Neue Anlaufstelle verstärkt Antidiskriminierungsarbeit in Salzburg

20.11.2012

Unterlagen zum Pressegespräch mit Bürgermeister Dr. Heinz Schaden, Dr. Josef Mautner (Vorsitzender Runder Tisch Menschenrechte, Mag.a Maria Sojer-Stani (abz – haus der möglichkeiten) und Mag. Volker Frey (Generalsekretär Klagsverband) am 20. November 2012 im abz.

Verstärkung für Antidiskriminierungsarbeit in Salzburg.
Neue Anlaufstelle betreut, begleitet und vermittelt Betroffene und vernetzt Einrichtungen.


Alle Menschen, die von unwürdigen Behandlungen und Benachteiligungen betroffen sind, können sich seit September 2012 an die Antidiskriminierungsstelle in der Stadt Salzburg wenden. Dort werden sie ernst genommen, beraten und begleitet. Mit diesem Angebot will die Stadt Salzburg erste Abhilfe für die Betroffenen schaffen und ihre Situation verbessern. Im Auftrag der Stadt Salzburg ist nun – zunächst für ein Pilotjahr – die Antidiskriminierungsstelle im abz - haus der möglichkeiten (ehemals ABZ Itzling) eingerichtet. Mit DSA MMag.a Sieglinde Gruber konnte für die Beratung, Begleitung und Vermittlung eine sehr erfahrene Pädagogin, Sozialarbeiterin und Juristin gewonnen werden, die unter anderem beim Wiener Hilfswerk, bei der Aktion Leben Salzburg und im Vertretungsnetz Patientenanwaltschaft tätig war bzw. ist.

Bürgermeister begrüßt neues Angebot zur Bekämpfung von Diskriminierung

„Als erste Stadt Österreichs stellt Salzburg mit der niederschwelligen Antidiskriminierungsstelle nun allen Hilfesuchenden kostenlos das Angebot zum Schutz vor Ungleichbehandlung zu Verfügung und unterstützt sie bei der Wahl der passenden Lösung“, freut sich Bürger-meister Dr. Heinz Schaden: „Die Förderung von Vielfalt und Chancengleichheit sowie die Bekämpfung der Diskriminierung sind wichtige kommunalpolitische Anliegen. Wir nehmen unsere Selbstverpflichtung als Menschenrechtsstadt sehr ernst! Die neue Beratungsstelle ist eine extrem wichtige und notwendige Ergänzung eines durchaus breiten, bestehenden Angebots in der Stadt zur Förderung der Chancengleichheit. Alle mit dieser umfangreichen Thematik befassten Einrichtungen und öffentlichen Stellen arbeiten dabei in einem Netzwerk zusammen. Die Kooperation des städtischen BeauftragtenCenters mit der Zivilgesellschaft wird so im Sinne der Betroffenen nochmals intensiviert. Dadurch wird einerseits die Qualität der professionellen Hilfe, andererseits auch die Lebensqualität benachteiligter Menschen gehoben.“

Warum eine Antidiskriminierungsstelle?

Diskriminierung findet statt – auch wenn sie in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird. Der Antirassismus-Report von ZARA, ein zuverlässiges Barometer für einen Teilbereich von Diskriminierung in Österreich, weist 706 dokumentierte Fälle von Rassismus für 2011 aus.

Die Plattform für Menschenrechte dokumentiert im Rahmen ihres Monitorings seit Jahren eine Vielzahl von Diskriminierungsfällen, nachzulesen in den Salzburger Menschenrechtsberichten (Beispiele aus der Statistik 2010, 2011, 2012). Aber die Plattform für Menschenrechte konnte nur einen Bruchteil der Fälle auch wirklich bearbeiten. Allein von Jänner bis Juli 2012 waren es 13 bearbeitete Fälle: Darunter waren vier Fälle von Diskriminierung bei der Arbeitssuche, von der Kopftuch tragende muslimische Frauen betroffen waren, weitere ethnische Diskriminierungen bei Einstellungen bzw. Bewerbungen, mehrere rassistische Beschimpfungen im privaten Bereich, Zugangsbeschränkungen für „AusländerInnen“ in Salzburger Lokalen, ein Aushang in einem Lokal, der den Eintritt für „Zigeuner“ verboten hat.

