Mahnmal für Faschismus-Opfer: Präsentation des Siegerprojektes
Die Jury hat entschieden
Das Siegerprojekt für ein Antifaschismus-Mahnmal am Salzburger
Bahnhofsvorplatz steht seit den Abendstunden des 9. April 2002 fest. Heute,
Mittwoch 10. April, lud Bürgermeister Heinz Schaden zur Präsentation des
Projekts in die Galerie 5020. Mit der Realisierung soll umgehend begonnen
werden, so Bürgermeister Schaden beim Pressegespräch. Der Prozess, der der
finalen Entscheidung voran ging, begann bereits Ende 1999.
Was bisher geschah
Im Dezember 1999 hatte der Gemeinderat der Stadt Salzburg den Grundsatzbeschluss
zur Errichtung eines Mahnmals für die Opfer von Faschismus und
Nationalsozialismus auf dem Salzburger Bahnhofsvorplatz gefasst. Zur Ausführung
dieses Beschlusses bereitete das Kulturamt dann einen zweistufigen Wettbewerb
vor, der im Sommer 2001 beschlossen und ausgeschrieben wurde.
In der ersten Wettbewerbsphase wurde international zur Einreichung
von Ideen eingeladen. Die Jury (Vorsitz Dr. Barbara Wally) trat am 5. und 12.
Dez. 2001 zu zwei ganztägigen Sitzungen zusammen und wählte aus den von 360
Künstlerinnen und Künstlern aus 20 Ländern eingereichten Ideen fünf Projekte
aus, die ihr für eine Realisierung am besten geeignet erschienen.
Auf Einladung von Bürgermeister Heinz Schaden stellten Waltraud Cooper
(Wien), Julius Deutschbauer und Gerhard Spring (Wien), Bernd Haslauer
(Salzburg), Stefanie Unruh (München) und Heimo Zobernig (Wien) am 23. Jänner
2002 ihre Entwürfe für das Mahnmal vor.
Bis 2. April 2002
hatten die AutorInnen dieser fünf ausgewählten Entwürfe die Ausarbeitungen in
einer präsentationsfähigen Form einzureichen. Die Projekte (Plakate,
Modelle, Objekte, Videos und Computer-Präsentationen) wurden in der Galerie
5020 aufgebaut, wo die Jury am 10. April 2002 zur abschließenden Sitzung
zusammen trat.
Am Vormittag hatten
dabei zunächst die KünstlerInnen die Möglichkeit, der Jury ihre entwickelten
Arbeiten zu präsentieren und offene Fragen zu beantworten.
Am Nachmittag
beriet dann die Jury und kam nach eingehender Erwägung verschiedener Aspekte
wie ästhetische Qualität, Wirkung, Relation zum Umfeld, Aussagekraft, Virulenz,
Akzeptanz, konstruktive und bautechnische Gesichtspunkte u.a. am Abend zum
abschließenden Ergebnis.
Die Bewertung und
Begründung der Jury
Die Einzelskulptur
von Heimo Zobernig (Wien) wurde als bestes Projekt vor den Arbeiten von
Julius Deutschbauer/Gerhard Spring (Wien) und Bernd Haslauer, Salzburg (ex
aequo an zweiter Stelle gereiht), Stefanie Unruh (München) und Waltraut Cooper
(Wien) beurteilt.
Heimo Zobernig
wählt die architektonische Form einer "Hütte" aus Beton, bestehend
aus einer Bodenplatte und einer Deckplatte, die von 3 Pfeilern getragen wird.
Der vierte Pfeiler fehlt und bricht damit die Wahrnehmung der Statik der
Konstruktion. Einen zweiten Bruch stellt ein stilisierter Kopf (aus patinierter
Bronze) dar, der zwischen Deckplatte und einem der drei Pfeiler angebracht ist.
Er verweist auf die
figurative Tradition antifaschistischer Denkmäler, evoziert aber auch einen
Verfremdungseffekt zu dem modernistischen Rasterparadigma, das durch das
Stahlbetonskelett des Denkmals und die architektonische Umgebung des
Bahnhofsplatzes den Ort bestimmt. In die Unterseite der Deckplatte ist der
Widmungstext der Ausschreibung eingearbeitet.
Die Jury zeigte
sich von der hohen skulpturalen Qualität des Projekts beeindruckt, die eine
Vielfalt an Interpretationsmöglichkeiten in einfacher und doch verdichteter
Form enthält: ein Ort zum Warten wie zum Durchqueren als zum Kommunizieren (Agora),
der zugleich unauffällig ist und doch verstört und damit zum Fragen und zum
Nachdenken anregt.
Je näher man dem
Mahnmal kommt, desto irritierender wird es durch die gegenüber einer
"normalen" Struktur weggelassenen Elemente. In der Nähe zieht der Kopf
den Blick auf sich, der das Denken als "Eckstein" für jegliche, auch
gewalttätige Strukturen sinnenfällig macht. Er ist abstrakt gestaltet und daher
- weil weder als Frau oder Mann oder jung oder alt zuzuordnen - als
archetypisch menschlich zu lesen und daher geeignet, für jede Opfergruppe zu
stehen. Weiter lenkt er in der Fortsetzung die Augen auf die in die Unterseite
der Deckplatte eingelassene Schrift, die die Intention des Mahnmals berichtet,
ohne dass das Mahnmal auf weitere erzählerische Elemente angewiesen wäre.
