5. Juli 2011: Tag der Chancengleichheit in der Stadt Salzburg

05.07.2011

TeilnehmerInnen:
Daiva Döring, Integrationsbeauftragte Stadt Salzburg
Dagmar Stranzinger, Frauen- und Gleichbehandlungsbeauftragte Stadt Salzburg
Ursula Liebing, Sprecherin Plattform für Menschenrechte
Josef Mautner, Mitglied Koordinierungsteam der Plattform für Menschenrechte


Warum Tag der Chancengleichheit?

Chancengleichheit ist die Basis für eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft. Gleichbehandlung ist ein Menschenrecht. Allerdings gibt es nicht in allen Lebensbereichen ein respektvolles Miteinander. Vorurteile leben und Diskriminierungen finden tagtäglich statt: Menschen im Rollstuhl, die keinen Arbeitsplatz finden oder nicht zu allen öffentlichen Einrichtungen Zugang haben; Homosexuelle Männer oder Frauen, die am Arbeitsplatz belächelt werden; Frauen, die weniger als ihre Kollegen für dieselbe Arbeit entlohnt oder am Arbeitsplatz sexuell belästigt werden; MigrantInnen, die wegen ethnischer Herkunft keinen adäquaten Arbeitsplatz oder keine Wohnung bekommen, rassistisch im Bus beschimpft, am Arbeitsplatz oder in der Schule belästigt werden. Diese Beispiele sind bekannt, mehr kann man in den Berichten der Volksanwaltschaft, der Gleichbehandlungsanwaltschaft, des Vereins ZARA–Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit, der Plattform für Menschenrechte Salzburg u.a. finden.

Obwohl es seit 2004 einen erweiterten gesetzlichen Rechtsschutz für ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, Religion oder Weltanschauung, der sexuellen Orientierung, des Alters und Behinderung gibt, sind Diskriminierungen verbreitet. Diese basieren oft auf Unwissenheit, auf Angst oder auch mangelnder Erfahrung.

Somit reichen gesetzliche Grundlagen der Chancengleichheit in Österreich alleine nicht aus, um den Schutz vor Diskriminierung wirksam durchzusetzen und weitgehende gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken. Um die Bekanntheit der Gesetze, ihre Wahrnehmung durch die Medien und Betroffene zu verbessern, nimmt die Stadt Salzburg das kostenlose Angebot vom Verein ZARA, vom „Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern“ und von „freiraum-europa die ExpertInnen für Barrierefreiheit“ in Anspruch und veranstaltet den Tag der Chancengleichheit im Schloss Mirabell.

"Chancengleichheit ist eine wichtige Basis für ein gutes Zusammenleben. Es ist Aufgabe unserer Stadt, auf dieses Thema aufmerksam zu machen und zu sensibilisieren. Die Informationsveranstaltungen über die rechtlichen Rahmenbedingungen sollen Fehlverhalten und Missstände vor Augen führen und zeigen, wie das Recht auf Nicht-Diskriminierung und Chancengleichheit von jeder und jedem Einzelnen eingehalten werden kann. Mit dem Tag der Chancengleichheit wird den Salzburger Bürgerinnen und Bürger einmal mehr die Möglichkeit geboten, sich aktiv mit dem Thema auseinandersetzen und zu einem fairen Umgang miteinander beizutragen", betont Bürgermeister Heinz Schaden anlässlich der Eröffnung.


Das Angebot des Tages der Chancengleichheit: Abendveranstaltung für alle Interessierte offen

Das Angebot am Dienstag, 5. Juli, dem Tag der Chancengleichheit, umfasst vier Workshops, die an verschiedene Zielgruppen gerichtet sind, und einen offenen StadtDialog am Abend.
Für MitarbeiterInnen, Führungskräfte, PersonalvertreterInnen der öffentlichen Einrichtungen und der zivilgesellschaftlichen Organisationen
• gibt der Klagsverband zwei Workshops über die Förderungsmöglichkeiten der Chancengleichheit und zu rechtlichen Grundlagen der Nicht-Diskriminierung;
• Freiraum-europa führt eine Schulung für den kompetenten Umgang mit Menschen mit Behinderung durch.
Für Jugendliche ab 12 Jahren wird ein Workshop von ZARA über Handlungsmöglichkeiten zur Bekämpfung von Diskriminierung angeboten.
Programm:

