Klimafitte Stadt - Leitfaden Bauwerksbegrünung

Dienstag, 05.07.2022
Ausstellung Klimawandel-Anpassung in der Wolf-Dietrich-Halle

Stadträume sind im Hinblick auf die Auswirkungen des Klimawandels besonders sensibel. Darum ist die frühzeitige Anpassung an die Entwicklungen dringend erforderlich: Es gilt sowohl Maßnahmen zur Klimawandelanpassung und Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Stadt zu setzen, als auch selbst Klimaschutz zu betreiben. Die ressortzuständige Bürgermeister-Stellvertreterin Barbara Unterkofler und die Planungsabteilung setzen dabei auf wissenschaftlich fundierte und begleitete Methoden, auf praktisch anwendbare Information sowie auf die Verankerung der Maßnahmen für eine klimasensible räumliche Entwicklung durch entsprechende Regelungen.

Der nun vorliegende Salzburger Leitfaden zur Bauwerksbegrünung ist der jüngste Schritt einer Reihe von Maßnahmen im Sinne der Klimawandelanpassung, die unter der Ressortleitung von Bürgermeister-Stv. Barbara Unterkofler durch die Stadtplanung entwickelt wurden. Er wurde im Auftrag der Stadt Salzburg unter Federführung der MA 5/03 – Stadtplanung und Verkehr in Zusammenarbeit mit betroffenen Abteilungen und Ämtern durch die GRÜNSTATTGRAU Forschungs- und Innovations-GmbH in zwei Varianten erstellt: Die Kurzfassung bietet Grundlageninformation für alle Interessierten, die Langfassung bildet eine umfassende Wissensbasis, die insbesondere für Bauherrschaften und Planer:innen interessant ist.
In Kombination mit der im Vorjahr entwickelten „Grünflächenzahl“ als neue Kennzahl für Grünelemente in Bauverfahren sowie der Einbettung der Thematik in das neue REK stellt der Leitfaden zur Bauwerksbegrünung ein weiteres wichtiges Tool für wirkungsvolle Klimawandelanpassung zur Verfügung.

Parallel zur Publikation wird eine Informationsausstellung in der Wolf-Dietrich-Halle von Schloss Mirabell präsentiert: Sie bringt die Themen Klimawandel und Maßnahmen zur Anpassung durch Bauwerksbegrünung in konzentrierter Form mitten in die Stadt und zu den Bürger:innen.

Ressortchefin Vizebürgermeisterin Barbara Unterkofler betont: „Der Klimawandel findet statt. Mir ist es besonders wichtig, dass wir die Dinge nicht nur auf uns zukommen lassen, sondern jetzt aktiv handeln. Das ist unsere Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern von heute und vor allem gegenüber den nachfolgenden Generationen. Mit den wissenschaftlich erarbeiteten Methoden zur aktiven Verbesserung des Stadtklimas ist die Stadt Salzburg weiterhin österreichweite Vorreiterin in der Klimawandelanpassung.“

Begrünung in alle Richtungen – Salzburger Leitfaden zur Bauwerksbegrünung

Mit der zunehmenden Urbanisierung steigt der Druck auf eine zukunftsorientierte, klimaresiliente Stadtentwicklung, um die Lebensqualität in Städten zu sichern. Die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen nehmen zu und sind spürbar: u.a. Hitzetage und Tropennächte, Starkregenereignisse, Hagel, Unwetter werden mehr. Weil die Flächen der Stadt begrenzt sind, ist es umso wichtiger, in Ergänzung zu den bodengebundenen Grünflächen auch eine optimale Mehrfachnutzung an Gebäuden zu schaffen und diese mit erneuerbarer und nachhaltiger Infrastruktur (z.B. Solarpaneelen) zu verbinden.

