Krawatte tragen, Karriere machen
Bei Einkommensdifferenzen zwischen Männern und Frauen nimmt Österreich keine Vorreiterrolle ein – im Gegenteil: Im Global „Gender Gap Report 2010“ des World Economic Forums landet Österreich bei der „wirtschaftlichen Teilhabe“ auf Platz 92 (von 134 Ländern), hinter Bolivien, Ecuador oder Sri Lanka. Diese Einkommensdifferenzen aufzubrechen, ist Ziel des internationalen „Equal Pay Day“. Er fällt heuer in Österreich auf den 4. Oktober. Im Mittelpunkt der Aktionen in Österreichs Städten steht dieses Jahr die Rolle der Krawatte, die als Symbol für männliche Karriereverläufe steht und dringend zu hinterfragen ist. Verglichen werden ganzjährig vollbeschäftigte Männer- und Fraueneinkommen.
Nur 4,4 Prozent weibliche GeschäftsführerInnen
Der geringe Frauenanteil in den Führungsetagen heimischer Unternehmen ist erschreckend. Mit 10,3 Prozent Anteil in Aufsichtsräten und 4,4 Prozent in den Vorständen sind die Aufstiegschancen für Frauen in Österreich nach wie vor schlecht. Es hilft auch nichts, dass Frauen in den letzten Jahren massiv in der Bildung aufgeholt haben: Immerhin sind 58 Prozent der MaturantInnen weiblich und bei den Universitäten machen Frauen mittlerweile 55,6 Prozent der AbsolventInnen aus.
Auch frau trägt heuer Krawatte
Um männliche Karriereverläufe zu hinterfragen, sie zu karikieren, trägt auch frau heuer zum Equal Pay Day Krawatte. In Salzburg und vielen anderen Städten verteilen engagierte Frauen in Straßenaktionen Papierkrawatten.
Ziel: Reißverschluss bei Entsendungen
Die humorvolle Aktion der Frauenbüros der Städte hat einen ernsten Hintergrund. Sie untermauert die Forderung nach 50 Prozent-Frauenquoten für die Besetzung von Vorständen und Aufsichtsräten österreichischer öffentlicher und privater Unternehmen. Bei den Aufsichtsratsnominierungen der Stadt Salzburg sieht es – im Vergleich zum österreichischen Durchschnitt – gut aus. „33 Prozent beträgt der durchschnittliche Anteil der Frauen an den AufsichtsrätInnen in jenen Unternehmen, an denen die Stadt Salzburg beteiligt ist und die von der Stadt Salzburg nominiert werden. Schon jetzt liegt der Anteil in vielen Gremien bei 50 Prozent und drüber, z.B. bei der Entsendung in den Altstadterhaltungsfonds und ins Salzburg Museum. 100 Prozent sind es im Rockhouse und Literaturhaus. Doch damit bin ich noch nicht zufrieden, wir müssen den Frauenanteil weiter erhöhen“, sagt Bürgermeister Heinz Schaden.
Möglich ist dies durch einen Beschluss des Stadtsenats, der die Entsendung der AufsichtsrätInnen vorschlägt. „Die Entsendungen in die Aufsichtsgremien soll nach dem Reißverschlussprinzip erfolgen, ähnlich wie bei den Wahllisten für den Gemeinderat“, sagt Schaden.
Erst nach den Gemeinderatswahlen legt die Stadt Salzburg alle ihre Aufsichtsrats-Positionen fest. Dennoch gibt es „Zwischenchancen“, nämlich dann, wenn ein Aufsichtsratsmitglied ausscheidet und daher nachbesetzt werden muss. Die Stadt Salzburg entsendet AufsichtsrätInnen in 14 Unternehmen, darunter die Salzburg AG, der Salzburger Flughafen oder die GSWB.
„Schon jetzt sammeln wir Interessensbekundungen von Frauen und bereiten sie auch auf die Aufgaben als Aufsichtsrätinnen vor, indem wir zukünftig Schulungen anbieten“, so Bürgermeister Schaden
Das Unternehmen Magistrat Salzburg setzt zudem auch den Einkommensbericht um – obwohl es nicht müsste. Nur private Unternehmen mit mehr als 1000 MitarbeiterInnen sind 2011 schon dazu verpflichtet.
„Ich freue mich über diese Initiativen, denn eines ist längst klar: Willenserklärungen und Appelle führen in der Frauenpolitik zu gar nichts. Es braucht klare Verbindlichkeiten wie Quoten, am besten mit spürbaren Sanktionen“, begrüßt die Frauenbeauftragte Dagmar Stranzinger das Vorhaben.
Alle Erfahrungen von Quotenregelungen zeigen, dass damit der Qualifikation zum Durchbruch verholfen wird. Das beweisen auch Beispiele aus den skandinavischen Ländern: Der Frauenanteil in den Verwaltungsräten in Norwegen beträgt dank gesetzlicher Quoten 39 Prozent. Dass dies der Wirtschaft keinen Schaden zufügt, sondern im Gegenteil sogar gut für sie ist, zeigen wiederum internationale Studien: Demnach sind Unternehmen umso erfolgreicher, je mehr Frauen in den obersten Führungsetagen vertreten sind.
Straßenaktionen in Salzburgs Innenstadt
Die Mitarbeiterinnen des Frauenbüros verteilen morgen, am Equal Pay Day österreichweit, Papierkrawatten an Frauen. Sie enthalten die wichtigsten Infos zur Einkommensgerechtigkeit. Die Aktion mit Augenzwinkern soll zum Nachdenken und zu Diskussionen anregen. Denn immer noch fehlt das Bewusstsein über die massiven Benachteiligungen, denen Salzburgs Frauen immer noch ausgesetzt sind.
Im Österreichvergleich liegt Salzburg beim Einkommensvergleich an 4. Stelle. Am kleinsten ist der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen in Wien, am größten in Vorarlberg.
Stefanie Niedl