www.stadt-salzburg.at/pdf/stadtdialog__5__juli_staedtetag_chancengleichheit_.pdf



Am Abend findet im Schloss Mirabell, Pegasuszimmer (EG, Eingang 7) ein StadtDialog mit Vortrag und Diskussion für alle Interessierte zum Thema „Diskriminierung im Alltag, was tun?" statt, welcher in Zusammenarbeit mit der Plattform für Menschenrechte, ZARA, der Gleichbehandlungsanwaltschaft, der Stabsstelle für Chancengleichheit, Antidiskriminierung und Frauenförderung des Landes und der Arbeiterkammer veranstaltet wird. Die BürgerInnen der Stadt erfahren, welche Formen der Diskriminierung es im Alltag gibt und was sie dagegen tun können. Sie können in diesem Rahmen auch eigene Erfahrungen zum Ausdruck bringen.
Der Eintritt ist frei. Näheres siehe:

www.stadt-salzburg.at/pdf/stadtdialog__einladungskarte__chancengleichheit.pdf




Die Stadt fördert die Chancengleichheit der BürgerInnen

Alle diese Veranstaltungen bieten somit umfassende Information und Sensibilisierung bezüglich des rechtlichen Schutzes und der vorhandenen Anlaufstellen. An den vier angebotenen Workshops nehmen knapp 60 Personen teil, „das ist ein großer Erfolg“, betont die Integrationsbeauftragte Daiva Döring, auf deren Anregung die Stadt das kostenlose Angebot in Anspruch nimmt. „Mit diesem Tag wollen wir zum einen die BürgerInnen der Stadt für das Thema ´Chancengleichheit und Antidiskriminierung`, zum anderen die MitarbeiterInnen und Führungskräfte der Verwaltung sensibilisieren und informieren. Denn jede und jeder kann etwas gegen die Ungleichbehandlung tun und für den gegenseitigen Respekt eintreten. Direkte offene oder auch subtile Ablehnung – basierend auf mangelnder Sympathie oder Vorurteilen – ist nicht nur schmerzvoll, sondern verletzt die Würde der Betroffenen und schränkt ihre Chancen ein. Wichtig ist klare Ablehnung der diskriminierenden Verhaltensweisen. Wir freuen uns über den Austausch mit KooperationspartnerInnen und BürgerInnen der Stadt und darüber, dass so viele Menschen an diesem Tag teilnehmen“, sagt Daiva Döring.

„Die Zusammenarbeit im BeauftragtenCenter und die gute Kooperation im Team stärkt und macht die Arbeit auch für Betroffene bekannter. Zusammen können wir schlagkräftiger im Sinne der Chancengleichheit aller BürgerInnen agieren“, meint die Gleichbehandlungsbeauftragte Dagmar Stranzinger.

Basis der Arbeit in Gleichbehandlungsfragen ist das Salzburger Gleichbehandlungsgesetz aus 2006. Die Erweiterung der Diskriminierungstatbestände war eine der wesentlichen Neuerungen. Nunmehr gelten sieben Dimensionen der Antidiskriminierung: Geschlecht, ethnische Herkunft, Religion, Weltanschauung, Alter, sexuelle Orientierung und Behinderung. Verboten ist jegliche Diskriminierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung ebenso wie die Diskriminierung von Privatpersonen, die Leistungen der Stadt Salzburg in Anspruch nehmen.

Integrationsbüro der Stadt gibt es seit fast 5 Jahren. Das Ziel der Arbeit des Integrationsbüros ist, allen WohnbürgerInnen der Stadt unabhängig von Ethnie, Kultur, Sprache und Religion Chancengleichheit in der Gesellschaft zu gewährleisten.

Menschen mit Migrationsgeschichte werden auf vielen Ebenen benachteiligt: Bildung, Arbeitsmarkt, Wohnen, Gesundheit, soziale Sicherung. Die Ungleichbehandlung aufgrund der ethnischen Herkunft ist insbesondere in den Bereichen Bildung und politische Partizipation sichtbar:
• Es sind immer noch viel zu viele Kinder mit anderer Erstsprache in den Sonderschulen (27,8%) , während in der AHS ihr Anteil nur 13,3% ausmacht;
• Es sind kaum MigrantInnen in der Politik (s. MIPEX 2010) und in den öffentlichen Einrichtungen vertreten.