Die Begrünung von Bauwerken stellt eine essentielle Maßnahme zur Anpassung an den Klimawandel dar. Denn ihre Potentiale umfassen ein großes Spektrum und nehmen u.a. positiven Einfluss auf die Biodiversität, das Mikroklima, das Regenwassermanagement und die Lebensqualität:

  • Stadt- und Mikroklima
    So sorgen Verdunstungsprozesse der Vegetation für Kühlung der Umgebung, Blätter wirken schalldämpfend und natürliche Verschattung verringert die Hitzeentwicklung. Durch die Bindung von CO2 sind Pflanzen zudem als „Luftreiniger“ wirksam.
  • Regenwassermanagement
    Gründächer können Regenwasser speichern, verringern dadurch Abflussspitzen und entlasten das Kanalsystem.
  • Gebäudeschutz
    Eine pflanzliche Gebäudehülle schützt gegen Verwitterung, wirkt dämmend und kann somit Sanierungs- und Wartungskosten senken.
  • Biodiversität
    Flora und Fauna finden Lebensraum und Rückzugsorte bei der Begrünung am Gebäude. Dach- und Fassadenbegrünungen stellen zudem Trittsteinbiotope für flugfähige Insekten im urbanen Raum dar.
  • Lebens- und Sozialraum
    Last but not least erweitert etwa ein Gründach die Aufenthaltsbereich im Freien und kann der Erholung dienen, zur Sport- und Spielfläche werden oder Platz für Urban Gardening bieten.

Die Stadt Salzburg setzt daher verstärkt auf Bauwerksbegrünungen in Form von Dach- und Fassadenbegrünungen als wichtigen Beitrag für eine lebenswerte Stadt. Diese bilden eine Ergänzung zu den Frei- und Grünflächen der Stadt sowie dem Erhalt des Baumbestandes.

Der Salzburger Leitfaden zur Bauwerksbegrünung vermittelt in seiner Kurzfassung nun einen Überblick zu den wichtigsten Themen der Dach- und Fassadenbegrünung für alle Interessierten. Die relevanten Grundlagen und Anforderungen der Stadt Salzburg werden zusammenfassend beschrieben. Die ausführliche Langfassung geht genauer auf Begrünungsformen, technische Details, Brandschutz, Pflegemaßnahmen, geltende Normen und Richtlinien ein und gibt grobe Anhaltspunkte zu den Kosten. Diese Version richtet sich insbesondere an Bauherr:innen und Planer:innen.
Beide Versionen sind auch als PDF zum Download verfügbar - Link am Seitenende.

Nachhaltige Stadtentwicklung - REK und Grünflächenzahl

Die Erhaltung bzw. Verbesserung eines lebenswerten Stadtklimas wird im neuen REK einen zentralen Stellenwert einnehmen. In diesem Zusammenhang wurde bereits eine Untersuchung der städtischen Hitzeinseln durchgeführt (ADAPT-UHI: Urban Heat Islands – Urbane Hitzeinseln). Und als neues Instrument, das auch für zukünftig ausreichende Durchgrünung der Stadt sorgen soll, hat die Stadtplanung im Vorjahr gemeinsam mit dem Institut für Landschaftsplanung der BOKU eine Methodik entwickelt, um die Grün- und Freiflächenqualität im Salzburger Wohnbau wissenschaftlich fundiert festzulegen: Die Grünflächenzahl (GrünFZ). Diese Kennzahl setzt die angerechneten Flächen der einzelnen urbanen grünen Infrastrukturelemente in Relation zur Bauplatzfläche, der Fassadenfläche und der Dachfläche.

Die Elemente (Dachbegrünung, Fassadenbegrünung, Freiflächen) werden dabei je nach ihrem ökologischen Effekt gewichtet. Für alle Bauvorhaben sollen Zielwerte der GrünFZ festgelegt werden; darüber hinaus wird die GrünFZ in stark wärmebelasteten Gebieten entsprechend höher festgelegt. Diese neue systematische Methode soll künftig bei jedem Bauverfahren zur Anwendung kommen. Derzeit wird die GrünFZ als planungsfachliche Vorgabe bei großen Bauvorhaben (über 2.000 m2 Bruttogeschoßfläche) als Bewertungsmaßstab angewendet.

