Die Stadt Salzburg stellt sich aktiv ihrer NS-Geschichte
Die Vorarbeiten der Stadt Salzburg zur Aufarbeitung ihrer Geschichte während der NS-Zeit laufen seit Monaten auf Hochtouren. Ziel dabei: Entwicklung, Entfaltung und Nachwirkungen des Nationalsozialismus in der Stadt erstmals umfassend und quellenkritisch unter die Lupe zu nehmen. Am Donnerstag, 24. September, startet das große, bis ins Jahr 2015 angelegte Projekt mit einer hochkarätig besetzten Vortragsreihe in der TriBühne Lehen.
Bürgermeister Heinz Schaden: „Wir müssen uns dieser Zeit aktiv stellen. Es geht um eine höchst emotionalisierende Geschichte.“ Immer wieder seien dabei Fragen nach den komplexen Beziehungen zwischen Tätern, Opfern und Zuschauern zu stellen. „Weder Verdrängen noch Moralisieren ist hier gefragt“, so das Stadtoberhaupt. Nur eine faktennahe und quellenkritische Analyse könne die Bedingungen freilegen, die so viele Menschen mit dem NS-Regime verstrickten. Es geht darum, aufzeigen, wie sich eine menschenverachtende Diktatur im ganz „normalen“ Leben habe festsetzen können.
NS-Forscher Ernst Hanisch im Leitungsteam
„Für das Leitungsteam konnte mit Univ.-Prof. Dr. Ernst Hanisch einer der renommiertesten Forscher zur Geschichte des Nationalsozialismus in Österreich, ganz besonders in Salzburg, gewonnen werden“, freut sich der Bürgermeister. Hanisch setzte sich bereits in den siebziger Jahren mit der NS-Herrschaft auseinander (Frühgeschichte, „Anschluß“ usw.). Aus seiner Feder stammt auch die erste Monografie der Geschichte des Landes Salzburg in der NS-Zeit, die 1983 unter dem Titel „Nationalsozialistische Herrschaft in der Provinz“ erschien. Die zweite Auflage mit dem Titel „Gau der guten Nerven“ zählt längst zu den Standards.
Hanisch ist darüber hinaus Mitherausgeber weiterer Standardwerke zur Geschichte der NS-Herrschaft in Österreich (etwa: NS-Herrschaft in Österreich. Ein Handbuch, 2000). Auch Fragen der Entnazifizierung und der Bearbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus waren und sind ihm wichtige Thematiken (z. B. in: Das große Tabu 1987; gemeinsam mit Anton Pelinka und Erika Weinzierl).
Ernst Hanisch hält am 24. September ab 19 Uhr in der TriBühne Lehen den programmatischen Einführungsvortrag „Warum die Geschichte des Nationalsozialismus nicht vergeht“. Er verweist darauf, dass die wissenschaftliche Erforschung des Nationalsozialismus in der Stadt Salzburg erhebliche Defizite aufweist: „Da tut sich geradezu ein schwarzes Loch auf.“
Die erste Vortragsreihe
Am 1. Oktober beleuchtet Robert Hofmann die Vorgeschichte während der Zwischenkriegszeit. Am 15. Oktober erläutert Oskar Dohle unter dem Titel „Bomben, Böller, Propaganda“ den Aufstieg der NSDAP zur radikalen Massenbewegung. Anhand des Fotoarchivs des „Gaubildberichterstatters“ Franz Krieger zeigt Peter Kramml am 29. Oktober den „Anschluß“ als eine Chronologie in Bildern und Dokumenten. Audiovisuelle Materialien zum Jahr 1938 präsentiert am 12. November Johannes Hofinger bei „Für Führer, Volk und Vaterland“?. Ingrid Bauer beschäftigt sich am 26. November schließlich mit der NS-Herrschaft bis zum Kriegsbeginn, insbesondere dabei mit „Mobilisierung, soziale Versprechungen und Verfolgung“. (alle Details zu den diesjährigen Vorträgen siehe beigefügte Folder)
Mithilfe der Bevölkerung gefragt
Für Peter Kramml, Leiter des Hauses der Stadtgeschichte, der das Großprojekt in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Geschichte der Universität sowie ExpertInnen durchführt, ist es immens wichtig, dass die Salzburger Bevölkerung dabei mithilft.
Kramml: „Wir suchen Zeitzeugen, Tagebücher, Fotos, Materialien aus dieser Zeit. Wir sind dabei, im Internet (www-stadt-salzburg.at/ns-projekt) eine umfassende Datenbank aufzubauen.“ Dort findet sich zum Beispiel schon ein „Amtskalender der Gauhauptstadt“, der laufend ergänzt wird. Ebenso wie eine Bibliografie zur Geschichte des Nationalsozialismus in der Stadt Salzburg.
Themenfelder der nächsten Jahre
Nachzulesen sind im Netz auch die Themen der nächsten Vortragsreihen: Anno 2010 und 2012 werden sich die HistorikerInnen mit Alltag, Kultur und Schule im Nationalsozialismus auseinandersetzen. Die Vortragsreihe des Jahres 2011 stellt den Themenkomplex „Terror und Verfolgung“ in den Mittelpunkt. Die weiteren Thematiken widmen sich den Machtstrukturen im nationalsozialistischen Salzburg NS-Regimes und der nationalsozialistischen Stadtverwaltung. Die Vorträge werden jeweils im darauf folgenden Jahr publiziert.
Geplant sind überdies eine Ausstellung zum „Alltag im Nationalsozialismus“, Workshops und andere Begleitveranstaltungen im Haus der Stadtgeschichte.
Schupfer, Karl, Mag. (12112)