Dr. h. c. Hans Pfitzner

Biografie als PDF mit Quellen und Literatur:

Komponist, Dirigent

* 5. Mai 1869 in Moskau (Russisches Kaiserreich, heute Moskwa, Russische Föderation)

† 22. Mai 1949 in Salzburg

Straßenbenennung: Hans-Pfitzner-Straße, beschlossen am 10. Februar 1958

Lage: Nonntal; führt von der Fürstenallee nach Westen.

 

Der Komponist und Dirigent Hans Erich Pfitzner wurde am 5. Mai 1869 in Moskau geboren. Dort wirkte sein Vater, der Violinist Robert Pfitzner (1825–1904) am Operntheater, seine Mutter Wilhelmine Reimer (1841–1924) stammte aus Moskau. 1872 ging die Familie nach Frankfurt am Main, wo der Vater Musikdirektor des Stadttheaters wurde. Hans Pfitzner besuchte die Klingerschule und studierte von 1886 bis 1890 Musiktheorie und Klavier am Hoch'schen Konservatorium, das stark durch Richard Wagner und von der Neudeutschen Schule dominiert wurde und ihn entsprechend prägte. Pfitzner startete seine Laufbahn als Dirigent und Lehrer in Mainz. Dort wurde 1895 mit „Der arme Heinrich“ auch seine erste Oper uraufgeführt. Pfitzner ging anschließend nach Berlin, wo er von 1897 bis 1907 am Stern'schen Konservatorium Komposition lehrte und ab 1903 am Theater des Westens als Kapellmeister wirkte. Viel beachtet wurde die Aufführung seiner zweiten Oper „Die Rose vom Liebesgarten“ an der Wiener Hofoper durch Gustav Mahler und Alfred Roller. 1907 ging Pfitzner als Musikdirektor nach Straßburg (heute Strasbourg, Frankreich), wo er von 1910 bis 1916 auch Operndirektor war und eine Opernschule einrichtete. 1910 erhielt er das Ehrendoktorat der Universität Straßburg, 1913 wurde ihm der Titel Professor verliehen. In Straßburg komponierte er sein Hauptwerk, die Oper „Palestrina“, die 1917 in München zur Uraufführung kam. Sie brachte dem Komponisten in München dauerhaften Publikumszuspruch und war auch Initialzündung für die Gründung des „Hans-Pfitzner-Vereins für deutsche Tonkunst“ 1918, zu dessen Mitgründern der Publizist Paul Cossmann und der Schriftsteller Thomas Mann zählten. Der Verein war nach Pfitzners Flucht aus Straßburg zum Ende des Ersten Weltkrieges und dem Verlust seiner dortigen Anstellung auch eine finanzielle Absicherung für den Künstler, der in München 1918 mit der Ludwigsmedaille geehrt wurde und sich in Schondorf am Ammersee ansiedelte. Der Verein war Ausdruck einer Art kultischer Verehrung des Komponisten durch seine Bewunderer.

 

Deutschnational und antisemitisch

Hans Pfitzners deutschnationale und antisemitische Haltung sowie sein Verhältnis zum Nationalsozialismus hat die Theaterwissenschafterin Sabine Busch in ihrer Dissertation umfassend untersucht, für die sie vor allem seine umfassenden schriftstellerischen Arbeiten heranzog. Ab 1905 arbeitete der Komponist an diversen Texten, die später teilweise in den „Süddeutschen Monatsheften“, die er gemeinsam mit Cossmann herausgab, veröffentlicht wurden. Seine Schriften sind es vor allem, die „chauvinistisch-nationale Tendenzen im Weltbild“ Pfitzners offen legen, der sich gerne den Beinamen „der Deutsche“ gab oder sich als „der deutscheste unter den lebenden Komponisten“ bezeichnete. Von zentraler Bedeutung in diesem Zusammenhang ist seine 1919 entstandene und erstmals 1920 im Verlag der „Süddeutschen Monatshefte“ als Sonderdruck erschienene Schrift „Die neue Ästhetik der musikalischen Impotenz. Ein Verwesungssymptom?“, in der Pfitzner den „jüdisch-internationalen Geist“ als kulturellen Gegner des Deutschtums ausmachte: „Der geistige Kampf gegen den musikalischen Einfall – und mit ihm übrigens gegen alles entsprechend Wertvolle und Wesentliche der anderen Künste – steht auf sehr, sehr schwachen Beinchen; soweit er eben geistig ist; er wird nur mächtig gestützt durch die Masse derer, in deren Interesse die Glorifizierung der musikalischen Impotenz liegt, und findet Boden beim deutschen Publikum mit seinem Hang zu dem in hochherrlichem Bombast eingehüllten inhalts- und sinnlosen Dummen; geführt aber wird er von dem jüdisch-internationalen Geist, der dem Deutschen den ihm ganz fremden Wahnsinn des Niederreißens und Zertrümmerns einpflanzt. Das Ganze ist ein Verwesungssymptom.“

Das Vokabular lässt Pfitzner quasi als „nationalen Vordenker“ des Nationalsozialismus erscheinen, es wurde in der Musikjournalistik der 1930er gepflegt, nationalsozialistische Zeitungen griffen die Schrift wiederholt auf und rezipierten sie in diesem Sinne.