„Mit der Grünflächenzahl gibt es erstmals eine Methodik, mit der Begrünungen auf Bauplatzebene wissenschaftlich fundiert und an der ökologischen Wirkung orientiert vorgeschrieben werden können“, resümiert Ressortchefin Barbara Unterkofler und betont: „Diese Methode führt außerdem zu einer Grünraumgerechtigkeit im Wohnbau, weil sie klar definiert, welchen Zielwert jedes neu entstehende Bauwerk erreichen muss.“

Fundierte Basis -  Kooperationen mit Forschung und Wissenschaft

  • Projekt Salzburg KanS
    Die EU hat sich zum Ziel gesetzt bis 2050 klimaneutral zu sein. Die Stadt Salzburg beschäftigt sich in diesem Zusammenhang bereits seit 2012 in ihrer Smart City Initiative intensiv mit nachhaltiger Entwicklung und setzt zur Erfüllung des Smart City Masterplans 2025 innovative Projekte um. Im Zuge des Projekts „Salzburg KanS“ unter Leitung des Salzburger Verkehrsverbund sollen alle bisher entwickelten Bausteine zur Erstellung eines Gesamtkonzepts zur Klimaneutralen Stadt herangezogen.

    Einen Schwerpunkt bildet dabei das „klimaneutrale Quartier“, das von der Stadt Salzburg beispielhaft im Zuge der Sanierung des Quartiers Südtiroler Siedlung ausgearbeitet wird. Dabei wird im Rahmen des Projekts ein CO2-Absenkpfad für die Stadt entwickelt. Salzburg KanS bietet die einmalige Gelegenheit die wichtigen Akteure der einzelnen klimarelevanten Sektoren zu aktivieren, um gemeinsam die Grundlagen für eine klimaneutrale Stadt zu schaffen und um die Klimaneutralität in neuer Tiefe und Verbindlichkeit in die Prozesse und Planungsgrundlagen der Stadt Salzburg einzubringen.
     
  • Herausforderungen für klimaverträgliche Stadtentwicklung und Forschungsprojekt ADAPT-UHI (Urban Heat Islands – Urbane Hitzeinseln)
    Die Stadtplanung ist mit der Aufgabe konfrontiert, wie im Planungsalltag mit den verfügbaren Instrumenten und Möglichkeiten wirksame Maßnahmen für eine klimaverträgliche Stadt festgelegt und umgesetzt werden können. Mit dem Räumlichen Entwicklungskonzept 2007, der Grünlanddeklaration und dem Smart City Masterplan hat die Stadt Salzburg bereits wesentliche Schritte für eine vorausschauende Planung gesetzt. Aktuell wird das REK neu erarbeitet. Durch die Teilnahme am Forschungsprojekt ADAPT-UHI (Urban Heat Islands – Urbane Hitzeinseln), das 2020 abgeschlossen wurde, erfolgte eine Überprüfung und Erforschung von zukünftigen Hitzeinseln der Stadt und mögliche Maßnahmen zu deren Abschwächung. Das Wohlbefinden der Stadtbevölkerung steht hier im Vordergrund.
     
  • GRÜNSTATTGRAU
    Die in Wien ansässige Forschungs- und Innovations-GmbH GRÜNSTATTGRAU ist eine ganzheitliche Kompetenz- und Netzwerkstelle für Bauwerksbegrünung für ganz Österreich. Neben Netzwerkpartnern aus der Wirtschaft und Wissenschaft kooperiert das Innovationslabor GRÜNSTATTGRAU auch mit Städten. Im Rahmen der Städtekooperation wurde für Salzburg in Zusammenarbeit mit der MA 5/03 – Stadtplanung und Verkehr das Konzept und die Inhalte für den Salzburger Leitfaden zur Bauwerksbegrünung erarbeitet.

    Das Kompetenzzentrum gibt Impulse, vernetzt Produkte und Projekte, liefert Know How sowie Analysen für die Praxis und wird die Stadt Salzburg auch weiterhin bei urbanen partizipativen Strategien bis zur Umsetzung begleiten.
     
  • Universität für Bodenkultur Wien (BOKU)
    Im Sinne einer frühzeitigen und aktiven Klimawandelanpassung hat die Stadtplanung im Zusammenhang mit der Erstellung des neuen Räumlichen Entwicklungskonzepts (REK) gemeinsam mit dem Institut für Landschaftsforschung der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) die neue Methodik der Grünflächenzahl (GrünFZ) entwickelt, um die Grün- und Freiflächenqualität im Salzburger Wohnbau wissenschaftlich fundiert festzulegen. Die GrünFZ ist für jedes neu entstehende Wohnbauvorhaben in der Stadt Salzburg anzuwenden.

