Gezielte Sprachförderung: Kindergärten als Bildungseinrichtungen
Jedes fünfte Kind vor Schulbeginn hat Sprachprobleme – teils sogar erhebliche! Gerade in der heutigen, leistungsorientierten Gesellschaft ist die „Sprache der Schlüssel zur Welt“ (Wilhelm von Humboldt, 1767-1835). Ohne die notwendigen sprachlichen Fähigkeiten und Kompetenzen sind die sich später bietenden beruflichen Möglichkeiten äußerst beschränkt. Es ist daher dringend notwendig, den Grundstein für eine gute sprachliche Ausbildung nicht erst in der Schule, sondern bereits im Kindergarten zu legen. „Kindergärten sind schon lange keine reinen ‚Aufbewahrungsstätten’ mehr, sie haben sich zu wichtigen frühkindlichen Bildungseinrichtungen entwickelt. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, werden wir in allen 33 städtischen Kindergärten die Sprachförderung nicht nur aufrechterhalten, sondern ausbauen und intensivieren. Insgesamt rund 175.000 Euro werden zusätzlich in die Maßnahmen fließen“, so der für die Kindergärten ressortzuständige Bürgermeister-Stellvertreter Martin Panosch.
Frühkindliche Bildung
In keiner Phase des Lebens lernen Menschen so viel und so intensiv wie in den ersten Jahren. Kinder sind von Geburt an neugierig, sie wollen mit all ihren Sinnen die Welt entdecken. Das Spielen ist dabei die wichtigste Form ihres Lernens, Begreifens und Äußerns. Deshalb muss Bildung schon frühzeitig beginnen. Panosch: „Frühkindliche Bildung darf aber nicht als eine ‚Verschulung des Kindergartens’, nicht als formaler Wissenserwerb gesehen werden, sondern als Anregung zum spielenden Lernen.“ Kinder lernen in Spielen soziales Verhalten, sie entwickeln körperliche Geschicklichkeit und lernen eine höchst komplexe Sprache. Bereits in der frühen Kindheit wird der Grundstein für das Lernen gelegt. Daher ist gerade in einer Gesellschaft, in der Bildung über die Möglichkeit zur Gestaltung des eigenen Lebens so wie über den Zugang zur Gesellschaft entscheidet, der Lernbeginn sehr wichtig. „Dass frühkindliche Bildung in Österreich noch nicht jenen Stellenwert hat, der dringend notwendig wäre, zeigen die Ergebnisse der vergangenen Pisa-Studien. Auch wenn der Kindergarten in Österreich spätestens seit der Einführung des bundesländerübergreifenden ‚BildungsRahmenPlans’ als eigene Bildungseinrichtung begriffen wird, der die Eltern in der Erziehung ihrer Kinder unterstützt, müssen hier weitere Anstrengungen zur Verbesserung unternommen werden.“
Sprachförderung als Kernaufgabe des Kindergartens
Bildung beruht auf der notwendigen Fähigkeit, die deutsche Sprache zu verstehen, zu sprechen, zu lesen und zu schreiben. Sprachkompetenz ist der Schlüssel für den Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe sowie zu einem selbstbestimmten und selbstständigen Leben. Panosch: „Viele Kinder haben heute aber nicht mehr die Möglichkeit, ausreichend komplexe Sprachstrukturen auf ‚normalem’ Wege zu erwerben, weil in ihrem Lebensumfeld die Vorbilder fehlen. Die Folge ist eine qualitative Abwärtsspirale in der Sprachfähigkeit.“ Daher kommt der Sprachförderung neben dem sozialen Lernen eine besondere Bedeutung zu. 95 Prozent der Kinder zwischen dem 3. und 6. Lebensjahr besuchen den Kindergarten. Dennoch hat österreichweit ca. jeder fünfte Schulanfänger Sprachprobleme. Um dem im eigenen Rahmen so gut wie möglich entgegen zu wirken, wird die Stadt Salzburg in ihren Kindergärten die frühkindliche Sprachförderung durch insgesamt sieben Maßnahmen intensiveren:
1. Externe Sprachförderung der 5-Jährigen
Neben der integrativen Sprachförderung durch die PädagogInnen selbst wurde zusätzlich noch externe Sprachförderungen angeboten. Durch Wegfall der Mittel aus der 15a-Vereinbarung zur sprachlichen Frühförderung stehen für die externe Sprachförderung der 5-Jährigen ab dem Kindergartenjahr 2011/12 keine Mittel des Bundes mehr zur Verfügung. Die Sprachförderung in Kleingruppen kann durch eigene PädagogInnen nicht im selben Umfang bzw. derselben Qualität durchgeführt werden. Es ist allerdings notwendig, dass die Förderung in Kleingruppen weiter aufrecht erhalten bleibt. Daher wird die Stadt die notwendigen finanziellen Mittel für die Sprachförderung im Kindergarten selbst aufbringen und einen Teil davon wieder extern beauftragen. Kosten pro Jahr rund 80.000 Euro.
2. Externe Sprachförderung der 3- und 4-Jährigen
Wenn die intensive Sprachförderung im Kindergarten früh genug beginnt, haben die Kinder im letzten Kindergartenjahr weniger bis teilweise gar keinen Nachholbedarf. Daher ist es notwendig, die bereits stattfindende externe Sprachförderung für die Altersgruppe der 3-4-Jährigen zu intensivieren. Die bereits vorhandenen 50.000 Euro werden daher um 30.000 Euro aufgestockt, um die frühe Sprachförderung dieser Altersgruppe in Kleingruppen zu verstärken.
