Sozialhilfe: Städte und Gemeinden des Landes brauchen umfassende Trendwende
Budget-Sprengstoff: Einnahmen sinken, Sozialausgaben steigen
Während die Stadt Salzburg allein durch Steuerreform, Volkszählung und dem Entfall der Getränkesteuer 21 Mio € jährlich an Einnahmen verliert (d. s. 6 % der ordentlichen Einnahmen), steigen die Ausgaben im Sozialbereich überproportional - zwischen 1994 und 2005 waren es 65,2 Prozent. Auch in den anderen Gemeinden des Bundeslandes übersteigt die Dynamik der Ausgaben jene der Einnahmen deutlich.
Die Sozialtransfers machen daher einen immer größer werdenden Anteil der kommunalen Haushalte aus. Im Haushalt 2005 der Stadt Salzburg knapp 9 %, in vielen Salzburger Landgemeinden ist die Situation ähnlich dramatisch.
Die Kostenentwicklung im Detail
Die Steigerung der Sozialhilfe-Kosten im Budget der Stadt Salzburg liegt seit vielen Jahren deutlich über den Steigerungssätzen der kommunalen Einnahmen und des Verbraucherpreis-Index´. Für die Jahre ab 2006 waren im mittelfristigen Finanzplan der Stadt aufgrund der Planungs-Angaben des Landes Zuwächse zwischen acht und drei Prozent prognostiziert.
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009
Mio € 24.7 31.1 25.3 27.5 31.3 33.7 36.4 37.5 38.6 39.8
+ 25,8 - 23 + 8,8 + 13,6 + 7,6 + 8 + 3 + 3 + 3
Entwicklung der Fallzahlen
Die folgenden Darstellungen stützen sich auf den Sozialbericht 2003 des Landes Salzburg. Natürlich ist die weitere Kostendynamik auch von bestimmten wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, wie etwa dem Anspringen der Konjunktur und der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt abhängig, da dies wesentlichen Einfluss auf die Fallzahlen haben wird.
Sozialhilfe
Jahr 2001 2002 2003
Bundesland ges. 8.310 8.989 9.819
Stadt Salzburg 4.761 5.281 5.898
Es zeigt sich, dass ca. 60 % der Betroffenen ihren Wohnsitz in der Landeshauptstadt haben und dass die Fallzahlen tatsächlich relativ stark gestiegen sind (2002  2003 Land ges. 9 %, Stadt 11 %).
Unzureichende Prognose-Daten erschweren Budgetplanung
Völlig überraschend hat das Land zum Jahresende 2004 den Gemeinden aber folgendes mitgeteilt (Schreiben der Abt. 3 vom 24. 11. 2004):
- Im Bereich Sozialhilfe ergibt sich für 2005 ein Mehrbedarf von 18 % gegenüber dem für 2004 budgetierten Wert. Für die Stadt Salzburg beträgt die Steigerung immerhin 6,7 %.
- Bei der Behindertenhilfe zeichnet insbesondere die Anpassung des Landespflegegeldes an die Erhöhung des Bundespflegegeldes ab 1. 1. 2005 verantwortlich für die Kostensteigerungen. Für die Stadt Salzburg liegt die Erhöhung bei 5,6 %.
- Bei der Jugendwohlfahrt beträgt die Steigerung 6,4 %. Hauptverantwortlich dafür sind die sinkenden Einnahmen und die gestiegenen Kosten für Unterbringung und Ambulante Betreuung. Für die Stadt Salzburg sind 15 % Erhöhung vorgesehen.
- Insgesamt steigen – in fast allen Bereichen – die Fallzahlen (Details siehe unten)
- Durch die Doppelbudgetierung im Landeshaushalt 2003/2004 wurde die Erhöhung lediglich linear vorgenommen, was zu einer gravierenden Unterdeckung des Jahres 2004 führt. Dies hat wiederum eine überproportionale Belastung im Jahr 2006 (in welchem ja die Restgebühren 2004 fällig werden) zur Folge.
Die Steigerungsraten für die Stadt Salzburg werden in einzelnen Bezirken des Bundeslandes – besonders betroffen ist hier der Pongau – noch deutlich überschritten. Die Steigerungen in der Sozialhilfe betragen 20,6%, in der Behindertenhilfe 6,2% sowie in der Jugendwohlfahrt 26%. Durch den Wegfall des untersten Vervielfachers im aBS werden Gemeinden unter 10.000 EW über diese Ziffern hinaus noch zusätzlich belastet, sodass hier die Steigerungen in Teilbereichen über 30% betragen!