Pfitzner war zudem ein Vertreter der „Dolchstoß-Legende“ und legte sie auf das kulturelle Gebiet um, etwa in einer Polemik gegen den Komponisten Paul Bekker, der ein Vertreter dieser „jüdisch-internationalen“ Richtung sei. „So wie die Vernichtung des Deutschen Reiche aus sich selbst kam, so wird das Ende der deutschen Kunst herbeigeführt und besiegelt durch eigene Volksgenossen.“ Sabine Busch konstatiert ein „fanatisch anmutende[s] Abgleiten Pfitzners von künstlerischen in nationale Problematiken“.

So passt es ins Bild, dass Pfitzner Adolf Hitler, den er 1923 in einer Klinik in Schwabing getroffen und ein persönliches Gespräch mit ihm geführt hatte, verehrte. Sein Verhältnis zur NSDAP vor deren Machtübernahme 1933 sei jedoch ambivalent geblieben, meint Oswald Panagl: „Die Auseinandersetzung mit der politisch hoch aktiven und zunehmend erfolgreichen NSDAP verläuft zwiespältig und lässt die frühere Begegnung mit Adolf Hitler in ein neues Licht treten. Einerseits erhoffte sich der Musiker eine Anerkennung seines Schaffens durch das prononcierte Deutschtum und das nationale Programm der Bewegung. Doch der kluge Beobachter und gelehrte Skeptiker kann die ständigen brachialen Übergriffe der Parteigänger nicht übersehen und neigt daher zur Distanz.“

Die Feierlichkeiten zu Pfitzners 60. Geburtstag 1929 in München gerieten zu einer „Demonstration des nach dem Ersten Weltkrieg wieder auferstandenen ‚Deutschtums’“, der Komponist wurde „zu einer Art Bollwerk gegen Modernismus, Internationalismus und Judentum stilisiert“, die Feierlichkeiten entwickelten sich zu einer „selbstbewußten Demonstration von bayerischem Konservatismus gegenüber preußischer Modernität“. Pfitzner wurde bei dieser Gelegenheit an die Staatliche Akademie der Tonkunst in München berufen, er war zu der Zeit als Vorsteher einer Meisterschule an der Akademie der Künste Berlin beschäftigt gewesen. Zudem wurde er zum Ehrenbürger der Ludwig-Maximilians-Universität München ernannt, erhielt die Ehrenmitgliedschaft im Allgemeinen deutschen Musikverein und die Goldene Ehrenmünze der Stadt München. In der lokalen Ausgabe des „Völkischen Beobachters“ wurde die Ehrung des „begnadeten Repräsentanten deutscher Kunst“ zugleich als „stillschweigender Protest gegen Reinhardt-Goldmann“, also gegen Max Reinhardt, interpretiert.

Pfitzner wandte sich auch gegen italienische und französische Opern, die er verachte, wie er den Tenor Wilhelm Rode im Jahr 1932 wissen ließ. Pfitzners Hoffnung war, diese durch „wirklich nationale deutsche Opern“  ersetzen zu können. Seine eigene letzte Oper, „Das Herz“, 1930/31 entstanden, war allerdings ein Misserfolg.

Hans Pfitzners Antisemitismus kam „bevorzugt dann zum Einsatz, wenn er sich selbst oder sein Werk wirklich oder scheinbar angegriffen“ sah, er unterschied zwischen „dem guten, das heißt national denkenden und demnach automatisch Pfitzners Kunst schätzenden, und allen anderen Juden“, so Busch in ihrer Analyse. So schrieb Pfitzner im Jahr 1930 gar einen Beitrag in den „Blättern zur Abwehr des Antisemitismus“, in dem er ausführte, „Der Antisemitismus schlechthin und als Hassgefühl ist durchaus abzulehnen. Eine andere Frage ist, welche Gefahren das Judentum für deutsches Geistesleben und deutsche Kultur in sich birgt. Aber solche Gefahren birgt jede Rasse in gewisser Ausprägung für eine Kultur in sich.“ Zwei Jahre später distanzierte er sich von dem Verein und meinte gar, ein „Verein zur Abwehr des Antideutschtums“ wäre „viel notwendiger“.