3. Flächendeckende zusätzliche Sprachstandserhebung für 4-Jährige
Die flächendeckende Sprachstandserhebung der 5-Jährigen wird auf die Altersgruppe der 4-Jährigen ausgeweitet. Dies auch im Sinne einer Qualitätsverbesserung, um besser beobachten zu können, welche Fortschritte das jeweilige Kind in seiner sprachlichen Entwicklung macht.
4. PH-Lehrgang „Frühsprachliche Förderung“
Die Qualität der integrativen Sprachförderung durch die eigenen PädagogInnen muss auch künftig garantiert sein. So soll es auch weiterhin möglich sein, dass pro Jahr bis zu zehn PädagogInnen einen pädagogischen Hochschullehrgang „Frühsprachliche Förderung“ absolvieren können. Bei einem Lehrgang pro Kindergartenjahr fallen Kosten von 10.000–15.000 Euro an.
5. „Fit in den Kindergarten“ - Eingangsprojekt für neu eintretende Kinder
Unter dem Titel „Erziehungs- und Bildungspartnerschaft“ läuft seit Mai 2011 in einem Drittel der städtischen Kindergärten das Projekt „Fit in den Kindergarten“. Das Projekt sieht vor, dass für alle Eltern von neu eintretenden Kindern ein gemeinsamer Informationsabend abgehalten wird. Dem folgen drei Nachmittage für Eltern und Kinder, wobei die Kinder mit den PädagogInnen sowie ihrem künftigen Kindergarten vertraut gemacht werden. Durch die gleichzeitige Anwesenheit der Eltern im Kindergarten zu diesen drei Terminen kann der Fokus auf eine verstärkte Erziehungs- und Bildungspartnerschaft gelegt werden. Hier können die Eltern bereits im Vorfeld des KG-Eintrittes ihres Kindes verstärkt eingebunden werden – sowohl in Fragen der Kindererziehung als auch der unterstützenden Sprachförderung zu Hause.
„Fit in den Kindergarten“ soll im Wesentlichen zur Optimierung der kindlichen Entwicklungsbedingungen, zur Verbesserung der Kommunikation im Alltag und zur Schaffung einer Vertrauensbasis beitragen.
6. Ausweitung Rucksackprojekt
Sinnvoll und notwendig ist auch eine Ausweitung des sehr erfolgreichen Rucksackprojektes in dessen Rahmen Kinder fremdsprachiger Familien sowohl in ihrer eigenen Muttersprache als auch in der deutschen Sprache gefördert werden. Bislang beteiligen sich 16 städtische Kindergärten an dem Projekt, in den kommenden Jahren sollen alle 33 städtischen Kindergärten daran teilnehmen.
Die Ausweitung soll verstärkt im Rahmen des bereits erwähnten Projektes „Fit in den Kindergarten“ erfolgen. Der im Projekt für fremdsprachige Eltern und Kinder vorgesehene Nachmittag soll dazu verwendet werden, das Rucksackprojekt vorzustellen und den Eltern eine Teilnahme schmackhaft zu machen. Neben den ProjektansprechpartnerInnen werden auch andere LeiterInnen, welche das Rucksackprojekt bereits im eigenen Betrieb erfolgreich umsetzen, bzw. bereits aktive Stadtteilmütter eingebunden. Die Kosten für die Ausweitung betragen rund 50.000 Euro, so dass insgesamt 100.000 Euro für das Rucksackprojekt zur Verfügung stehen.
7. „Erziehungs- und Bildungspartnerschaft“ – Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Eltern und Kindergarten
Im Auftrag des Ressorts wurde in den vergangenen Monaten ein Konzept ausgearbeitet, welches Mindeststandards für die künftige Zusammenarbeit von Eltern und Kindergarten vorsieht. Unter dem Titel „Erziehungs- und Bildungspartnerschaft“ wurde bereits das erwähnte Kindergarteneingangsprojekt „Fit in den Kindergarten“ gestartet. Die erarbeiteten Mindeststandards werden sukzessive in allen Kindergärten im gleichen Ausmaß umgesetzt. Einen Schwerpunkt stellen dabei die sogenannten Entwicklungsgespräche zwischen PädagogInnen und Eltern dar, die verstärkt in den Kindergartenalltag eingebaut werden sollen. In diesem Bereich sind für die PädagogInnen spezielle Schulungen in der Kindbeobachtung geplant, da die ausführliche Beobachtung Voraussetzung jedes sinnvolle Entwicklungsgespräch ist. Angestrebt wird auch eine Verstärkung der Elternarbeit bei der im Kindergarten stattfindenden Beschäftigung mit Kindern im letzten Kindergartenjahr (Bsp. Aushang von Infos zur wöchentlichen Arbeit mit den „SchulanfängerInnen“, Ausgabe von Übungszetteln an die Eltern, Abhaltung von Elternabenden speziell zu den Themen „Schulreife“, „Übergänge bestmöglich gestalten“, usw…).
„Kindergärten sind keine Zuliefererbetriebe für Schulen, und Volksschulen sind keine ‚Abnehmer’ von Kindern, die vom Kindergarten ‚schulreif’ gemacht worden sind. Kindergärten und Volksschulen stehen in der gemeinsamen Verantwortung für die Förderung der Kinder und für einen erfolgreichen, fließenden und individuellen Übergang vom Kindergarten in die Volksschule“, so Panosch.
Rückfragen:
Dr. Jürgen Wulff-Gegenbaur
Pressesprecher Bürgermeister-Stellvertreter Dr. Martin Panosch
Büro: 8072–2941
Mobil: 0664/85 31 770
juergen.wulff-gegenbaur@stadt-salzburg.at
Sabine Möseneder