Frauenpreis 2009 an Ulrike Lienbacher und Irene Kar

04.03.2009

Die Irma von Troll-Borostyáni-Preise 2009 der Frauenbüros von Stadt und Land Salzburg werden am Donnerstag, 5. März um 16 Uhr im Museum der Moderne am Mönchsberg von Landeshauptfrau Gabi Burgstaller und Bürgermeister Heinz Schaden an die bildende Künstlerin Ulrike Lienbacher und an die Fotokünstlerin Irene Kar verliehen.

„Heuer werden bildende Künstlerinnen ausgezeichnet, die Frauenthemen in der Kunst zum Ausdruck bringen und herrschende Normen in Frage stellen“, erläutert Landeshauptfrau Gabi Burgstaller das diesjährige Motto. Der Preis ist mit je 1.500 Euro dotiert. „Es gab dieses Jahr mit 36 Nominierungen so viele wie noch nie. Die Vorschläge zeigten die große Vielfalt des kreativen Schaffens von Frauen in Salzburg“, sagt Bürgermeister Heinz Schaden zu den Einreichungen.

Die Jury bildeten Hildegund Amanshauser, Direktorin der Internationalen Sommerakademie Salzburg; Hildegard Fraueneder, Leiterin der Galerie 5020 Salzburg; Gertraud Steinkogler-Wurzinger, Genderbeauftragte der Universität Mozarteum; Birgit Mitterhumer-Zehetner, Büro für Frauenfragen und Chancengleichheit des Landes Salzburg und Alexandra Schmidt, Frauenbüro der Stadt Salzburg

Feministische Kunst – gibt es die?

Es gibt Stimmen, die betonen, es gäbe keine Unterscheidung zwischen weiblicher und männlicher Kunst, sondern lediglich gute oder schlechte Kunst an sich. Seit den 1970er Jahren beschäftigen sich allerdings Künstlerinnen und Theoretikerinnen mit Spezifika männlicher und weiblicher Kreativität und kommen zu dem Schluss, dass sich gesellschaftliche Strömungen immer auch in der Kunst abbilden. Insofern finden sich geschlechtsspezifische Zuschreibungen auch im Kunstbetrieb wie in der Kunst selbst wieder. Dies zeigt sich auf zwei Ebenen:

Zum ersten sind Frauen in der Kunstszene unterrepräsentiert. Künstlerinnen sind weniger häufig in Galerien zu finden, ihre Werke erzielen im Vergleich zu den männlichen Kunstschaffenden niedrigere Verkaufspreise und Frauen sind im Kunstbetrieb insgesamt weniger präsent als Männer.

Zum zweiten ist die Frage zu stellen, wie die Kunstwerke und das was sie darstellen entweder zur Verfestigung von Rollenzuschreibungen oder zur Infragestellung von Klischees beitragen. Dabei soll es aber nicht um Polarisierungen gehen wie: Täter/Opfer, gute Frau/böser Mann, aktiv/passiv, sondern um das Kunstwerk als Kritik an herrschenden Normen. Gefordert ist, dass das Kunstwerk eine Perspektive einnimmt, die auch Fragen der Geschlechterdifferenz zulässt.

Im internationalen Diskurs über Kunst geht es aktuell immer seltener um feministische Fragestellungen. Stattdessen ist eine Hinwendung zu genderspezifischen Aspekten feststellbar. Der Fokus richtet sich auf die Entstehung und Wirkung von Geschlechterdifferenzen und nicht mehr vorrangig auf sogenannte frauenspezifische Themen. Doch auch diese Diskussion fristet ein Schattendasein. „Es ist notwendig, die feministische Debatte in der Kunst zu beleben und mit der Genderfrage in der Kunst zusammen zu führen. Das ist auch die Absicht, die wir mit dem Motto „Frauen in der Kunst“ zum diesjährigen Frauentag verfolgen“, betonen die Frauenbeauftragten von Stadt und Land Salzburg, Dagmar Stranzinger und Romana Rotschopf.