Diskriminierung findet somit in vielfältiger Weise täglich auch in Salzburg statt. Menschen im Rollstuhl, die nicht überall barrierefreien Zugang haben, Jugendliche, die aufgrund ihrer Herkunft keinen Zutritt zu Diskotheken bekommen, respektlose Behandlung bei einer Behörde, sexuelle Belästigung und/oder Beleidigung am Arbeitsplatz sind weitere Beispiele davon. Auch andere Organisationen und Beratungseinrichtungen – unter anderen das städtische BeauftragtenCenter - sind laufend mit Fällen von Ungleichbehandlung konfrontiert.

„Diskriminierung kann wirklich jeden Menschen treffen. Diskriminierung geht uns alle an. Leider sind die Antidiskriminierungsbestimmungen der EU österreichweit in etwa 50 Bundes- und Landesgesetzen umgesetzt. In diesen Gesetzen gibt es unterschiedliche Schutzstandards, verschiedene Beratungsstellen und jeweils eigene Verfahren zur Rechtsdurchsetzung. Kein Wunder, dass sich viele Menschen – auch JuristInnen – nicht auskennen. Um die Chancengleichheit effizient zu fördern, gibt es einen hohen Bedarf an lokalen niederschwelligen Einrichtungen. Es ist wichtig, dass die Stadt Salzburg den Bedarf hier richtig eingeschätzt hat und ich freue mich sehr, dass der ´Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsbetroffenen` die Entstehung der niederschwelligen Antidiskriminierungsstelle in Salzburg begleiten kann“, so der Generalsekretär Mag. Volker Frey.

Wie kam es dazu

Die Stadt Salzburg hat vor vier Jahren die „Europäische Charta für den Schutz der Menschenrechte in der Stadt“ unterschrieben. Ein Meilenstein war die Einrichtung des Runden Tisches Menschenrechte als unabhängiges Gremium der Stadt. Dessen Arbeitsgruppe – Mag.a Daiva Döring (Integrationsbüro), Dipl.-Psych. Ursula Liebing (Plattform für Menschenrechte), Dr. Josef Mautner (Katholische Aktion), Rechtsanwältin Fatma Özdemir - hat zusammen mit dem Klagsverband und dem Verein ZARA das vorläufige Konzept der Antidiskriminierungsstelle ausgearbeitet. Dieses dient als Grundlage für die Arbeit der Pilotphase bis September 2013. In dieser Zeit wird außerdem der Bedarf an Beratung und Unterstützung dokumentiert, das Konzept erprobt und angepasst, um dann ein den Bedürfnissen der KundInnen entsprechendes langfristiges Angebot zu schaffen.

Grundsätze der Antidiskriminierungsstelle

Bei der Zielsetzung dieser Stelle sind für den Runden Tisch Menschenrechte folgende Punkte wesentlich:

• Erstens soll die Stelle – insbesondere in Hinblick auf verletzliche und sozial benachteiligte Zielgruppen – so niederschwellig wie möglich sein.

• Zweitens liegt der Arbeit ein möglichst breites Verständnis von Diskriminierung zugrunde, das über die bestehenden gesetzlichen Definitionen hinausweist. Grundlage der Antidiskriminierungsarbeit (AD-Arbeit) ist die Definition in Art. 21 der EU-Grundrechte-Charta, die alle Diskriminierungsgründe gleichrangig beinhaltet: „Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.“ Denn die AD-Stelle soll als Anlaufstelle den faktischen Bedarf abdecken und nicht nur gesetzliche Verpflichtungen erfüllen.

• Drittens wird nicht nur rechtliche Beratung, sondern auch soziale Begleitung und eine vernetzte AD-Arbeit geleistet – und zwar in enger Kooperation mit anderen Einrichtungen wie z.B. der Plattform für Menschenrechte oder dem BeauftragtenCenter der Stadt. Denn von Diskriminierung Betroffene brauchen nicht selten auch eine über die unmittelbare rechtliche Beratung hinausgehende Begleitung.

„Schließlich ist es wichtig, in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für Gleichbehandlung zu schaffen – die immer wieder eingehenden Meldungen über diskriminierende Zugangsbeschränkungen in Salzburger Gaststätten und Diskotheken zeigen das! – und so eine breit vernetzte AD-Arbeit zu einem Teil der öffentlichen Kultur in der Menschenrechtsstadt Salzburg zu machen.“, erklärt Dr. Josef Mautner, Vorsitzender des Runden Tisches Menschenrechte.