Busch resümiert zu Pfitzners Haltung treffend, „persönlicher Philosemitismus und theoretischer Antisemitismus schlossen sich im Weltbild des Komponisten nicht aus“. Der Historiker Michael H. Kater führt aus, Pfitzners Antisemitismus sei kein biologisch-rassischer gewesen, sondern „er neigte dazu, Juden als ein kollektives kulturelles Phänomen zu betrachten“.

 

NS-Zeit

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten versuchte Hans Pfitzner, sich mit wiederholten Eingaben und Einladungen in Position zu bringen. So schrieb der Komponist am 21. November 1933 einen Brief an Hitler, wonach er bedaure, dass der Reichskanzler, der „ein musischer Mensch“ sei, seine Kantate „Von deutscher Seele“ noch nicht gehört habe, anempfahl ihm seine Musik und schloss mit: „Ich glaube nicht, dass Sie bereuen würden, mich durch eines meiner grossen Werke kennenzulernen und darf wohl glauben, dass ich verdiene, von Ihnen gekannt zu sein“. Pfitzner suchte auch den Kontakt zu Staatskommissar Hans Hinkel, schickte ihm seine „Gesammelten Schriften“ und versuchte über diverse Interventionen bei ihm Aufmerksamkeit für sich und Aufführungen seines Werkes zu erreichen.

Doch es kam zu keinem großen Engagement des Komponisten. „Pfitzner war unter den neuen Herrschern kein Kandidat für eine leitende Stellung im kulturellen Bereich, und wenn ihm jemand zu einer derartigen Karriere verhelfen wollte, handelte es sich gewöhnlich um eine Kompetenzüberschreitung.“ Später versuchte er über einen Mittelsmann Kontakt zu Reichsminister Fritz Todt aufzubauen und zeigte sich enttäuscht darüber, dass Hitler keiner seiner mehrmaligen Einladungen nachkam. Zu diesen Bemühungen um Anerkennung gehörten wohl auch Hans Pfitzners einstimmen in die Pressehetze gegen den marxistischen Musikpädagogen Fritz Jöde und der von ihm mit unterzeichnete Protest der „Richard Wagner Stadt München“ gegen Thomas Mann 1933.

Gleichzeitig solidarisierte er sich mit verfolgten Juden aus seinem Bekanntenkreis. So intervenierte er nach dessen Verhaftung 1933 für seinen Freund Paul Cossmann und setzte sich auch für andere jüdische Bekannte und Schüler ein.

Kurz vor den Salzburger Festspielen 1933 gehörte Pfitzner zu jenen deutschen Künstlern, die ihre Teilnahme an diesen absagten. Er sollte bei den Festspielen ein Symphoniekonzert der Wiener Philharmoniker dirigieren. Die Absage erfolgte „auf Grund des gespannten politischen Verhältnisses zwischen Deutschland und Oesterreich“, wie es in der Presse hieß. Hans Pfitzner hatte Festspieldirektor Dr. Erwin Kerber am 13. Juli 1933 brieflich über seine Absage informiert: „Das Verhalten der derzeitigen österreichischen Regierung Dollfuß gegenüber dem deutschen Volke zwingt mich zu meinem lebhaften Bedauern, als Künstler meine Teilnahme an den Salzburger Festspielen abzusagen. (…) die Art des Vorgehens der Bundesregierung gegenüber dem erwachenden Deutschland, zu dem ich mich voll und ganz bekenne, verhindert mich, die von mir vertraglich übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen. Als ich mit Ihnen den Vertrag einging, (…) war selbstverständliche Voraussetzung (…), einer deutschen Kunstangelegenheit zu dienen. Die offizielle Einstellung der österreichischen maßgebenden Stellen gegenüber den gesamten Deutschen, daher auch dem gesamten deutschen künstlerischen Wollen, vernichtete für mich diese Voraussetzung (…)“. Pfitzner distanzierte sich 1936 in einem Schreiben an Bruno Walter von der Absage, der Brief soll ihm in großen Teilen von Reichsleiter Hans Frank diktiert worden sein. „Die österreichische kulturelle Öffentlichkeit wird Pfitzner diesen Gehorsam lange nachtragen und sein Werk in der Folge weitgehend ignorieren“, so Panagl.

