944 stellte der Minister in seinem Tagebuch sogar fest, dass sich Furtwängler „umso enger an unser Regime anschließt“, „je schlechter es uns geht“. So arbeitete Furtwängler im Februar 1942 im besetzten Dänemark, er dirigierte – wie oben erwähnt – im Protektorat Böhmen und Mähren und gab Konzerte in Ungarn, das mit den Achsenmächten verbündet war, sowie den neutralen Ländern Schweiz und Schweden, „in denen seine bloße Präsenz ins Horn der Nazis stieß“. Für seine Auftritte erntete er begeisterte Beurteilungen durch Goebbels und die fortgesetzte Bewunderung Hitlers. Letzterer ließ Furtwängler nicht nur auf die „Sonderliste der drei wichtigsten Musiker der Gottbegnadeten-Liste (Führerliste)“ setzen, sondern er bot ihm auch an, für ihn einen speziellen Bunker bauen zu lassen, was der Maestro allerdings ablehnte.

Am 7. Februar 1945 setzte sich Furtwängler über Vorarlberg in die Schweiz ab. Nachdem er sich bereits im Jahr zuvor mit Billigung des NS-Regimes in Luzern niedergelassen hatte, fand er nunmehr eine Bleibe in Clarens am Genfer See. In der Schweiz war Furtwängler allerdings nicht überall willkommen: Laut der in Zürich erscheinenden sozialdemokratischen Tageszeitung „Volksrecht“ habe sich der Dirigent „dazu mißbrauchen lassen, daß nach außen die Schreie der Opfer in den Konzentrationslagern mit feierlicher Musik übertönt wurden (…).“ Spekulationen, dass Furtwängler durch seine Flucht in die Schweiz den Nachstellungen der Schergen des Reichsführers-SS Heinrich Himmler entkommen habe wollen, die ihn der Komplizenschaft an der Verschwörung des 20. Juli 1944 gegen Hitler verdächtigten, wies Michael H. Kater als quellenmäßig nicht belegbar zurück. Es sei wahrscheinlicher, dass Furtwängler gerade noch rechtzeitig das sinkende Schiff verlassen wollte. Für diese These sprechen auch weitere Indizien: So verweigerte sich Furtwängler einer Aktion Goebbels‘, mit welcher Hitler nach dem gescheiterten Attentat propagandistisch unterstützt hätte werden sollen. Künstler und Gelehrte von Rang und Namen hätten unter dem Motto „Wir stehen und fallen mit Adolf Hitler“ Texte liefern sollen, die als Zeugnisse ihrer Verbundenheit mit dem „Führer“ gelten sollten. Dieses Bekenntnis wurde jedoch nie veröffentlicht. Ferner stellte sich Furtwängler nicht für einen Film zur Verfügung, den der Propagandaminister in Auftrag gegeben hatte und der unter dem Titel „Philharmoniker“ am 4. Dezember 1944 in Berlin uraufgeführt wurde. Goebbels suchte dem Dirigenten sein Verhalten laut Fred K. Prieberg daraufhin „heimzuzahlen“, indem er anordnete, dass es für ihn keine Ausnahme von der „Volkssturmpflicht“ geben werde.

 

Entnazifizierung

Nach der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches am 7./8. Mai 1945 erhielt Furtwängler von den alliierten Siegermächten ein Dirigierverbot. Die schon zuvor gegen ihn geäußerte Kritik verstärkte sich, so dass Furtwängler einer der umstrittensten Künstler wurde, die in der NS-Zeit in Deutschland verblieben waren. Friedelind Wagner schilderte den Dirigenten als einen unglücklichen Menschen. Im Ausland sei er „als Nazi diskreditiert“ worden, während er in Deutschland „ständig schikaniert und bespitzelt“ worden sei, „weil er kein Nazi war“. Bruno Walter, der von den Nationalsozialisten vertriebene Dirigentenkollege Furtwänglers, warf diesem hingegen vor, dass er durch seine Kunst „Jahre hindurch als ein äußerst wirksames Mittel der Auslandspropaganda für das Regime der Teufel verwendet“ worden sei; die Schauspielerin, Kabarettistin und Schriftstellerin Erika Mann bezeichnete Furtwängler gar als „Hitlers Lieblingsmaestro“. Vor allem emigrierte Künstler*innen und Publizist*innen stießen sich daran, dass Furtwängler dem NS-Regime gedient habe, anstelle das Land verlassen zu haben. Prieberg erklärte die teils scharfe Ablehnung, die Furtwängler entgegenschlug, mit folgenden Worten: „Er war ein Symbol. Er verkörperte (…) wie kein anderer deutscher Musiker die deutsche Tonkunst. Er hatte, nicht erst seit 1933, sondern schon während der Republik, eine so fest etablierte Machtstellung, daß in der öffentlichen Meinung Aufgabe und Person verschmolzen: Furtwängler, Begriff für genialische Kunstübung, Symbol der treibenden Kraft im Musikbetrieb des Reiches. Welche Herausforderung für Emigranten! Da lebte ein unvergleichlicher Künstler in Deutschland unter der Herrschaft der Nationalsozialisten, und er weigerte sich, sie – die Emigranten – dadurch in ihrer Rolle zu bestätigen oder wenigstens ihr erzwungenes Los zu teilen, daß er der Barbarei den Rücken kehrte.“