Zusammenfassend ergibt sich daraus wohl, dass wegen der doch gravierenden Unterdotierung des Jahres 2004 aufgrund der Restgebühr vor allem das Jahr 2006 für die Gemeinden äußerst belastend werden wird. Die Frage ist, wie die weitere Entwicklung dann verlaufen wird. Aber es ist jetzt schon absehbar, dass das Erreichen der 40 Mio €-Grenze in der Stadt Salzburg, welches für das Jahr 2009 prognostiziert wurde, bereits deutlich früher eintreffen wird.
Dringender Reformbedarf besteht nach Ansicht der Interessenvertretungen auch in der Informationspolitik des Landes gegenüber den Städten und Gemeinden. Die konkreten, bezirksweisen (und damit für uns maßgeblichen) Ziffern haben die Gemeinden erst Mitte November und damit zu einem Zeitpunkt erhalten, als die eigenen Budgets bereits „unter Dach und Fach“ waren. Details über die Ursachen der Entwicklung wurden erst Ende November 2004 auf Grund massivster Proteste aus den Gemeinden mitgeteilt. Verlangt wird daher sowohl auf Landes- als auch auf Bezirksebene eine deutliche verbesserte Informationsschiene zur Stadt und den Gemeinden.
Landesleistungen bei Sozialhilfe im Österreich-Vergleich unterdurchschnittlich
Die Wohlfahrtsverwaltung ist Ländersache. Daher sind Daten aus verschiedenen Bundesländern prinzipiell schwer vergleichbar. Eine Kernaussage ist allerdings auch wissenschaftlich belegt: In einer Studie des Wifo hat Prof. Gerhard Lehner bereits im Jahr 2000 festgestellt, dass die Stadt Salzburg – was die Finanzierungsströme zwischen ausgewählten Ländern und ihren Landeshauptstädten betrifft – schlechter gestellt ist als etwa die Landeshauptstädte Innsbruck und Linz. Und dieses Ungleichgewicht zeigt sich besonders im Sozialbereich. Eine Tatsache, die ebenfalls auf alle Gemeinden des Bundeslandes zutrifft.
Zitat Prof. Gerhard Lehner (Wifo-Studie 2000): „Insgesamt zeigt sich, dass der negative Saldo der Stadt Salzburg ausschließlich durch den Sozialbereich verursacht ist.“ Im Endbericht der Studie hält Lehner ausdrücklich fest: „Am stärksten werden die Salzburger Gemeinden zur (Mit)Finanzierung der Sozialausgaben herangezogen.“
Gerda Zeman-Steyrer analysiert in „Finanzausgleich 2001. Das Handbuch für die Praxis“ ebenfalls die Leistungen der Sozialhilfe in den österreichischen Bundesländern. Sie ermittelt aus den Gebarungsübersichten der Jahre 1997 bis 1999 den jeweiligen Länderanteil an der Sozialhilfe inkl. Pflegegeld und stellt – so wie Lehner – einen weit unterdurchschnittlichen Anteil des Bundeslandes Salzburg an den Sozialtransfers fest. Trotz der Vielzahl an Studien, die in diesem Zusammenhang erstellt wurden, hat sich an der Gesamtsituation der Städte und Gemeinden in Salzburg aber bis jetzt noch nichts substantiell verbessert.
Alle Gemeinden des Landes sind von dem Problem gleichermaßen betroffen
Die dargestellten Entwicklungen basieren auf den Daten des Landes Salzburg und sind zunächst auf die Konsequenzen für die Stadt Salzburg, aber auch der anderen Gemeinden abgestellt. Es ist offenkundig, dass alle Gemeinden des Bundeslandes davon betroffen sind. Es geht der Stadt Salzburg also um ein gemeinsames Vorgehen, nicht um eine Sonderstellung der Stadt.
Weitere Kostensteigerungen durch höhere Richtsätze, höheres Pflegegeld und Mehraufwand für Soziale Dienste
Eine Erhöhung der Sozialhilfe-Richtsätze wurde von Städte- und Gemeindebund zuletzt stets abgelehnt und auf den Konsultationsmechanismus verwiesen. Die außerordentliche Richtsatzerhöhung von 2,5 % ab 2005 (Kosten 297.000,-- €) wird als Reaktion darauf vom Land getragen und soll die Gemeinden nicht belasten.
Darüber hinaus wird aber auch eine „normale“ (im Sozialhilfegesetz festgelegte) Richtsatzanpassung von 1,5 % ab 1. 1. 2005 verordnet (Kosten ca. 240.000,-- €), welche selbstverständlich zwischen den Gebietskörperschaften nach dem gesetzlichen Schlüssel aufzuteilen ist. Im Haushalt 2005 der Landeshauptstadt Salzburg ist diese Erhöhung, da sie ja gesetzlich festgelegt ist, bereits berücksichtigt.