Das Integrationsbüro der Stadt fördert durch die positive Öffentlichkeitsarbeit, finanzielle Unterstützung der Projekte in der Stadt, gezielte eigene Projekte (wie z.B. Rucksack, Miteinander Lesen) und Beratung die Chancengleichheit der BürgerInnen. Es wenden sich immer mehr Betroffene an das Integrationsbüro, weil sie sich von den Behörden oder öffentlichen Einrichtungen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft oder der Herkunft der Angehörigen ungerechtfertigt ungleich behandelt fühlen –wie z.B. im Bereich der Staatsbürgerschaftsverleihung, des AMS, des Wohnens, des Sozialhilfebezugs oder der Aufenthaltsangelegenheiten.

Ein Beispiel aus dem Bereich des Wohnens für eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung: ein Bürger afghanischer Herkunft hat sich an uns gewendet, weil die zuständige Wohnbaugenossenschaft für die Verlängerung des Mietvertrags ein Zertifikat für den abgeschlossenen Deutschkurs verlangt hat. Wir bieten vertrauliche Beratung und Interventionen u.a. zwecks Sensibilisierung bzw. Klärung. Einen wichtigen Schwerpunkt bildet die Umsetzung der Europäischen Charta für den Schutz der Menschenrechte in der Stadt, die die Stadt Salzburg 2008 unterzeichnet hat. In diesem Rahmen entsteht demnächst der Runde Tisch Menschenrechte im BeauftragtenCenter der Stadt.

Seit 2010 arbeiten im BeauftragtenCenter der Stadt Frauen- und Gleichbehandlungs-, Integrations-, Behinderten- und Jugendbeauftragte/r zusammen an der Umsetzung der Chancengleichheit für die BewohnerInnen der Stadt. Nähere Infos: www.stadt-salzburg.at/internet/politik_verwaltung/buergerservice/beauftragtencenter_332996/beauftragtencenter_311244.htm





Beitrag der Plattform für Menschenrechte Salzburg

Diskriminierende Lebenssituationen als Hintergrund für diskriminierende Vorfälle - Erfahrungen der Plattform für Menschenrechte aus dem Monitoring.

Wir erleben in unserer Monitoring-Arbeit häufig Menschen, die nicht (nur) von einzelnen diskriminierenden Vorfällen betroffen sind, sondern sich in diskriminierenden Lebenssituationen befinden, und dabei in mehrfacher Hinsicht von Diskriminierung betroffen sind. Diskriminierung im Alltag findet für viele Menschen und in weiten Bereichen nicht nur in einzelnen Vorfällen statt, sondern im Rahmen einer Gesamtsituation und aufgrund von diskriminierenden Strukturen, die vielfach nicht als solche wahrgenommen werden. Wir möchten im Folgenden einige wesentliche Erscheinungsformen und Ursachen für solche diskriminierenden Lebenssituationen näher darstellen:

1) Wir beobachten eine „hierarchisierende Wertung“ von Diskriminierungsgründen im Hinblick auf das Unrechtsempfinden bzw. -bewusstsein: Diskriminierung aufgrund des Geschlechts wird mittlerweile von weiten Teilen der Bevölkerung als unrechtmäßig empfunden, auch wenn sie nach wie vor z.B. im Arbeitsmarkt wirksam ist, Diskriminierung aufgrund von ethnischer Herkunft oder des religiösen Bekenntnisses wird dagegen von vielen Diskriminierenden ebenso wie von Betroffenen als „normal“ erlebt – die existierenden rechtlichen Regelungen sind kaum bekannt. Auch soziale Ausgrenzung (z.B. von Armutsbetroffenen) wird nicht als Diskriminierung erlebt, sondern als selbstverständlich und legitim.
Beispiele: Ungleichbehandlung im Betrieb bei Bezahlung. (Informelle) Dresscodes, die eine „Hierarchie“ bei Bewerbungs-, Vorstellungsgesprächen erzeugen.

2) Diskriminierung, Benachteiligung und Ungleichbehandlung bestimmen als strukturelle Gegebenheiten die Lebenslagen von vielen Menschen, nicht zuletzt wenn Gesetze eine Ungleichbehandlung festschreiben und rechtfertigen.
Beispiele: Asylwerbende, die in Hinblick auf den Arbeitsmarktzugang benachteiligt werden, Drittstaatsangehörige in Hinblick auf Zugang zu Seniorenheimen oder (kommunale) Wahlen.

