'EIN HAUS FÜR ALL` DIE ARMEN MÄNNLEIN UND WEIBLEIN'
"EIN HAUS FÜR ALL` DIE ARMEN MÄNNLEIN UND WEIBLEIN"
Bürgermeister Dechant präsentierte neues Buch des Stadt-Archivs
"Mit diesem Band hat das Archiv der Stadt nicht nur einen Teil der Geschichte Salzburgs aufgearbeitet, sondern auch ein sozialpolitisch bedeutsames Thema aufgegriffen." Das meinte heute, Dienstag, 22. September 1998, Salzburgs Bürgermeister Josef Dechant bei der Präsentation des Buches "Hundert Jahre 'Versorgungshaus' Nonntal" im Pensionistenheim Nonntal.
Vor genau hundert Jahren wurde das städtische Seniorenheim in der Karl-Höller-Straße eröffnet. Zum Jubiläum hat das Archiv der Stadt jetzt ein Buch publiziert, das die Geschichte dieses Hauses aufarbeitet. Auf den 400 Seiten behandeln die zehn Autorinnen und Autoren aber auch ausführlich die Entwicklung der Armen- und Altersversorgung in der Mozartstadt und Zukunftsperspektiven zum immer höheren Seniorenanteil in der Bevölkerung. "Wir haben das Thema bewußt weit gefaßt", sagt Archivleiter und Co-Herausgeber Erich Marx, "denn Fragen an die Geschichte sind auch immer Fragen an die Gegenwart".
Alt und mittelos zu sein - das war früher in der Stadt Salzburg wahrlich kein Honiglecken. Wer kein eigenes Vermögen besaß, driftete unweigerlich in die Armut. Jahrhundertelang waren kranke und alte Menschen deshalb auf die wohlwollende Unterstützung aus Armenfonds angewiesen. Die schöpften ihre Mittel aus Spenden reicher Bürger, Stiftungen oder Geldern der Stadt. Je nachdem, ob
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Bürger der Stadt oder nur "Inwohner", Dienstbote kirchlicher Einrichtungen oder ärmster Obdachloser, waren diese Menschen in den alten "Versorgungshäusern" Bürgerspital in der Altstadt, Bruderhaus in der Linzergasse, Erhardspital im Nonntal oder im Kronhaus in der Getreidegasse untergebracht - meist mehr schlecht als recht. In einem für damals revolutionären Akt führte man diese Häuser durch einen Neubau zusammen. 1896 erfolgte der Spatenstich in Nonntal. Damals eine Vorstadt im Grünen, hatte sich dieser Standort gegen den - heftig diskutierten - Bau des neuen Hauses hinter dem Hexenturm an der Paris-Lodron-Straße durchgesetzt.
Schon im Herbst 1898 wurden die nach Plänen von Architekt Franz Drobny errichteten "Vereinigten Versorgungsanstalten" ihrer Bestimmung übergeben. Mehr als 800.000 Kronen kostete die imposante neue "Humanitätsanstalt", wie sie die lokale Presse voll des Lobs nannte. Sie schrieb: "Ein Haus für all´ die armen Männlein und Weiblein, die sich ihr Leben lang abgerackert haben" und: "Wer dieses neue Denkmal der Humanität und des Culturfortschrittes je betreten hat, wird überzeugt sein, daß es nirgends ein Heim gibt, in welches das Alter nach einem Leben voll Arbeit seine letzten Lebenstage so behaglich verbringen kann." 268 "Pfleglinge" übersiedelten ins neue Haus. Im neuen "Versorgungshaus" - diese Kurzform bürgerte sich bald ein - konnte man sich aber nicht
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einfach auf die faule Haut legen. Wer körperlich dazu in der Lage war, mußte in der hauseigenen Landwirtschaft und den Werkstätten mithelfen.
Entsprechend den Vorgänger-Institutionen war der Gebäudekomplex der "Vereinigten Versorgungsanstalten" in drei Bereiche geteilt: Der Bürgerspitaltrakt im südlichen Teil des Hauses war Salzburger Bürgern vorbehalten. Im Westtrakt wohnten die die früheren Bewohner des Erhardspitals und des Bruderhauses. Den "Kommunstüblern" des Kron- und Bruderhauses blieb der Nordtrakt. Die Trennung schlug sich auch bei der Kost nieder: Drei verschiedene Küchen versorgten die Heiminsassen entsprechend ihrer sozialen Stellung mit Mahlzeiten unterschiedlicher Qualität. Erst ab 1922 gab es für alle Essen in gleicher Qualität. Allmähliche Verbesserungen des Wohnstandards, der Verpflegung und der medizinischen Betreuung verwandelten das "Versorgungshaus" schließlich in das "Seniorenheim Nonntal". Dort ist heute Ergotherapie ebenso selbstverständlich wie die umfassende medizinische Betreuung im Pflegetrakt.
Rund 30.000 Seniorinnen und Senioren leben heute in der Stadt Salzburg. Für sie und ihre Angehörigen haben die Stadt Salzburg und ihre Partner ein dichtes Netz an sozialen Einrichtungen geschaffen, die das Leben wesentlich erleichtern helfen. Sie alle präsentieren sich am 28., 29. Und 30. September 98 bei Tagen der offenen Tür, an denen sich ältere Menschen und ihre Familien, aber auch zukünftige
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Senioren einen Überblick über die vielfältigen Angebote in der Stadt Salzburg verschaffen können. Das Detailprogramm stellt Senioren-Stadtrat Josef Huber kommenden Freitag, 25. September 98, bei einem eigenen Pressegespräch vor. Nähere Informationen dazu folgen.
Thomas Weidenholzer, Erich Marx (Herausgeber): Hundert Jahre "Versorgungshaus" Nonntal. Zur Geschichte der Alters- und Armenversorgung der Stadt Salzburg. 400 Seiten, 89 Schwarzweiß- und Farbabbildungen. Um 298 Schilling im Buchhandel und im Archiv der Stadt, Fürbergstraße 47.
Info-Z/Helpferer-Fotos gehen den Redaktionen heute mittag zu. Im Bild: Archiv-Leiter Erich Marx (r.), Bürgermeister Dechant und Archiv-Mitarbeiter und Co-Herausgeber Thomas Weidenholzer.
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