Rundherum ein Hingucker: Kunst-Litfaßsäulen in Salzburg

05.08.2015

In Salzburg sorgen insgesamt 258 Litfaßsäulen für aktuelle Infos aus dem Kulturleben im öffentlichen Raum. Fünf von ihnen stehen von 5. bis 28. August 2015 wieder ganz dezidiert im Dienst der Kunst:

Die Stadt Salzburg hat im Frühjahr 2015 zum zweiten Mal in Zusammenarbeit mit dem Kunstbeirat, der Progress Werbung und – heuer neu - der Kulturabteilung des Landes einen Wettbewerb zum Thema „Kunst-Litfaßsäulen“ ausgeschrieben. Künstlerinnen und Künstler waren dazu eingeladen, Werke speziell für die Präsentation auf Litfaßsäulen zu entwerfen. Eine Jury wählte fünf Projekte zur Umsetzung aus, die mit je 1.000 Euro gefördert wurden und von 5. bis 28. August auf Kunst-Litfaßsäulen ausgestellt sind.

• Brückenschlagen von Fiona Crestani
Litfaßsäule Giselakai 51-53
• 24 Raben von Katerina Drahosova & Gerhard Feldbacher
City-Light-Säule Schumacherstraße vor der Stadtbibliothek
• Leberkäsepilaster von Severin Hofmann
Litfaßsäule Franz-Josef-Kai 27
• You got me really interested von Isabella Kohlhuber
Litfaßsäule Franz-Josef-Straße 1
• The Protester von Olivia Wimmer
Litfaßsäule Franz-Josef-Kai 39


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Annoncier-Säulen als temporärer Ausstellungsraum
Angeregt wurde die Aktion für Kunst im öffentlichen Raum im Vorjahr vom Vorsitzenden des Kunstbeirates, Werner Thuswaldner, und Progress-Geschäftsführer Fred Kendlbacher, der die Plakatsäulen als Ausstellungsflächen zur Verfügung stellt.

Werner Thuswaldner erläutert die Entstehung und das Anliegen hinter dem Projekt Kunst-Litfaßsäulen folgendermaßen: „Der Berliner Drucker Ernst Litfaß machte die Erfindung vor mehr als 160 Jahren. Sie bewährt sich in der Werbewirtschaft bis heute und ist in all den Jahren ein wichtiges Element im öffentlichen Raum geblieben. Der Gedanke, die Litfaßsäule auch für die bildende Kunst zu nützen, ist nicht weit hergeholt. Denn ehrgeizige Gebrauchsgraphik konnte schon immer künstlerischen Anspruch erheben.

Bedeutende Künstler haben Plakate gestaltet. Das Attraktive für sie ist die Tatsache, dass mit dem künstlerisch gestalteten Plakat ein Publikum erreicht werden kann, das weit über den Kreis von Galeriebesuchern hinausgeht. Man kann mit Recht von Niederschwelligkeit sprechen. In diesem Sinn ist dem künstlerisch gestalteten Plakat gegen Ende des 19. Jahrhunderts – damals hatte man bereits begonnen, Plakate dieser Art zu sammeln – nicht zu unterschätzende kunstpädagogische Qualität attestiert worden. Von Überlegungen dieser Art ist auch die Initiative des Kunstbeirats der Stadt Salzburg zu verstehen.“

Dagmar Aigner, stellvertretende Leiterin der Kulturabteilung: „Den Vorschlag des Kunstbeirates haben wir gerne aufgegriffen, weil die Präsentation von Kunst und lokalen Künstlerinnen und Künstlern im öffentlichen Stadtraum ein wichtiges Anliegen auch im Sinne des Kulturleitbildes ist.“ Faszinierend sei zudem, dass ein Objekt der Werbung, das zum ganz normalen Alltag von Passanten gehört, vorübergehend eine andere Funktion bekomme – und zugleich auch nicht, weil die Litfaßsäulen während des Ausstellungszeitraums ja die Bildende Kunst per se bewerben.