Die Preisträgerin der Stadt Salzburg: Ulrike Lienbacher
Urike Lienbacher (geb. 1963) hat in den letzten 20 Jahren einen etablierten Platz in der österreichischen Kunstszene eingenommen. Nach dem Studium der Bildhauerei an der Hochschule Mozarteum Salzburg folgen eine ganze Reihe an Ausstellungen in Österreich, in der Schweiz und den USA (New York). Ulrike Lienbacher hat ihre Arbeit kontinuierlich weiter entwickelt und ein stringentes Werk geschaffen.

Zeitgemäße Darstellungen und Ausdrucksformen des Körpers prägen ihr Schaffen. Dabei bedient sie sich unterschiedlicher Medien, die aufeinander bezogen sind. Skulpturen, Zeichnungen, Installationen, Fotografie und Video fügen sich zu raumbezogenen Werkgruppen.

In ihren Werken ist der Körper Träger einer individuellen und soziokulturellen Geschichte. „In ihm zeigen sich die Wertigkeiten einer Gesellschaft. Der Diskurs über Hygiene und Gesundheit, der Umgang mit Schmutz und Sauberkeit, der Fitnesskult oder die Wellness-Welle, die über die Tourismusindustrie Europas geschwappt sind, sind Bezugspunkte, die ich interessant finde“, erläutert Ulrike Lienbacher ihre Intention.

Mit diesem differenzierten Blick auf gesellschaftliche Normierungen des Körpers und ihrer eindrucksvollen Darstellung regt die Künstlerin zur kritischen Reflexion an.

In Lienbachers Werk werden die gesellschaftliche Formung des weiblichen Körpers und seine Handlungsoptionen in Frage gestellt. In ihren künstlerischen Interpretationen eröffnet sie Handlungsräume um den vorherrschenden Normierungen entgegenzuwirken.

Die Jury erachtet Ulrike Lienbacher als herausragende Künstlerin, die gerade in ihrer feinen und lebendigen Darstellung ein besonders starkes künstlerischen Zeichen setzt.

Preisträgerin des Landes: Irene Kar
Irene Kar (geb. 1968) setzt sich in ihrer Arbeit als freischaffende Foto-Künstlerin in Salzburg seit zirka 10 Jahren kritisch, reflexiv und ironisch mit dem Thema Macht auseinander. Der öffentliche Raum und die Menschen, die ihn prägen, stehen im Mittelpunkt ihres Schaffens.

Unter öffentlichem Raum werden gewöhnlich Gebäude, Plätze, Grünflächen und das Wege- und Straßennetz verstanden. Für Irene Kar prägen den öffentlichen Raum jedoch in erster Linie die Menschen, die sich darin aufhalten. In der Verknüpfung von architektonischen Gegebenheiten mit der Präsenz von Menschen werden gesellschaftliche Verhältnisse sichtbar. Auffallend dabei sind die unterschiedlichen Qualitäten in Bezug auf die Präsenz von Männern und Frauen. In unterschiedlichen Fotoserien spürt sie den differenten Verhaltensweisen nach und erforscht mittels Fotografie die Selbstverständlichkeiten, mit der sich in erster Linie Männer – ob in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeiten oder in ihrem Freizeitverhalten – in urbanen Räumen bewegen und sich in diesen nicht nur visuell verorten.

„Irene Kar zeigt auf ihren Fotos Banker im Anzug, die selbstsicher mit Koffern auf der Straße stehen, junge Männer, die fast unbekleidet am Ufer eines Flusses rasten, eine Gruppe, die mit ihrem Spiel eine Wiese okkupiert oder Dachdecker, die mit nacktem Oberkörper arbeiten. Was diese Situationen verbindet, ist die Tatsache, dass die dargestellten Männer Selbstbewusstsein zeigen; sie finden es als natürlich, dass sie sich im öffentlichen Raum aufhalten.“

War die klassische Kunst tendenziell von einer Übermacht an Darstellungen von Frauen geprägt und wird diesen nach wie vor in der Werbebranche große Wirkmacht zugesprochen, so kommen in der Umkehrung und künstlerischen Pointierung hier die eigentlichen Machtverhältnisse zur Sprache, die die öffentlichen Räume, die öffentlichen Sphären prägen.
Die Fotokunst von Irene Kar zeichnet sich durch eine originelle und auch ironische Herangehensweise aus, ihr Werk stellt sich über ihren Schaffenszeitraum von rund 10 Jahren spannend und aufregend dar.