Die „Salzburger Chronik“ verzichtete in ihrer Meldung über die Absage im Gegensatz zum deutschnationalen „Salzburger Volksblatt“ weitgehend auf eine Zitation des Absageschreibens, „weil es sich lediglich in den üblichen nationalsozialistischen Phrasen bewegt, die wir schon hundertemale bis zum Überdruß gehört haben“ und schloss als Seitenhieb auf den Künstler an, es sei „für die Festspielhausgemeinde nicht sehr leicht“ gewesen, „Pfitzner im heurigen Spielprogramm unterzubringen. Nach langen Verhandlungen gelang es doch, wofür nun Professor Pfitzner in etwas eigentümlicher Weise reagiert. Wir verschweigen auch nicht, daß Pfitzners norddeutsche, herbere Art uns Österreichern nicht ganz zusagt; aber man bemühte sich in entgegenkommender Weise, den deutschen Künstler unterzubringen. Vielleicht zieht man auch in maßgebenden Kreisen die Lehre daraus, daß man den Festspielen eine bewußt österreichische Note zu geben nicht aus dem Auge lassen solle.“ Die süddeutsche Ausgabe des „Völkischen Beobachters“ feierte Pfitzners Absage euphorisch: „Das wird ihm das Nationalsozialistische Deutschland nie vergessen!“

 

Im Dienst der NS-Propaganda

Hans Pfitzner betätigte sich in diesen ersten Jahren des NS-Regimes auch wiederholt als Propagandist der Partei, so beispielsweise mit einem in Zeitungen erschienen Aufruf zur „Volksabstimmung“ vom 19. August 1934 anlässlich der Übernahme des Amtes des Reichspräsidenten durch Hitler vom verstorbenen Paul von Hindenburg, in dem er ausführte: „Es gibt heute keinen neben ihm, der die Kraft des Armes, des Geistes und der Seele mitbrächte als der, in dem wir seit über zehn Jahren den deutschen Führer gefunden haben.“

Zur Reichstagswahl 1936 veröffentlichte Pfitzner im „Völkischen Beobachter“ vom 27. März 1936 einen Aufruf, in dem er das „unsterbliche Verdienst unseres Führers Adolf Hitler, dessen Weitblick zu folgen die einfache Pflicht jedes Deutschen ist“, anpries. Im Vorfeld der Abstimmung dirigierte er Anfang März 1936 auf einer Veranstaltung der NS-Kulturgemeinde die Münchner Philharmoniker bei einer „Musikalischen Heldengedenkfeier“. Anlässlich der Volksabstimmung über den „Anschluß“ 1938 äußerte Pfitzner im „Berliner Lokalanzeiger“ vom 5. April 1938, „Die Vereinigung Deutschlands und Österreichs war schon immer mein Wunsch! So gehört es sich! (…) eine der schönsten Taten unseres Führers“.

Die politische Parteinahme zahlte sich für Hans Pfitzner nicht wesentlich aus. Zwar erhielt er zu seinem 65. Geburtstag 1934 die „Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft“ sowie den Goethepreis der Stadt Frankfurt, doch wurde er an der Akademie für Tonkunst in den Ruhestand versetzt, was für ihn monetär einen Rückschlag bedeutete und auch zu einem Konflikt mit Hermann Göring führte, der sich über Pfitzners Ansprüche echauffierte. Über Wilhelm Furtwängler versuchte Pfitzner auch Propagandaminister Joseph Goebbels in der Pensionierungssache umzustimmen und bemühte sich monatelang um Gewährung eines „Ehrensoldes“.

Reichsleiter Alfred Rosenberg, der Pfitzner bereits 1933 die Leitung des Opernhauses und der Städtischen Musikvereinskonzerte in Düsseldorf angetragen hatte, nominierte Pfitzner mehrfach für den 1937 geschaffenen „Deutschen Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft“, doch in die engere Wahl gelangte Pfitzner nie. Busch sieht dies als symptomatisch für seine Position gegenüber der „politischen Elite des Dritten Reiches“: „Obwohl niemand ihm seine Verdienste noch seine gedankliche Nähe zu den Grundsätzen der Partei abzusprechen vermochte, galt er doch als nicht wichtig, nicht vertrauenswürdig und letztlich auch einfach als nicht sympathisch genug, um ihn als Leitfigur auf ein wie auch immer geartetes Podest zu stellen.“

1936 erhielt Hans Pfitzner den Ehrentitel „Reichskultursenator“ und nahm Ende November 1938 an einer Sitzung des Senats teil, in dem antijüdische Maßnahmen im Nachgang der  Novemberpogrome besprochen wurden.