Obgleich Furtwängler kein NSDAP-Mitglied gewesen war, wurde in Wien und Berlin jeweils ein formelles Verfahren zur Entnazifizierung gegen ihn eröffnet. Er selbst sah sich hingegen frei von jeglicher Schuld. Innerhalb des deutschen Musiklebens sei er sogar derjenige gewesen, „der weitaus am aktivsten und konsequentesten gegen die N[azis] aufgetreten“ sei. Die Wiener Kommission war von den alliierten Behörden initiiert worden und traf ihre Entscheidung nach dreitägiger Beratung am 9. März 1946. Das Gremium hob das vorläufige Berufsverbot des Dirigenten auf und fasste den Beschluss, dass „Dr. Furtwängler für Österreich im Interesse des kulturellen Wiederaufbaues gewonnen werden müsste. Furtwängler hat sich vor der Kommission bereit erklärt, im Falle seiner Rehabilitierung sich dem österreichischen Musikleben in weitem Ausmaße zur Verfügung zu stellen, wenn ihm die entsprechenden Möglichkeiten gegeben werden.“ Ehe Furtwängler in Österreich beruflich aktiv werden konnte, musste er allerdings erreichen, dass er in Deutschland wieder auftreten durfte. In Berlin hatten die Alliierten einen „Ausschuss für Entnazifizierung der Kunstschaffenden“ eingerichtet, der am 6. Juni 1946 im „Fall Furtwängler“ eine erste Entscheidung traf. Zwar wurde ihm die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit als Dirigent erlaubt, er sollte aber nicht mehr zur Leitung eines Orchesters oder Opernhauses zugelassen werden. Der Ausschuss lastete Furtwängler vor allem an, dass er seinen anfänglichen Widerstand gegen die kulturpolitischen Forderungen des „Dritten Reiches“ 1935 aufgegeben und seither den kulturellen Interessen der NS-Machthaber gedient habe.

Da Furtwängler seine vollständige Rehabilitation erreichen wollte, stellte er sich in Berlin auf eigene Kosten einem Verfahren, das am 11. und 17. Dezember 1946 über die Bühne ging. Furtwängler verteidigte sich vor dem Entnazifizierungsausschuss für Kunstschaffende damit, dass er in der NS-Zeit im Ausland nicht im Namen der Hitler-Regierung, sondern als „deutscher Musiker“ tätig gewesen sei. Ihm sei es vielmehr darum gegangen, im „Dritten Reich“ die „deutsche Musik“ zu erhalten; seine „Beziehung zum Volk“ sei „nicht davon abhängig, welche Regierung demselben aufgezwungen wird, wie es eben bei den Nazis war“. Gegenstand der Verhandlungen war aber die Frage, ob er durch seine Eigenschaften als Preußischer Staatsrat, als Vizepräsident der Reichsmusikkammer sowie als Leiter des Philharmonischen Orchesters zur Verbreitung „nazistischen Ideenguts“ beigetragen habe. In dem Verfahren konnte Furtwängler eine Reihe von Zeugen aufbieten, die zu seiner Entlastung auftraten. Paul Hindemith, der Geiger Yehudi Menuhin, der in die USA emigrierte ehemalige Berliner Philharmoniker Szymon Goldberg sowie seine einstige Sekretärin Berta Geissmar bestätigten in ihren Aussagen, dass Furtwängler sich in der NS-Zeit für sie eingesetzt hatte. Das Verfahren endete mit dem Beschluss, dass Furtwänglers Antrag auf unbeschränkte Ausübung seines künstlerischen Schaffens befürwortend an die Alliierten weitergeleitet werden sollte. Furtwängler wurde der „Kategorie 4“ zugeordnet. Gemäß den Bestimmungen des „Gesetzes No. 104 zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus“ galt er damit als „Mitläufer“.