Festrede: Susanne Lummerding
Als Festrednerin referiert die renommierte Kultur- und Medienwissenschafterin Susanne Lummerding aus Wien. Ihre Rede trägt den Titel „Alternative Images? Zur Debatte – Feministische Kunst“. Musikalisch wird die Preisverleihung vom Jazz/Soul-Duo Ángela Tröndle begleitet.

Programm zum Internationalen Frauentag 2009

Am Internationalen Frauentag, dem 8. März 2009, gibt es um 10 Uhr eine Führung durch die Ausstellung von Nancy Spero „Woman as Protagonist“ (21.2. – 14.6.09) im MdM Mönchsberg. Spero wurde vor allem durch ihre feministische Position bekannt. Ihr Ärger über die Unsichtbarkeit und die mangelnde Wahrnehmung von Künstlerinnen im Kunstbetrieb und ihr politisches Engagement sind wesentlich für ihre Motivation. Sie hat großes Aufsehen erregt und betont, dass ihre Kunst als Protest bezeichnet werden kann. Ihr großes Anliegen ist der Kampf für die Befreiung des weiblichen Körpers und der weiblichen Sexualität.

Eintritt und Führung sind für Frauen kostenlos, Anmeldungen bis 6. März 2009 vormittags unter 0662/8072-2043. Den restlichen Tag über zahlen Frauen im MdM Mönchsberg nur den halben Eintritt (€ 4,-).

Im Anschluss an die Führung findet um 11 Uhr eine Diskussionsrunde zur Rolle von Künstlerinnen und Kunstwissenschafterinnen im Kulturbetrieb statt. Es geht bei dieser Kooperation zwischen EWMD (European Women´s Management Development International Network) und dem Verein der Freunde und Förderer des MdM Salzburg um aktuelle feministische Tendenzen in der Bildenden Kunst und die Veränderung im Selbstverständnis von Künstlerinnen seit den 1970er Jahren.

Troll-Borostyáni war die erste Salzburger Frauenrechtlerin

Irma von Troll-Borostyáni wurde am 31. März 1847 im Haus Griesgasse 4 in Salzburg geboren und gilt als die erste Salzburger Frauenrechtlerin. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte Irma Troll in Salzburg, wo sie geprägt durch die liberale und auf Selbstständigkeit abzielende Erziehung ihrer Mutter aufwuchs. Mit 23 Jahren fasste Irma Troll den Entschluss, Salzburg zu verlassen und so der beengenden Moral des Kleinstadtlebens zu entkommen. Sie "flüchtete" nach Wien, wo sie 1879 durch ihr erstes Buch "Die Mission unseres Jahrhunderts. Eine Studie über Frauenfragen" Protest, Aufsehen, aber auch Beifall erntete. Einige ihrer Hauptanliegen waren die Verbesserung der Rolle der Frau, das Frauenwahlrecht, der Kampf gegen die Prostitution und der Einsatz für den Zugang von Mädchen zu guter Ausbildung und für die Zulassung von Frauen zu Hochschulen.

1882 kehrte sie nach Salzburg zurück, durch Heirat lautete ihr Name nun Irma Troll-Borostyáni. In der Kleinstadtidylle Salzburgs wurde Troll-Borostyáni als Provokation empfunden. Einerseits sorgten ihre radikal-feministische Einstellung und ihr Engagement im "Salzburger Freidenkerverein" für Widerstand, andererseits stieß man sich an Troll-Borostyánis äußerer Erscheinung. Schon als junges Mädchen war sie als der "erste Bubikopf" in Salzburg bekannt und auch nach ihrer Rückkehr aus Wien trug sie ihr Haar betont kurz. Ihr Erscheinungsbild war maskulin – Masche, Hemd, Sakko – verstärkt durch die Tatsache, dass sie öffentlich Zigarren rauchte. Am 10. Februar 1912 verstarb die 65-jährige Irma Troll-Borostyáni an einem Gehirnschlag.

Rückfragehinweis
Frauenbüro der Stadt Salzburg, Telefon: 0662/8072-2045, Mail: frauenbuero@stadt-salzburg.at oder Büro für Frauenfragen und Chancengleichheit des Landes, Telefon: 0662/8042-4041, Mail: bff@salzburg.gv.at

Niedl, Stefanie (19365)