Das Mahnmal geht
nach Ansicht der Jury auch in souveräner Weise auf die architektonisch harte
Umgebung ein, indem es sie aufnimmt und doch konterkariert, indem es weder
zentral noch symmetrisch positioniert ist. So entsteht ein Raum, der bei aller
vordergründigen Banalität doch als der von der Ausschreibung geforderte Ort des
Gedenkens dienen kann und vielleicht dazu auch sakrale Konnotationen
beizubringen vermag.
Diskutiert wurde in der Jury zum einen die Dimension des Projekts, die ursprünglich
größer gedacht war und darin für manche überzeugender erschien. Eine weitere
Anfrage betraf die Nähe zur "arte povera", die aber von der
Jury-Mehrheit als durchaus künstlerisch legitimes Zitieren bewertet wurde.
Die Vorgeschichte im Detail
Bereits die Wettbewerbsausschreibung für die
Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes im Jahr 1986 enthielt den Punkt
"Errichtung eines Denkmals für die Opfer des Faschismus".
Der Gemeinderat der Stadt Salzburg beschloss am 29. März 1989 das Projekt des
Kölner Architekten Prof. Schürmann mit dem darin enthaltenen
Antifaschismus-Denkmal. Die in diesem Zusammenhang relevanten Passagen lauten:
"....Endlich in der Mitte dann
der eigentliche Kern des Platzes, der ausschließlich den Fußgängern vorbehalten
ist. Hier entsteht ein Platz im eigentlichen Sinn, er ist mittig auf den
Bahnhof bezogen, sein Karree ist frei von jeglichen Aufbauten, es gibt keine
Wartehäuschen, Verkehrsschilder oder Haltemasten für O-Bus-Leitungen. Es ist
ein steinerner Platz...
Das Ganze wird ein sonniger Platz sein. Wenn Menschen diesen Platz beleben, was
bei dem gebündelten Ziel- und Quellverkehr ja sicher ist, entsteht ein
freundlicher Stadtplatz, seine Ordnung steht im Kontrast zu dem Antifaschismusdenkmal,
das nach unserem Vorschlag seinen Standort auf dem baumbestandenen Platz im
Westen finden sollte. Dieses Denkmal umgibt ein offenes Karree aus in
regelmäßigem Abstand gepflanzten Platanen..."
Gegen die Fertigstellung des Bahnhofsvorplatzes zu konkretisierte der
Gemeinderat am 15. Dez. 1999 diese Absicht mit dem Grundsatzbeschluss, dass auf
dem Bahnhofsvorplatz (Südtirolerplatz) ein Antifaschismus-Mahnmal errichtet
werden soll.
In Ausführung dieses Beschlusses bereitete das Kulturamt einen
zweistufigen internationalen Wettbewerb vor, den der Gemeinderat am 4. Juli
2001 beschloss und mit ATS 2 Mio für das Mahnmal und S 500.000 für Wettbewerb
und Organisation dotierte.
Intention und Rahmenbedingungen des Wettbewerbs
Das Antifaschismus-Mahnmal auf dem Salzburger Bahnhofsvorplatz
(Südtirolerplatz) soll zwei Aspekte künstlerisch gestalten:
Die Stadt Salzburg
bekennt und betrauert, dass auch hier Verbrechen des Nationalsozialismus
geschehen sind und BürgerInnen dieser Stadt sich daran mitschuldig gemacht
haben. Opfer dieser Barbarei waren vor allem Juden, psychisch Kranke und
Behinderte, Sinti und Roma,
WiderstandskämpferInnen, DissidentInnen, KünstlerInnen, Homosexuelle und andere
Minoritäten sowie Kriegsgefangene und ZwangsarbeiterInnen.
Die Erinnerung an
diese dunklen Jahre ist zugleich Verpflichtung zu einem "Nie wieder".
Ein Leben in humaner Würde beruht auf den Prinzipien der Demokratie und der
Menschenrechte, der Toleranz und der Rechtsstaatlichkeit, der Solidarität und
der Nachhaltigkeit. Diese Grundsätze sind allerdings nicht selbstverständlich,
sondern müssen gegen den Ungeist eines heute wieder verstärkt zu beobachtenden
virulenten Alltagsfaschismus wachsam verteidigt und immer wieder neu aktiv
errungen werden.
Das Andenken der
Opfer von gestern zu ehren heißt sich heute aktiv gegen alle Formen des
Faschismus und für die Wahrung von Menschenwürde und Menschenrechten zu
engagieren.
Das Mahnmal soll im Bereich des "Hains" des Bahnhofsvorplatzes
errichtet werden und derart gestaltet sein, dass ein geeigneter Raum für
privates wie öffentliches Bedenken entsteht. Das Mahnmal selbst kann
Textelemente enthalten oder auch nicht; jedenfalls sind erläuternde Texttafeln
im Gesamtkonzept vorzusehen. Das Gesamtkonzept muss daher neben dem Entwurf des
Mahnmals selbst auch platzgestalterische Überlegungen enthalten. Die
Gesamtkosten des Mahnmals dürfen brutto ATS 2 Millionen (EUR 145.345,67) nicht
überschreiten.
Fotos (digital
in Druckqualität) können ab sofort im Info-Z, Tel. 8072 - 2501, angefordert
werden!
MD01 - Service und Information