Anzumerken ist, dass sich in den Jahren 1993 bis 2003 der VPI um 18 %, der Sozialhilferichtsatz (Alleinunterstützte) allerdings um 22 % erhöht hat.
Pflegegeld
Im o. a. Schreiben der Abt. 3 des Landes wird den Gemeinden eine Steigerung beim Pflegegeld durch Übernahme der entsprechenden Erhöhung des Bundespflegegeldes ab 1. 1. 2005 angekündigt (plus 2 %). Das Gesetz ist derzeit in der Begutachtungsphase. Die Gesamtkosten für diese Maßnahme betragen 320.000,-- €, davon sind ca. 305.000,-- € nach den gesetzlichen Bestimmungen auf die Gebietskörperschaften aufzuteilen (50:50, also ca. 152.200,-- € Mehrbelastung für die Gemeinden). Anzumerken ist, dass das Pflegegeld letztmals mit 1. 9. 1996 erhöht wurde.
Kosten für die Sozialen Dienste
In einer weiteren neuen Verordnung des Amtes der Salzburger LReg (dzt. in Begutachtung) sollen ab 1. 1. 2005 die Kosten für die Sozialen Dienste angepasst werden. Die Personalkosten sollen um den gleichen Wert erhöht werden wie die Bezüge der Vertragsbediensteten des Landes (2,3 %). Die Sachkosten sollen nach dem VPI valorisiert werden (Juni-Wert 2003 auf Juni-Wert 2004 = 2,244 %). Das ergibt folgende Mehrkosten:
- Hauskrankenpflege: 187.897,-- €
- Haushaltshilfe: 171.269,-- €
- Familienhilfe: 6.731,-- €
Insgesamt also: 365.897,-- €, die nach dem gesetzlichen Schlüssel zwischen den Gebietskörperschaften aufzuteilen sind.
Private und öffentliche Seniorenheime gleich stellen
Durch Verordnung des Landes werden die Obergrenzen für die Tarife in Senioren- und Seniorenpflegeheimen festgelegt.
Die Tarife setzen sich aus einem Basisbetrag und einem Finanzierungs- und Investitionsbetrag zusammen, die gemeinsam einen Grundtarif ergeben. Dieser wird noch um einen Pflegetarif ergänzt, der sich nach den jeweiligen Pflegegeldstufen richtet.
Dieser Grundtarif beträgt für Städtische Seniorenheime 21,25 €, der Pflegetarif je nach Pflegestufe zwischen 7,30 € und 64,10 €. Der Grundtarif für private Heime beträgt zwischen 27,92 und 48,35 €. Dazu kommt noch der jeweilige Pflegetarif. Der Grundtarif für private Einrichtungen ist damit um bis zum mehr als dem doppelten höher als jener für öffentliche Heime.
Diese Tarife sind für die öffentliche Hand keinesfalls kostendeckend, der Abgang der städtischen Seniorenheime beträgt mehr als 5,77 Mio € (VA 2005), während es die Obergrenzenverordnung erlaubt, dass private Einrichtungen kostendeckend geführt werden können.
Ein Vergleich mit Einrichtungen anderer Bundesländer, den die Städtische Seniorenheimverwaltung erstellt hat, zeigt, dass in anderen Ländern keine Obergrenzen bestehen, sondern die Tarifgestaltung – auch bei öffentlichen Heimen - sehr wohl kostendeckend ist.
Der österreichische Städtebund, Landesgruppe Salzburg, hat sich daher für eine schrittweise Harmonisierung der Obergrenzen für öffentliche und private Einrichtungen ausgesprochen.
Die Folgen dieser Entwicklung für die kommunalen Haushalte
Die bisherige Darstellung zeigt: Wenn in der Entwicklung der Sozialtransfers keine Trendwende eintritt, wird es den Städten und Gemeinden in Zukunft zunehmend unmöglich gemacht, ausgeglichene Haushalte zu erstellen.
Schon jetzt machen die Sozialtransfers in der Stadt Salzburg 9 % des gesamten ordentlichen Haushaltes aus. Bei einer weiteren Stagnation der übrigen Budgetbereiche und einer Dynamik des Sozialbereiches wie oben dargestellt, werden es im Jahr 2009 mindestens 10,6 % sein.
Die von den Kommunen seit Jahren erhobene Forderung nach einer einheitlichen Festlegung der Aufteilungsschlüssel zwischen den Gebietskörperschaften auf 50:50 wird daher von Städtebund und Gemeindebund nochmals mit Nachdruck bekräftigt.
Greifeneder, Johannes (20222)