Dietgard Grimmer, Referentin für Bildende Kunst in der Kulturabteilung des Landes: „Wir fanden diese Initiative der Stadt schon im Vorjahr sehr gelungen und freuen uns, dass wir heuer als Kooperationspartner dabei sein können.“ Spannend sei auch, welche Möglichkeiten die Künstlerinnen und Künstler im Umgang mit dem spezifischen Medium Plakatsäule entwickelt hätten.


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Daten & Fakten
Die Salzburger Kunst-Litfaßsäulen sind ein Projekt der Abteilung Kultur, Bildung & Wissen der Stadt Salzburg in Zusammenarbeit mit dem Kunstbeirat Salzburg, der Kulturabteilung des Landes Salzburg und der Progress Werbung. Die ausgewählten Projekte werden von der Abteilung Kultur, Bildung und Wissen der Stadt Salzburg und der Abteilung Kultur, Bildung und Gesellschaft des Landes Salzburg mit 1.000 Euro pro Plakatsäule für die Entwurfsgestaltung unterstützt. Drei Patronanzen übernimmt die Stadt, zwei weitere das Land Salzburg; die Kosten für die Ausführung der Werke im 16-Bogen-Format übernimmt die Progress Werbung.
Weitere Infos auf kultur.stadt-salzburg.at


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Die fünf prämierten Werke im runden 16-Bogen-Format

** Brückenschlagen von Fiona Crestani, Giselakai 51-53

Inspiriert durch die Nähe der Litfaßsäule zum russischen Konsulat sowie die Lage an der Brücke über die Salzach ist die Arbeit „Brückenschlagen“ entstanden. Aus miteinander verbundenen Seilen, die um die Säule gewickelt sind, entsteht auf einer Seite das Abbild der blau-gelben ukrainischen Flagge, auf der anderen Seite dasjenige der weiß-blau-roten russischen Flagge. Friedenssymbole verbinden die miteinander verwobenen Nationalflaggen.

** Vierundzwanzig Raben von Katerina D. Drahosova & Gerhard Feldbacher,

City Light Säule vor der Stadtbibliothek
Katerina D. Drahosova und Gerhard Feldbacher verwandeln die City Light Säule in der Schumacherstraße in eine gigantische Drehlampe, welche die fabelhaften Geschichten um den Untersberg illustriert. Geheimnisvolle Wesen umkreisen eine Sagenlandschaft, und sollen diesen magischen Ort wieder mehr ins Bewusstsein der Salzburger Bevölkerung rücken. Ein kryptisches Kalendersystem gibt Aufschluss über ein bevorstehendes Ereignis...

** Leberkäspilaster von Severin Hofmann, Franz-Josef-Kai 27

Severin Hofmann nutzt das Medium Plakatsäule, um ironisierend die tragende Rolle von Leberkäse als Säule unserer Gesellschaft ins Bild zu setzen. „Gerade in Salzburg, säulenmäßig ohnehin reich und auf höchstem Niveau ausgestattet, gilt er nicht zu Unrecht als Meister seiner Klasse.“ Das nahtlose Leberkäsmuster umschmeichelt die Litfaßsäule und täuscht in einer Art Trompe-l‘oeil-Technik nicht nur das Auge, sondern auch den Bauch.

** You got me really interested von Isabella Kohlhuber, Franz-Josef-Straße 1

„Das Erforschen und Sichtbarmachen (meta)sprachlicher und räumlicher Strukturen steht im Zentrum von Isabella Kohlhubers künstlerischer Praxis. Das Konzept Litfaßsäule, als konkreter Ausgangspunkt, wird sowohl als sprachlicher Werbe-, als auch Handlungsträger im öffentlichen Raum wahrgenommen. Abstrahiert werden geschulte Lese- und Wahrnehmungsmuster. (…) Kohlhubers "Plakate" bewegen sich zwischen Schrift und Bild, fließen vom Plakativen ins Konkrete. Sie verhandeln dabei etwas Unkonkretes, Unbewusstes: unsere beiläufige Wahrnehmung im öffentlichen Raum.“ (Markus Wait)

