Emotionale Debatte zum Fall Senecura im Gemeinderat

NEOS und FPÖ kritisieren heftig – Bgm. Preuner mahnt Sachlichkeit ein
21.09.2022
Wieder im Rathaus:
Nach der Corona-Zeit erste Gemeinderatssitzung am angestammten Ort seit Februar 2020.

Eine streckenweit emotional und persönlich geführte Debatte gab es Mittwoch, 21. September 2022, bei der Sitzung des Gemeinderates der Stadt Salzburg. Sie fand erstmals seit Februar 2020 wieder im Rathaus statt. 220 Interessierte sahen via Internet zu.

NEOS-Gemeinderat Lukas Rößlhuber, der das aktuelle Thema „Senecura: Wie gestaltet die Stadt das Älterwerden“ eingebracht hatte, ging gleich in die Vollen: Er kritisierte, dass die Verantwortung hin- und hergeschoben werde, niemand wolle zuständig sein. Und er sprach dabei von „größter Doppelbödigkeit und Peinlichkeit“. Es gebe „keinen menschlichen und humanistischen Zugang zu Unterstützung mehr“. Die SPÖ mache „auf Teufel komm raus alles madig“. In Altenmarkt etwa gebe es sehr wohl ein „funktionierendes neoliberales Senecura Heim“.

FPÖ-Klubobmann Andreas Reindl zeigte sich „schockiert, dass die politisch Verantwortlichen nicht in der Lage sind, den Notstand abzustellen“. Und sagte: „Ich befürchte, das ist nur die Spitze des Eisbergs.“ Er rief LH.-Stv. Heinrich Schellhorn und Sozialstadträtin Anja Hagenauer dazu auf, die Probleme zu lösen und forderte als Sofortmaßnahmen für das Pflegpersonal u.a.: Supervision, mehr Gehalt, das Überlegen einer Unterstützungsleistung durch das Bundesheer sowie eine „Pflegemillion“ im nächsten Stadtbudget.

Die ausgebildete Pflegefachkraft GR Sabine Gabath (SPÖ) konterte, dass die FPÖ „überhaupt keine Ahnung“ habe. Die Pflege sei ein hochspezialisierter Beruf, die Seniorenwohnhäuser der Stadt Salzburg bestens dafür ausgestattet. Aber nun werde alles schlecht gemacht und der Ruf des Berufes damit ruiniert: „Wie sollen wir jetzt Menschen motivieren, diesen schönen und erfüllenden Beruf zu ergreifen?“ Bei Senecura hätten neun Angestellte alle Bewohner:innen versorgen müssen. „Bei so vielen Bewohner:innen kann man niemandem das Essen eingeben. Da ist einfach keine Zeit dafür. Und: Unterernährung und Wundliegen, das ergibt sich erst nach Monaten“, erläuterte Gabath. Senecura habe wissentlich Betten gefüllt, obwohl keine entsprechenden Pflegekräfte dafür da waren.

Bürgermeister Harald Preuner (ÖVP) hielt kalmierend fest, dass „alle nur das Beste für die ältere Generation wollen“. Er forderte die Fraktionen auf sachlich zu bleiben und nicht persönliche Dinge aufzuwühlen.

GR Delfa Kosic (ÖVP) betonte, die Senecura sei schon 2018 ein umstrittenes Projekt und der Gemeinderat damit nicht befasst gewesen. Pflege sei „eine Frage der Menschlichkeit, nicht nur der Versorgung“. Sie hoffe, dass das Land die nötigen Dokumente zur Übernahme von Senecura-Bewohner:innen nun endlich übermittle. Und forderte eine Entrümpelung der Dokumentationspflichten. Auch das Sozialleitbild der Stadt solle überarbeitet werden.

Letzteres sei bereits in Vorbereitung, sagte Sozialstadträtin Anja Hagenauer (SPÖ). Man müsse jetzt gemeinsame Maßnahmen setzen, dass so etwas wie bei der Senecura nicht mehr passieren könne. Die Heimaufsicht des Landes bekomme von ihr als ausgebildete Lehrerin freilich „eine glatte Fünf“. Sie habe schon 2016 auf eine Reform derselben gedrängt. Nun tue es dringend Not, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu ändern. Bund und Land seien da in der Pflicht. „Sie müssen in die Gänge komme. Die Ausbildung muss bezahlt werden. Ein bis zwei Stunden Pflegedokumentation pro Tag statt Arbeit am Menschen, das geht nicht mehr. Deutschland hat da schon eine Entlastung vorgemacht. Außerdem müssen wir das Betreute Wohnen ausbauen. Nur mit Mobilen Dienste und Seniorenwohnhäusern allein, das reicht nicht.“

Für GR Anna Schiester (BL) ist klar, dass „Pflege nicht dem Markt überlassen werden darf“. Senecura ist für sie das „Symptom einer Pflegekrise“. GR Kay-Michael Dankl (KPÖ Plus) zeigte sich „erschüttert“, dass das Land hier kein eigenes Krisenmanagement aufgebaut habe: „Pflegekräfte wollen ‘s gut machen, haben aber ständig ein schlechtes Gewissen, weil die Rahmenbedingungen das nicht zulassen.“ GR Christoph Ferch (Liste SALZ) meinte, er beteilige sich nicht an einem Unternehmens-Bashing. Es gehe um Kundenorientierung und um noch stärker maßgeschneiderte Beratung für ältere Menschen.

Karl Schupfer