3) Die Lebenslagen der von Diskriminierung Betroffenen in unserem Umfeld sind häufig von existenziellen Notsituationen geprägt, und von Statusunsicherheiten und Abhängigkeiten. Immer wieder geschehen Diskriminierungen gerade aus asymmetrischen Konstellationen heraus.
Beispiel: Diskriminierende Behandlung beim Sozialamt, beim Ansuchen um Staatsbürgerschaft – Verweigerung des Rechts auf persönlichen „Beistand“, Bescheide.

4) Im Monitoring haben wir es häufig mit Menschen zu tun, die von Mehrfachdiskriminierungen betroffen sind bzw. ein „Bündel“ von verpönten, für Diskriminierung „anfälligen“ Merkmalen aufweisen.
Beispiel: „andere“ Herkunft und Muttersprache, Zugehörigkeit zu minoritärer Religion, Geschlecht (Frauen) als „Merkmals-Bündel“ das den Zugang zum Arbeitsmarkt insgesamt und insbesondere zu qualifikationsadäquater Erwerbsarbeit enorm erschwert.

5) Diskriminierungen im Alltag finden häufig in Kontexten statt, in denen Betroffene auch auf längere Sicht leben und/oder arbeiten, die Schule besuchen möchten – also in Kontexten, wo sie auf die Akzeptanz ihres sozialen Umfeldes angewiesen sind. Das erschwert es Betroffenen, sich mit rechtlichen Mitteln „zur Wehr“ zu setzen“.
Beispiel: Kopftuch tragende Schülerin.

6) Immer wieder berichten Betroffene auch von „Vorfelddiskriminierungen“, die oft „gut gemeint“ sind, jedoch in „vorauseilendem Gehorsam“ gegenüber einer zukünftigen, vorauszusehenden bzw. vorgestellten Diskriminierung potentiell Betroffene bereits im Vorfeld diskriminieren.
Beispiel: AMS-BeraterInnen, die selbst diskriminieren, um Betroffenen vorauseilend Diskriminierungen bei Bewerbungen oder bei Arbeitsantritt zu ersparen (z.B. Kopftuchträgerinnen, bei „Hindernissen“ durch Sprache/Herkunft bei der Vermittlung von qualifizierten Arbeitsplätzen)

7) Viele Betroffenen befinden sich in existenziellen Notlagen, und diskriminierende Situationen, denen sie ausgesetzt werden, belasten und stigmatisieren sie zusätzlich. In der Regel verfügen Menschen, die von Armut und Diskriminierung betroffen werden, nicht über ausreichende materielle und psychische Ressourcen, um Diskriminierungs- und Stigmatisierungs-Erfahrungen sozial sowie psychisch aufzufangen und rechtliche Schritte gegen Diskriminierungsvorfälle einzuleiten.
Beispiele: „Dunkelziffer“ bei Diskriminierung von Frauen mit Migrationshintergrund am Arbeitsplatz. Große Schwellenangst vor Beschwerden bei Grundversorgung von Flüchtlingen.


Um einen wirksameren Schutz vor Diskriminierung zu verwirklichen, braucht es

1. Breit gestreute und niederschwellige Zugänge zu rechtlicher Information – in möglichst vielen NGOs und Beratungseinrichtungen, durch BetriebsrätInnen, …;

2. In der Arbeit mit Betroffenen:
• Niederschwelligkeit, räumliche/kulturelle Nähe zu den Betroffenen;
• Institutionalisierte Beratung, die Beratung und Begleitung als Brückenschlag zur Substitution der angesprochenen fehlenden Ressourcen anbietet;
• Wirksamen und zugänglichen Rechtsschutz

3. Arbeit an der Veränderung diskriminierender Strukturen und Gesetzeslagen;

4. politische Interventionen, die diese Veränderungen herbeiführen können.

5. Öffentliche und glaubwürdige Bekenntnisse von politischen und wirtschaftlichen VerantwortungsträgerInnen zur Nicht-Diskriminierung und zu nachhaltigen Gegenmaßnahmen


Plattform für Menschenrechte Salzburg
Kirchenstraße 34,5020 Salzburg
0662-451290-14
plattform@menschenrechte-salzburg.at
www.menschenrechte-salzburg.at



Gabriele Strobl-Schilcher