1938 wurde Pfitzner eine Professur in Wien angetragen. Da er die Altersgrenze überschritten hatte, legte das Unterrichtsministerium zunächst ein Veto dagegen ein, nach Einholung eines politischen Gutachtens, das dem Komponisten mangels Parteimitgliedschaft – er war nicht einmal Mitglied des NSV – allerdings lediglich bescheinigte, dem Nationalsozialismus „bejahend gegenüber“ zu stehen, wurde der Vertrag zwar genehmigt, kam aber letztlich wegen Pfitzners Zögern nicht zustande, er hatte Einbußen seines Ruhegenusses befürchtet.

Anlässlich seines 70. Geburtstages 1939 huldigte Herbert Gerigk im „Völkischen Beobachter“ dem Komponisten, der ein „fanatischer Deutscher“ sei, der sich „dem Internationalen Judentum“ entgegengestellt und im „Kampf gegen den Musikbolschewismus und um die Reinhaltung und Weltgeltung der deutschen Musik“ eine ebenso kompromisslose Haltung eingenommen habe wie Richard Wagner. In Frankfurt am Main wurde der Komponist im Rahmen einer „Hans-Pfitzner-Woche“ gefeiert und mit der Goethe-Plakette und der Ehrenmitgliedschaft der Städtischen Bühnen geehrt. Solche „Pfitzner-Tage“ veranstaltete in der Regel die lokale NS-Kulturgemeinschaft bzw. die Organisation „Kraft-durch-Freude“ der DAF, in der sie Mitte der 1930er aufging, meist im Mai rund um den Geburtstag des Komponisten. Sie fanden vor allem in München statt und waren auch als studentische Programme gedacht.

Von 26. bis 29. April 1940 wurde auch Salzburg Schauplatz von „Pfitzner-Tagen“. Der Komponist traf am 14. April am Hauptbahnhof ein, wo er von Dr. Erich Valentin als Vertreter der Stiftung Mozarteum, dem Landesleiter der Reichsmusikkammer Prof. Franz Saurer, von Stadttheater-Intendant Dr. Herbert Furregg, Dr. Willem van Hoogstraten und Dr. Emil Herbeck vom Reichspropagandaamt in Empfang genommen wurde. Pfitzner residierte für die Dauer seines Aufenthaltes als Gast von Regierungspräsident Dr. Albert Reitter auf Schloss Leopoldskron. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe gelangte Pfitzners Orchesterwerk „Elegie und Reigen“ zur Uraufführung. Am Tag nach seiner Ankunft startete Pfitzner im Probesaal des Stadttheaters mit den Vorbereitungen. Im Rahmen einer Gemeinschaftsstunde der Hochschule Mozarteum hielt Dr. Erich Valentin im Wiener Saal einen einführenden Vortrag über den Komponisten. Er „erinnerte an das unwandelbare, deutsche Wesensantlitz Pfitzners“, der „um die harten Kämpfe eines begnadeten, aufrechten Deutschen“ wisse. Valentin hielt wenige Tage später auch im Saal der DAF einen Vortrag über „Meister Hans Pfitzner, der Deutsche“ und veröffentlichte in beiden Salzburger Lokalzeitungen einen Beitrag, der Pfitzner als „Gewissen der deutschen Musik“ und „Künder der deutschen Seele“ auswies. Von den Aufführungen zeigte sich Otto Kunz im „Salzburger Volksblatt“ begeistert, er sprach Pfitzner eine „starke, vehemente, lodernde Empfindung, die diesem Manne noch heute die geistige Lebendigkeit eines Jünglings gibt“ zu, welche „zeitlos“ sei und die „eruptive Gewalt des Echten in sich“ trage.

Mit Hans Frank, dem ab 1939 in Krakau (heute Kraków, Polen) residierenden Generalgouverneur, der im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit 1946 zum Tod verurteilt wurde, pflegte Hans Pfitzner freundschaftliche Beziehungen. Frank unterstützte Pfitzner als Mäzen und lud ihn 1942 und 1944 ins Generalgouvernement zu Aufführungen und zu einer Ehrung anlässlich seines 75. Geburtstages ein. Pfitzner komponierte für ihn auch die „Krakauer Begrüßung“, ein Auftragswerk für das er 10.000,- RM vom Generalgouverneur erhielt.