    „Freiflächen und Bauwerksbegrünungen sollen ja nicht nur der schönen Optik dienen, sondern vor allem einen ökologischen Nutzen haben.“, stellt Planungsressortchefin Unterkofler klar. „Es geht darum, die Widerstandsfähigkeit der Stadt gegen den Klimawandel und damit auch die Lebensqualität der Menschen in Salzburg zu erhöhen. Deshalb war die Entwicklung einer Methodik so wichtig.“

Best Practice

  • CO2-neutral bauen und sanieren: Smart City Leuchtturmprojekt
    Friedrich-Inhauser-Straße

    Anhand der Wohnsiedlung Friedrich-Inhauser-Straße (erbaut von der Heimat Österreich in den 1980er Jahren) wurde eine umfassende Bestandssanierung und Nachverdichtung umgesetzt. Der energetische Zustand der Anlage war dem Baujahr entsprechend schlecht. Fehlende Barrierefreiheit, schlechte Belichtung, geringer Schallschutz zur westseitigen Bahn und Sanierungsbedarf bei Balkonen, Dächern und Feuchteisolierung machten umfassende Modernisierungsmaßnahmen sinnvoll.
    Als übergeordnetes Ziel wurde angestrebt, den CO2-Ausstoß der Wohnanlage durch eine Vielzahl von Nachhaltigkeitskonzepten zu reduzieren: ein Energiekonzept mit Abwärmepumpe und Wärmerückgewinnung aus Abwasser, eine Reduzierung der PKW-Nutzung durch ein gezieltes Mobilitätskonzept sowie den Einsatz innovativer und ökologischer Baustoffe.

    Die Optimierungen für die bauliche Umsetzung wurde für die Planungsphase mit dem klimaaktivGebäudestandard „Gold“ ausgezeichnet, das Gesamtprojekt in der Kategorie "Innovation und Stadt" mit demÖGUT-Umweltpreis 2020für herausragende technische und soziale Innovationen für Klima- und Umweltschutz ausgezeichnet. Als vorbildhaft beurteilte die Jury den Blick in die Zukunft mit der Vereinbarkeit der Ansprüche an städtische Lebensqualität und an Klimaschutz sowie die Lösung auf Quartiersebene.
     
  • Biodiversitätsdach im Gewerbebau: Raika Zentrallager
    Der Raiffeisenverband plant einen Neubau des Lagerhaus-Zentrallagers in Bergheim mit insgesamt 13.000 m2 Fläche. Nicht zuletzt auf Anregung der Stadt Salzburg und auf Basis intensiver Begleitung durch den Gestaltungsbeirat der Stadt Salzburg wird hier ein zukunftsweisender Gewerbebau entstehen:

    Gut die Hälfte der neuen Dachflächen ist als grünes Biodiversitätsdach konzipiert – das erste Biodiversitätsdach im Salzburger Stadtgebiet. Auf einer Substratbasis (12 bis 25 cm) sorgen Steine, Sand, Totholz, Kräuter und Pflanzen sowie unterschiedlich feuchte Zonen für ein Biotop, das Bienen, Insekten, Vögel und weitere Fauna beherbergen kann. Die zweite Hälfte der Dachfläche ist für eine Photovoltaik-Anlage vorgesehen. „Da geht es um eine wirklich eindrückliche Fläche, eine vorbildliche Lösung und einen Mehrwert für das kleinräumliche Klima“, bestätigt Dominik Bueckers, Experte für Freiraumplanung im Gestaltungsbeirat. „Eine wesentliche strukturelle Verbesserung durch die architektonische Gestaltung und beachtlicher Mehrwert durch die größte Biodiversitätsfläche, die bisher in Salzburg entsteht.“ Der Spatenstich zu diesem Projekt fand am Montag, den 4. Juli 2022 statt.

Zum Download: Salzburger Leitfaden Bauwerksbegrünung & Ausstellung "Klimafitte Stadt"

Cay Bubendorfer