EU-Strafe für Schulbauten: Kritik an Wachstumsbremse im Stabilitätspak

15.06.2012

Nach einer Analyse des EU-Stabilitätspakts durch die Experten der städtischen Finanzabteilung kritisiert Bürgermeister und Finanzreferent Heinz Schaden das höchst komplexe Regelwerk: „Was uns aus Brüssel da vorgeschrieben wird, ist kaum durchschaubar und mit seiner strikten Fokussierung auf Ausgaben-Reduktion volkswirtschaftlich fragwürdig. So würden etwa Infrastrukturprojekte selbst dann, wenn eine Gemeinde dafür Budgetmittel als Rücklage angespart hat, mit einer Strafe wegen Maastricht-Widrigkeit belegt werden können.“ Die Kritik des Bürgermeisters im Einzelnen:

• Der Stabilitätspakt, der auf eine Riege von EU-rechtlichen Vorschriften mit den klingenden Namen „Six Pack“, „Two Pack“ und „Fiskalpakt“ beruht, ist ein hochkomplexes Regelwerk und auch für interessierte und erfahrene Kommunalpolitiker kaum verständlich.
• Neben dem Maastricht-Defizit, das bereits bisher – allerdings eher als Rechengröße – bestand, müssen bei künftigen Budgets (erstmals beim VA 2013) auch Ausgabenobergrenzen, Haftungsobergrenzen, ein konjunkturbereinigtes „strukturelles“ Defizit und eine Schuldenabbauregel berücksichtigt werden.
• Die Ausgabenobergrenze etwa bewirkt, dass selbst dann, wenn die Einnahmen konjunkturbedingt sprudeln, die Ausgaben real nur um 0,5% wachsen dürfen, damit die Schulden noch schneller abgebaut werden können. Dies selbst dann, wenn die Gemeinde so wie die Stadt Salzburg bereits in den vergangenen Jahren erfolgreich den Pfad der Budgetkonsolidierung und Schuldenrückführung eingeschlagen hat.
• Das Maastricht-Defizit etwa bewirkt, dass z.B. auch eine Investitionsmaßnahme, die durch Entnahme von Erspartem finanziert wird, grundsätzlich "maastricht-schädlich" ist. Rücklagen werden mit Darlehen gleichgestellt!
• Das heißt für Salzburg: der Bau einer Schule, von Kindergärten oder von Straßenbauprojekten, für die die Stadt seit Jahren angespart hat, würde im Jahr der Investition das Maastricht-Defizit schlagartig erhöhen und im schlimmsten Fall mit einer Pönale von 15 Prozent belegt (zusätzlich zur Ust, die der Bund ab 1. 9. für alle kommunalen Investitionen kassiert).
• Der Stabilitäts-Pakt hindert also auch Kommunen, die (noch oder dank Restrukturierung wieder) leistungsfähig sind, an sinnvollen Infrastrukturinvestitionen. Das ist auch in Hinsicht auf die Bedeutung öffentlicher Investitionen für die Konjunktur kontraproduktiv.
• Die EU zeigt durch dieses Regelwerk, dass sie Konsolidierung ausschließlich über Ausgabenreduktion und nicht durch Wirtschaftswachstum erreichen will.
“Das ist der perfekte Fahrplan in die Rezession, Arbeitslosigkeit und weiteres Auseinanderdriften zwischen den Volkswirtschaften der EU“, kritisiert Schaden. Auch für die Salzburger Stadtpolitik ist Budgetkonsolidierung ein politisches Ziel, das außer Streit steht. Salzburg hat seine Hausaufgaben aber gemacht: Das Stadtbudget ist strukturell gesund, wie gerade jüngst der Jahresabschluß 2011 gezeigt hat. Salzburg geht seit Jahren keine Netto-Neuverschuldung ein.
Heinz Schaden: „Ich würde es nicht wagen, den Stabilitätspakt zu kritisieren, wenn unser Budget noch in einem Zustand wäre wie Mitte der Neunzigerjahre. Aber aktuell wird die Schuldenbremse somit zur Wachstumsbremse“. Ein EU-Regelwerk, das zur Erreichung des Stabilitäts-Ziels derartige politische und volkswirtschaftliche Kollateralschäden hinnimmt, ist handwerklich schlecht gemacht. Daran ändern auch - siehe erster Punkt - noch so verklausulierte und undurchsichtige Formulierungen nichts. „Denn“, schließt Heinz Schaden, das Garfield-Prinzip ´wenn du sie nicht überzeugen kannst, verwirr sie´ wollen wir von der EU nicht hinnehmen.“

Johannes Greifeneder