Hans Pfitzners Verbindung zum Generalgouvernement war gewissermaßen symptomatisch für seine Tätigkeit während des „Dritten Reiches“. Während seine Stücke insbesondere in Berlin kaum mehr aufgeführt wurden, wohl auch weil er sich „durch mehrfache Eingaben und Beschwerden den Unwillen Görings und Hitlers“ zugezogen hatte und „in den Akten des Propagandaministeriums als Querulant geführt“ wurde, kam er in besetzten Gebieten und in der Peripherie durchaus zum Einsatz. Im propagandistischen Sinne als Vertreter deutscher Kunst sind seine Auftritte in Antwerpen und Straßburg 1940, in Luxemburg 1943 und ein Jahr zuvor in Paris, wo er auf Einladung des Propagandaministeriums gemeinsam mit seiner zweiten Gattin Mali (1893–1963) eine Woche verbrachte. In Den Haag ging sein Auftritt 1941 mit einer Ehrung und einem Festprogramm im Rundfunk einher. Arthur Greiser, Gauleiter des aus einem Teil des zerschlagenen Polens hervorgegangenen Gaues Wartheland, zeichnete Pfitzner, den „Künder der deutschen Seele, dem Kämpfer für deutsche Art und Gesinnung und dem Schöpfer deutscher Meisterwerke“, im Jahr 1942 mit dem Wartheländischen Musikpreis in Höhe von 20.000,- RM aus. In Leipzig wurden seine Stücke oftmals aufgeführt, dennoch beklagte der Komponist auch hier ignoriert zu werden. München blieb ein Zentrum seiner Musik, noch 1944 bezeichnete Oberbürgermeister Karl Fiehler die bayrische Hauptstadt als „Pfitzner-Stadt“.

Nachdem sein Haus bei München bei einem Bombenangriff im Oktober 1943 zerstört worden war, zog Hans Pfitzner nach Wien, wo ihn Gauleiter Baldur von Schirach nicht nur mit dem Beethovenpreis in Höhe von 10.000,- RM auszeichnete, sondern dem Komponisten auch ein Haus in Rodaun zur Verfügung stellte. Den Preis überreichte Bürgermeister Hanns Blaschke. Pfitzner erhielt auch den Ehrenring der Stadt Wien. 1944 zuerkannte ihm schließlich Goebbels eine steuerfreie „Ehrengabe“ von 50.000,- RM. Er wurde auf die „Sonderliste der drei wichtigsten Musiker der Gottbegnadeten-Liste“  gesetzt.

Seinen 75. Geburtstag beging die Hochschule Mozarteum in Salzburg mit einer Gemeinschaftsstunde zu Ehren des Künstlers, Otto Kunz würdigte den Jubilar in der „Salzburger Zeitung“ als „Bannerträger deutschen Musikgeistes“ und „Fanatiker der inneren Ehrlichkeit“.

Ende 1944 verfasste Hans Pfitzner einen Beitrag für ein Durchhalte-Buch, das unter dem Motto „Wir stehen und fallen mit Adolf Hitler“ stand. Im Frühjahr 1945 floh der Komponist vor der anrückenden Roten Armee aus Wien-Rodaun nach Garmisch-Partenkirchen.

 

Entnazifizierung

Zur Wiederaufnahme seiner künstlerischen Tätigkeit benötigte Pfitzner, der ab 1946 in einem Altersheim in München-Ramersdorf lebte, eine Einstufung als politisch unbelastete Person. Seine Bewertung war bei den zuständigen US-amerikanischen Kulturoffizieren umstritten. Im Spruchkammerverfahren wurden Pfitzners einschlägige Schriften, seine Salzburger Absage und seine Wahlwerbetätigkeit für die NSDAP berücksichtigt. Zu seiner Verteidigung brachte der Komponist vor, dass seine Wahlaufrufe manipuliert worden seien und nicht aus seiner Feder stammten und etablierte die Legende, die Aufführung seines Œuvres sei in Teilen des „Dritten Reiches“ unterdrückt worden. Er konnte auch nicht weniger als 41 Persilscheine zu seiner Entlastung vorlegen. Dass er enge Beziehungen zu Hans Frank und Arthur Greiser pflegte, wurde im Verfahren bestritten bzw. heruntergespielt. Tatsächlich hatte er Frank sogar ein Telegramm ins Gefängnis nach Nürnberg gesandt: „Lieber Freund Frank, nehmen Sie diesen herzlichen Gruß als Zeichen der Verbundenheit auch in schwerer Zeit. Stets Ihr Dr. Hans Pfitzner“. Das Spruchkammerurteil folgte weitgehend der Argumentation seines Anwalts und den Persilschreiben und erklärte entlastend, Pfitzner sei „vom Gesetz nicht betroffen“.