 

Nachkriegszeit

Nachdem die Alliierten am 29. April 1947 zugestimmt hatten, konnte Furtwängler seine künstlerische Tätigkeit vollständig wieder aufnehmen. Schon am 25. Mai 1947 dirigierte er erstmals wieder in einem öffentlichen Konzert die Berliner Philharmoniker. Den fünfzehnminütigen Beifall, den das Publikum dem Dirigenten danach spendete, wertete Thomas Manns Tochter Erika in einem Artikel für die New Yorker „Herald Tribune“ als „politische Demonstration“. Thomas Mann selbst schlug ein Angebot Furtwänglers aus, ihn zu einem Gespräch zu treffen, bei dem sie ihre jeweiligen Sichtweisen auf die jüngste deutsche Vergangenheit austauschen hätten sollen. Die teils auch öffentlich geäußerte Kritik an seiner früheren Rolle in der NS-Diktatur, Boykottaufrufe, ja sogar offene Demonstrationen gegen ihn begleiteten Furtwängler bei seinen Konzertauftritten nach 1945 immer wieder. So versuchten am 16. November 1947 aufgebrachte Demonstranten, darunter ehemalige KZ-Häftlinge, ein im Wiener Musikverein geplantes Orchesterkonzert Furtwänglers zu blockieren. Erst durch das persönliche Eingreifen des kommunistischen Kulturstadtrats von Wien, Viktor Matejka, beruhigte sich die Situation so weit, dass das Konzert mit einiger Verspätung stattfinden konnte.

In Salzburg war Furtwängler erstmals 1937 im Rahmen der Festspiele mit einem Orchesterkonzert der Wiener Philharmoniker aufgetreten, 1938 hatte er dort „Die Meistersinger von Nürnberg“ aufgeführt, 1940 u. a. „Siegfrieds Tod“ aus Richard Wagners „Götterdämmerung“ dirigiert und noch im August 1944 das Konzert der Wiener Philharmoniker geleitet. 1947 wurde er zusammen mit Clemens Krauss Hauptdirigent bei den Salzburger Festspielen und nahm die Tradition der Orchesterkonzerte wieder auf. In den folgenden Jahren bestimmte Furtwängler maßgeblich das Festspielgeschehen, vor allem die Opernproduktionen. Sein wesentliches Verdienst bestand darin, hervorragende Sängerinnen und Sänger wie Irmgard Seefried, Elisabeth Schwarzkopf, Anton Dermota und Cesare Siepi in Salzburg zu einem überzeugenden Ensemble vereint zu haben.

In den frühen 1950er Jahren wohnte Furtwängler regelmäßig in der Pension Waldburg, die nahe der Salzburger Stadtgrenze in Glasenbach (Gemeinde Elsbethen-Glasenbach) lag. Dort kam es im Sommer 1951 zu einem wohl unfreiwilligen Zusammentreffen des Dirigenten mit Thomas Mann, der sich mit Ehefrau Katia und seiner Tochter Erika für einen mehrtägigen Aufenthalt in der Pension eingemietet hatte. Thomas Mann notierte hierzu in seinem Tagebuch nur: „Hübsche, private Wohnung. Im Hause sonst nur Furtwängler und Frau.“ Dass man sich möglichst aus dem Weg ging, legt die Aussage der Vermieterin nahe, die notierte: „Die Luft ist dick im Haus. Aber es kommt gottlob zu keinem Knall.“

In seinen letzten Lebensjahren verschlechterte sich Furtwänglers gesundheitlicher Zustand merklich. Nur „ein unbeugsamer Wille und seine im Grunde zähe Konstitution ließen ihn noch einige Zeit durchhalten, die Freude am Gelingen und sein dionysisches Temperament hielten ihn wach“. Am 23. Jänner 1953 dirigierte Furtwängler in Wien und brach auf dem Podium zusammen. Er genas und leitete Konzerte in Wien und Luzern. Zu einer mit den Wiener Philharmonikern geplanten Amerika-Tournee kam es jedoch nicht mehr. Wilhelm Furtwängler starb am 30. November 1954 in Ebersteinburg, einem Ortsteil von Baden-Baden. Er wurde am 4. Dezember 1954 auf dem Heidelberger Bergfriedhof beigesetzt.