Antidiskriminierungsstelle im abz - haus der möglichkeiten

Kirche & Arbeitswelt, Mitglied der Plattform für Menschenrechte, gewann mit dem abz die Ausschreibung und ist Trägerorganisation der neuen AD-Stelle. „Das abz, seit Neueröffnung am 19.10. das ´haus der möglichkeiten´, ist eine überparteiliche Einrichtung, die seit ihrer Gründung 1989 überkonfessionell und religiös pluralistisch ausgerichtet ist. Hier kommen Menschen und Personengruppen zusammen, die weltanschaulich wie religiös verschiedenen Gruppierungen und Gemeinschaften angehören. Wir arbeiten im abz auch mit Menschen in sozialen Randsituationen, Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen, Menschen ohne Erwerbsarbeit, mit SeniorInnen, Kindern und Jugendlichen, Menschen mit Migrationshintergrund, Asylsuchenden und Flüchtlingen“, erläutert Mag.a Maria Sojer-Stani, Mitarbeiterin von „Kirche & Arbeitswelt“ der Katholischen Aktion Salzburg.

Von der im abz angestellten Beraterin DSA MMag.a Sieglinde Gruber werden nun alle Beschwerden – auch gefühlte Diskriminierungen – entgegengenommen. Diese können sowohl von direkt Betroffenen als auch von Dritten, die Diskriminierungen beobachten, eingebracht werden. Die Fachfrau prüft den Sachverhalt und entscheidet, ob die BeschwerdeführerInnen - auch in Begleitung - an bestehende Beratungsstellen verwiesen werden können. Fehlen einschlägige Beratungsstellen, wird sie die Hilfesuchenden selbst begleiten und unterstützen. Alle Fälle werden - mit Einverständnis der Betroffenen – von ihr in anonymisierter Form dokumentiert.

Vernetzung zu Beratungseinrichtungen, Betroffenen(Selbst-)Organisationen und Einrichtungen der Verwaltung sind weitere Aufgaben. Dabei geht es einerseits um einen gezielten Austausch hinsichtlich der Problemlagen von spezifischen Personengruppen und um die Analyse struktureller Ursachen. Andererseits geht es um die gemeinsame Sensibilisierung für mögliche Diskriminierungen. Diese Vernetzung soll die individuelle Beratungsarbeit der Stelle unterstützen, in der Vernetzung wird zugleich erhoben, wo es möglicherweise Beratungs- oder Interventions-Bedarf gibt.

Bisherige Aktivitäten der AD-Stelle

Bei der AD-Stelle sind in den vergangenen Wochen bereits 15 Anfragen eingegangen, die nun bearbeitet werden. Auch die Vernetzungsarbeit ist bereits angelaufen. Am 5.10.2012 fand, gemeinsam mit den ExpertInnen vom Klagsverband und vom Verein ZARA, der Auftakt-Workshop „Antidiskriminierungsarbeit in der Stadt Salzburg“ im Schloss Mirabell statt. VertreterInnen von Organisationen und Einrichtungen aus der Zivilgesellschaft sowie MitarbeiterInnen aus der Verwaltung tauschten sich über Diskriminierungserfahrungen ihrer KlientInnen und über Möglichkeiten der Zusammenarbeit aus.

Beratung im abz - haus der möglichkeiten und im BeauftragtenCenter der Stadt

Sieglinde Gruber ist per Telefon oder email erreichbar oder kann im abz - haus der möglichkeiten sowie im BeauftragtenCenter der Stadt Salzburg persönlich aufgesucht werden.

Beratungszeiten der Antidiskriminierungsstelle:
• abz – haus der möglichkeiten (Kirchenstraße 34): Mo 17-19, Di 11-13, Mi 14-18 Uhr
• BeauftragtenCenter, Schloss Mirabell, Eingang 5, Zi. 50: Do 16-19 Uhr

Tel. 0676/ 8746 6979
office@antidiskriminierung-salzburg.at
www.antidiskriminierung-salzburg.at
Beratung: DSA MMag.a Sieglinde Gruber, Vernetzung: Mag.a Maria Sojer-Stani


Gabriele Strobl-Schilcher