** The Protester von Olivia Wimmer, Franz-Josef-Kai 39

Die Fotografin Olivia Wimmer hat in Istanbul hundert Männer und hundert Frauen portraitiert, die in den Gezi-Protesten 2013 aktiv waren. Die Zahl der Abbildungen erschloss sich aus dem türkischen Wort „yüz“, welches zugleich „Gesicht“ als auch „hundert“ bedeutet. In einem digitalen Verschmelzungsprozess wurde „The Protester“ - die Demonstrantin und der Demonstrant - aus den einzelnen Durchschnittswerten generiert. Diese beiden Portraits sollen stellvertretend all denjenigen ein Gesicht verleihen, die von autoritären Regimen und Regierungen zum Schweigen gezwungen wurden und werden.


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Kurz-Biographien

Fiona Crestani
geboren in Christchurch (Neuseeland), lebt seit 1993 in Österreich. An der Universität Mozarteum absolvierte sie ein individuelles Diplomstudium mit den Fächern Bildhauerei, Textiles Gestalten und Werkerziehung. Regelmäßige Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen in Österreich und Deutschland. Arbeitsaufenthalte führten Fiona Crestani nach Sidney, New York, London, Tokyo, Paris und Yogyakarta (Indonesien). Seit 2014 Ausbildung im Bereich innovative Textilkunst und Webkultur an der Kunstuni Linz.

Katerina D. Drahosova
geboren 1988 in Tschechien. Erhielt ihre Ausbildung in Grafikdesign und Malerei an Kunstschulen in Tschechien, in Lüttich (Belgien) und zuletzt an der Kunst-Fakultät der Universität Ostrava (CZ). Ihre Werke werden seit 2010 in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in Tschechien, Deutschland und Belgien präsentiert.

Gerhard Feldbacher
geboren 1978 in Salzburg. Studierte Architektur an der TU Wien und an der Universität Ljubljana (SLO). In seiner Dissertation an der Liverpool School of Architecture und weiteren wissenschaftlichen Arbeiten setzt er sich seit 2006 vorwiegend mit der Erforschung und Entwicklung von mobiler Architektur auseinander. Gerhard Feldbacher lebt als Architekt und Bühnenbildner in Salzburg.

Severin Hofmann
geboren 1972, Publizistikstudium an der Universität Wien. Meisterklasse für Experimentelle Visuelle Gestaltung an der Hochschule für Gestaltung, Linz und Gründung des bureau WALLSTREET, Wien. 2001 Aufnahme als Mitglied der Künstler der Secession. 2003 Cité Internationale des Arts, Paris. Laufende Tätigkeiten als freischaffender Künstler. Ausstellungen und Produktionen in Europa und den USA im Bereich Foto, Video, Mixed Media, Installationen, Kunst im öffentlichen Raum und Bühnenbild.

Isabella Kohlhuber
geboren 1982, lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin in Wien. Ihre Ausbildung erhielt sie an der Graphischen Wien in der Klasse für Grafik- und Kommunikationsdesign, sowie an der Universität für angewandte Kunst, hier in den Meisterklassen von Adolf Frohner für Malerei und Brigitte Kowanz für Transmediale Kunst. Arbeiten von Isabella Kohlhuber werden regelmäßig in Galerien, Kunsthäusern und im öffentlichen Raum präsentiert.

Olivia Wimmer
geboren 1983 in Grieskirchen. Studierte Theater- und Filmwissenschaften sowie Arabistik an der Universität Wien und absolvierte anschließend an der Graphischen Wien den Lehrgang für Fotografie und audiovisuelle Medien. Mehrfache längere Auslandsaufenthalte führten sie u.a. nach Spanien, Syrien und in die Türkei. Seit 2001 arbeitet Olivia Wimmer als selbständige Fotografin.

Cay Bubendorfer