 

Benennung des Parks

In der Sitzung des Stadtsenates am 13. Dezember 1954 erklärte Bürgermeister Stanislaus Pacher (SPÖ), „daß er bei den Trauerfeierlichkeiten anl[äßlich] d[es] Ablebens des großen Dirigenten Furtwänglers (sic) die Zusage abgegeben habe, für entsprechende Ehrung durch Benennung eines Platzes oder einer anderen öffentl[ichen] Anlage einzutreten“. Die zuständige Kulturabteilung war bereits mit der Eruierung möglicher Vorschläge beauftragt. „Der Stadtsenat nahm hievon Kenntnis.“ Bereits vier Tage später konnte Pacher dem Gremium berichten, „daß in der Abteilungsleiterbesprechung vom 15.12.1954 besprochen wurde vorzuschlagen, den Botanischen Garten gegenüber dem Festspielhaus als Furtwängler-Garten zu benennen. Es ist dabei aber zu beachten, daß die Stadt nur die Betreuung des Gartens übernimmt, der Grund aber im ärarischen Eigentum bleibt.“ Pacher stellte den entsprechenden Antrag, jedoch mit dem Vorbehalt, dass die Zustimmung des Bundes als Grundeigentümer eingeholt werden müsse. Die am gleichen Tag abgehaltene Gemeinderatssitzung begann mit einem Gedenken an den „kürzlich verstorbenen Prof. Dr. Wilhelm Furtwängler“, bei dem „sich zum Zeichen der Trauer“ die politischen Vertreter*innen „von den Sitzen“ erhoben. „Bürgermeister Pacher gedachte dabei des Verstorbenen, der nicht allein durch seine Mitwirkung als Dirigent bei den Salzburger Festspielen, sondern auch als Kunstbeirat im Direktorium der Salzburger Festspiele wertvolle Dienste erwiesen hat. Namens des Stadtsenates brachte Bürgermeister Pacher den Antrag ein, in dankbarer Anerkennung der Stadt Salzburg für das Wirken des großen Dirigenten den Botanischen Garten gegenüber dem Festspielhaus in ‚Furtwänglerpark‘ (vorbehaltlich der Genehmigung des Bundes als Grundeigentümer) umzubenennen.“ Der Antrag wurde einstimmig (14 SPÖ, 13 ÖVP, 9 VdU, 1 KPÖ) angenommen. Bemerkenswert war des Procedere der politischen Entscheidungsfindung: Weder der Kulturausschuss noch der Stadtsenat wurden in die Benennung eingebunden, letzteren informierte Bürgermeister Pacher zumindest. Der Gemeinderat segnete den Vorschlag, das Resultat einer „Abteilungsleiterbesprechung“, schließlich ab.

 

Benennung der Promenade

In der „Übersicht zur Straßenbenennungsbesprechung des Unterausschusses am 5. Sept. 1969“ finden sich unter Vorgang VIII im Bereich der Katastralgemeinde Aigen drei Verkehrsflächen, für die vom Amt als Namensgeber Joseph August Lux, Erwin Kerber und Wilhelm Furtwängler vorgeschlagen wurden. Für Letzteren sei ein „bisher unbenannter repräs[entativer] Promenadenweg zw. Gänsbrunnstraße und Schwarzenbergpromenade“ vorgesehen. „Der Dirigent verbrachte die letzten Jahre seines Lebens allsommerlich in d[er] nahen Villa Waldberg, und diese Promenade war einer seiner Lieblingsspaziergänge. Postalisch [besteht] keine Verwechslung mit Furtwänglergarten, da dort keine Objektbezeichnungen sind.“ Der Vorschlag wurde in den am gleichen Tag ausgearbeiteten Amtsbericht der Kulturabteilung übernommen, wobei in der beiliegenden Legende Furtwängler lediglich mit dem Vermerk beschrieben wurde, dass er „viele Jahre auch bei den Salzburger Festspielen mitwirkte“. Vom Kulturausschuss wurden in seiner Sitzung am 16. September 1969 „die im Amtsbericht vorgeschlagenen Straßenbenennungen (…) ohne jeden Alternativvorschlag einstimmig angenommen“ und die Weiterleitung an den Stadtsenat zur Beschlussfassung veranlasst. Diese erfolgte am 6. Oktober 1969. Die Benennung der „Furtwänglerpromenade“ wurde in der Gemeinderatssitzung am 21. Oktober 1969 einstimmig (19 SPÖ, 13 ÖVP, 8 FPÖ) beschlossen. Wilhelm Furtwängler gehört damit zum kleinen Kreis jener Männer, nach denen in der Stadt Salzburg zwei öffentliche (Verkehrs-)Flächen benannt sind: Erhard, Franz Josef I., Christian Doppler, Hans Makart und Stefan Zweig.