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg dürfte Pfitzners „Glosse zum II. Weltkrieg“ entstanden sein, die sich wie eine Verteidigungs- und Relativierungsschrift für Hitler liest und deutlich macht, dass bei dem Komponisten kein Umdenken stattfand. Er erklärte darin, das „Weltjudentum ist ein Problem & zwar ein Rassenproblem, aber nicht nur ein solches“, Hitlers Fehler sei „sein angeborenes Proletentum“ gewesen, „welches ihn gegenüber dem schwierigsten aller Menschenprobleme den Standpunkt eines Kammerjägers einnehmen liess, der zum Vertilgen einer bestimmten Insektensorte angefordert wird. Also nicht das ‚Warum’ ist ihm vorzuwerfen, nicht ‚dass er es getan’, sondern nur das ‚wie’ er die Aufgabe angefasst hat, die berserkerhafte Plumpheit, die ihm dann auch, im Verlauf der Ereignisse, zu den Grausamkeiten, die ihm vorgeworfen werden, führen musste. Das Judenproblem ist, wie schon gesagt, nicht nur ein Rasseproblem, es ist ein Weltanschauungsproblem.“

Zur Relativierung des Holocaust stellte Pfitzner Vergleiche mit der Ausrottung der nordamerikanischen Ureinwohner an und nicht zuletzt betrieb er eine Aufrechnung mit an Deutschen begangenen Kriegsverbrechen: „Wenn wir Deutsche aber einmal eine Gegenrechnung der Grausamkeiten aufstellen wollten, die an uns verübt wurden & jetzt, nachdem der Krieg beendigt, immer noch verübt werden – da würde sich das Verhältnis von Schuld & Anklage, von Verbrechen & Richteramt gewaltig ändern und umkehren.“ Die „Glosse zum II. Weltkrieg“ wurde erst 1987 postum in Band 4 der „Gesammelten Schriften“ publiziert.

Auch gegenüber seinem Bekannten Bruno Walter vertrat er unhaltbare Positionen, so behauptete er 1946 in einem Brief, Cossmann sei im „Krankenhause in Theresienstadt, unter guter, ärztlicher Behandlung“ eines natürlichen Todes gestorben, alles andere seien „Greuelmärchen“. Bruno Walter brach den Kontakt zu Pfitzner schließlich ab, weil die Nachkriegskorrespondenz mit ihm unerträglich geworden war. Walter schrieb dazu an seinen Verleger Max Brockhaus: „Haben wir nicht in seinem Wesen die seltsamste Mischung von wahrer Grösse und Intoleranz, die vielleicht je das Leben eines Musikers von solcher Bedeutung problematisch gemacht hat?“

Sabine Busch resümiert angesichts dessen zutreffend, dass sich Pfitzners „Weltbild“ kaum gewandelt hatte, „er blieb seinen jüdischen Freunden wie seinem Antisemitismus treu, glaubte weiter an die Dolchstoßlegende aus den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg und an die Überlegenheit der Deutschen als Kulturnation – unwandelbar und wie hinter Scheuklappen scheint der Komponist seinen Weg durch die Zeit gegangen zu sein“.

 

Nachkriegszeit

Noch in Garmisch-Partenkirchen begann Hans Pfitzner 1945 mit den Arbeiten an seiner Autobiografie „Eindrücke und Bilder meines Lebens“, die 1947 veröffentlicht wurde, und an seinem letzten Kammermusikwerk, dem Sextett op. 55. Vom Altersheim in München-Ramersdorf übersiedelte er nach Wien, wo ihm die Wiener Philharmoniker eine Unterkunft in Schloss Schönbrunn in Aussicht stellten. Die Philharmoniker verliehen Pfitzner auch die Ehrenmitgliedschaft und den Ehrenring und veranstalteten mit ihm eine Aufführung der Staatsoper im Theater an der Wien.

Vom 24. bis 26. Mai 1948 fanden in Salzburg erneut „Pfitzner-Tage“ statt, die mit einer Eröffnungsveranstaltung im Mozarteum eingeleitet wurden. „Mit Enthusiasmus begrüßte vor allem die Jugend Montag Nachmittag im überfüllten Wiener Saal des Mozarteums Altmeister Hans Pfitzner. Es herrschte eine Atmosphäre, wie sie immer dann spürbar wird, wenn ein schöpferisches Genie begeisterungsfähigen Menschen gegenübertritt“, gaben die „Salzburger Nachrichten“ ihre Eindrücke wieder. In seiner Ansprache betonte Pfitzner, dass man ihm in Österreich mehr Verständnis entgegen bringe als in München.

Anlässlich seines 80. Geburtstages ernannte Unterrichtsminister Dr. Felix Hurdes (ÖVP) Hans Pfitzner zum Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper. Der Komponist beging diesen Geburtstag in Salzburg, wo er seit Jänner 1949 gemeinsam mit seiner zweiten Frau Amalie im Haus Haunspergstraße 33 lebte, Freunde hatten ihm eine Wohnung zur Verfügung gestellt. Die „Salzburger Nachrichten“ bemerkten, dass der neben Richard Strauß „größte lebende Komponist unseres Sprachraumes“ sich stets „gegen alle zersetzenden modernistischen Tendenzen in der Musik“ gewandt habe. Bei einem Festkonzert zu seinen Ehren im Mozarteum überreichte Landeshauptmann Josef Rehrl (ÖVP) dem „Salzburger“ einen Lorbeerkranz.

Hans Pfitzner, der im Oktober 1948 und März 1949 Schlaganfälle erlitten hatte, starb am 22. Mai 1949 in Salzburg. Der Komponist wurde im Mozarteum aufgebahrt, bei der Salzburger Verabschiedungsfeier sprachen Landeshauptmann Rehrl und Mozarteums-Direktor Dr. Bernhard Paumgartner. Obwohl er testamentarisch eine Beisetzung in Unterschondorf neben seiner ersten Gattin Mimi, geb. Kwast (1879–1926) verfügt hatte, initiierten die Wiener Philharmoniker für Pfitzner ein Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof. Der Beisetzung wohnten die Minister Hurdes und Otto Sagmeister (SPÖ, Bundesminister für Volksernährung) bei.

Mitte der 1960er Jahre bemühte sich die Hans Pfitzner-Gesellschaft, die ihren Sitz in Falkenstein am Taunus hatte, um die Anbringung einer Gedenktafel am Haus Haunspergstraße 33. Die Eigentümerin verweigerte dies jedoch trotz Drängen der Kulturabteilung der Stadt Salzburg.

 

Straßenbenennung

Als „Hauptpunkt der Besprechung“ im Kulturamt der Stadt Salzburg am 29. Jänner 1958 erörterten die Gemeinderäte Dr. Herbert Glaser (ÖVP) als Vorsitzender, Hermann Ingram (FPÖ), Adolf Merz (SPÖ) und Rudolf Arnold (ÖVP) sowie Oberstaatsarchivar Dr. Herbert Klein, Amtsleiter Dr. Oskar Hirt und Schriftführer Amtsrat Walter Strasser die geplante Benennung eines Straßenzuges in Nonntal nach Hans Pfitzner. „Gegen die Benennung (…) werden nach Erörterung des Vorschlags keine Einwände erhoben, zumal diese künftige Verkehrsfläche im Gebiet der ‚Tonkünstler‘ nach der geltenden Gruppeneinteilung Hofrat Martins liegt.“ Das Ganze musste allerdings rasch über die Bühne gehen, denn: „Die Straßenbenennung soll anläßlich des 65. Geburtstages der Witwe des verstorbenen Tonkünstlers im Februar dieses Jahres erfolgen.“ Besagter Geburtstag von Amalie Pfitzner war am 13. Februar 1958, zwei Wochen nach der Besprechung. In der Sitzung des Stadtsenats am 10. Februar referierte Gemeinderat Dr. Walter Vavrovsky (ÖVP) den Vorschlag der Abteilung II: „Die Stadt Salzburg ehrt den 1949 hier verstorbenen Tondichter u. Musikschriftsteller Hans Pfitzner durch Benennung einer derzeit im Ausbau befindlichen Straße in Nonntal, die von der Fürstenallee in westlicher Richtung zu den neuen Reihenhäusern des künftigen Siedlungsgebietes sündlich (sic) der Reitschule führt (…).“ Der Antrag wurde einstimmig angenommen und an den Gemeinderat weitergeleitet. Die „Hans-Pfitzner-Straße“ wurde am 10. Februar 1958 vom Gemeinderat einstimmig (15 SPÖ, 11 ÖVP, 10 FPÖ, 1 KPÖ) beschlossen.

Fünf Jahre später stand die Benennung zweier Straßenzüge im Nonntal an, die durch Parzellierung der ehemaligen Fischer-Sperl-Gründe entstanden. Einem Vorschlag der Anrainer folgend beschloss der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 18. Februar 1963 einstimmig, „diese Straße als Fortsetzung der ‚Hans-Pfitzner-Straße‘ zu führen, da sie südwestlich an diese anschließt“.

Anfang der 1990er Jahre kam schließlich die Anbringung einer Gedenktafel für Hans Pfitzner an seinem Salzburger Wohnhaus wieder aufs Tapet, doch entschieden sich die involvierten Stellen aufgrund der weiterhin ablehnenden Haltung der Eigentümerin für die Errichtung eines Gedenksteins am Beginn der „Hans-Pfitzner-Straße“. „Zur Erinnerung an den Komponisten“ widmete die Stadt Salzburg dem „Musikpädagoge[n], Dirigent[en] u. Schöpfer d. ‚Palestrina‘“ diesen Stein, der im November 1993 aufgestellt wurde.