Filmpremiere und Stadt:Dialog: Es gibt viele Wege aus der Armut

22.01.2016

Der Salzburger Dokumentarist Kurt Bauer, der gerade mit dem Journalismuspreis der Armutskonferenz („von unten“) ausgezeichnet wurde, präsentierte am Dienstag seinen neuen Film über die Situation der Roma im ungarischen Dorf Sajókaza. Im Anschluss gab es eine Podiumsdiskussion mit dem Filmemacher, Johannes Dines von der Caritas Salzburg, Kurt Krammer vom Buddhistischen Zentrum Salzburg und Ursula Liebing, die die Plattform für Menschenrechte und den Runden Tisch Menschenrechte vertrat. Das Gespräch moderierte Birgit Buchinger, Solution – Sozialforschung & Entwicklung.

„Im Monat der Vielfalt der Stadt Salzburg machen wir auf die Buntheit der SalzburgerInnen aufmerksam und sprechen über Herausforderungen in unserer Stadt. Die Sichtbarkeit der Armut ist mit den Notreisenden längst in Salzburg angekommen. Ich bin Kurt Bauer sehr dankbar, dass er hartnäckig genug war und zum zweiten Mal einen Film über die Situation der Menschen, die nach Salzburg betteln kommen, gedreht hat. Er schaut dorthin, wo niemand hinschauen will. Auf ein nächstes Filmprojekt bin ich schon sehr gespannt“, gratulierte Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer dem Preisträger.

Die Dokumentation von Kurt Bauer und Kurt Krammer schildert nicht nur die schwierige Situation der Roma in Osteuropa, sondern erzählt zugleich packend, welch große Rolle die Dr.-Ambedkar-Schule im Leben der jugendlichen Roma spielt.

Ein Weg aus der Armut: Dr.-Ambedkar-Schule in Ungarn

„Die Neugierde und das Interesse für notleidende Menschen haben mich zum Film motiviert. In Sajókaza habe ich schockierende Bilder von Ausgrenzung und Ausweglosigkeit gesehen, aber auch Menschen getroffen, die trotz dessen nicht verzweifeln und ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Widerstandsfähigkeit und Kreativität in Umgang mit ausweglosen Situationen können wir von ihnen lernen“, erzählte Kurt Bauer über seine Beweggründe und Erfahrungen in Ungarn.

Nach Sajókaza ist er mit Kurt Krammer vom Buddhistischen Zentrum Salzburg gereist, welches dort die Dr. Ambedkar-Highschool unterstützt. Was sie dort finden, sind Geschichten von Menschen, die ohne Perspektiven leben. Seit der Kommunismus und die Kohleindustrie zusammengebrochen sind, leben Roma ausgegrenzt am Rande des Dorfes ohne Zugang zu Leitungswasser, arbeitslos und in bitterer Armut. Die meisten Kinder und Jugendliche besuchen keine weiterführenden Schulen, weil sich die Eltern das nicht leisten können. Um überhaupt überleben zu können, sind die Erwachsenen gezwungen, sich auf den Weg in die reichen Städte Europas, darunter auch Salzburg, zu begeben, um durch das Betteln zu überleben.

„Seit ich die Situation der Menschen in Sajókaza kenne, habe ich mehr Verständnis für bettelnde Menschen in Salzburg. Diese Hoffnungs- und Perspektivenlosigkeit hat mich sehr getroffen. Von diesen Menschen kann man viel lernen – sie sind sehr kreativ im Umgang mit schwierigen Situationen und vor allem wissen sie selbst, was sie brauchen. Oft ist es auch nicht Geld, sondern ein offenes Ohr und Information. Mich kümmert die Korruption in Osteuropa, Afrika oder Österreich nicht – das ist mir zu hoch, sondern die Frage nach meiner eigenen Verantwortung hier und jetzt“, erzählte Kurt Krammer über seine Beweggründe, die Dr.-Ambedkar-Schule in Sajókaza zu unterstützen. Diese Schule ist ein Hoffnungsschimmer für junge Roma, um aus der Armut rauszukommen und selbstbestimmt zu leben.

Weitere Wege aus der Armut: Projekte in Bulgarien

Am Podium wurde auch ein Kooperationsprojekt der Plattform für Menschenrechte im Stadtteil Stolipinovo von Plovdiw, der zweitgrößten Stadt Bulgariens, vorgestellt. Stolipinovo hat sich seit dem Zusammenbruch des Kommunismus zu einem sehr großen Ghetto von (überwiegend türkischsprachigen) Roma (ca. 60.000 Personen) entwickelt. Die Plattform für Menschenrechte kooperiert mit der Roma-Selbstorganisation „Roma Foundation“ in Stolipinovo. Das Projekt setzt es sich zum Ziel der Segregation der Roma im Schulbereich entgegenzuwirken, ein Community-Radio aufzubauen, Anti-Diskriminierungsarbeit in Stolipinovo sowie die Menschenrechtsorientierung in der Stadt Plovdiv im Rahmen der Kulturhauptstadt zu stärken.

„Die Ausgrenzung und Diskriminierung der Roma in Stolipinovo bzw. in Bulgarien ist erschütternd. Man kann hier von einem vollkommenen Staatsversagen sprechen. Es braucht dort dringend wirksame Maßnahmen gegen Diskriminierung und Ausgrenzung, um die Situation dieser Menschen zu verbessern. Aber auch in Salzburg ist es wichtig, die Rechte der Menschen zu respektieren, die hierher kommen, um die Mittel für ihren Lebensunterhalt zu finden und nicht die Ausgrenzung in Salzburg fortzusetzen. Auch wenn Menschen arm sind, haben sie ihre Würde und ihre Rechte nicht verloren, und sie haben das Recht auf einen entsprechenden Umgang“, appellierte Ursula Liebing für einen respektvolleren Umgang mit bettelnden Menschen.

Unterstützung in Salzburg

Die Caritas Salzburg engagiert sich sehr in der Unterstützung der Notreisenden: in der Notunterbringung, Streetwork, Beratung und Sprachkurse. Caritas-Direktor Johannes Dines bedankte sich zunächst bei allen Organisationen, öffentlichen Stellen und Politik, die sich für diese Menschen engagieren und Verbesserungen für bettelnde Menschen in Salzburg erwirkt haben. Im Moment gibt es in der Stadt Salzburg zwei Notschlafstellen für 50 Personen. „Diese Menschen werden auch weiterhin zu uns betteln kommen, um zu überleben, bis sie in ihrer Heimat eine Perspektive bekommen. Arme Menschen haben leider sehr wenig Lobby. Es wäre wichtig, dass sich alle Menschen für Andere in Not engagieren würden: sowohl in Herkunftsländern, als auch hier in Salzburg. Verantwortung selbst in die Hand zu nehmen lernen die jungen Roma in Dr.-Ambedkar-Schule. Selbstverantwortung für friedliches und gleichberechtigtes Zusammenleben trägt jede Person. Was kann ich selbst für die Verbesserung der Situation der Menschen in Not hier und jetzt tun? Vielleicht ist diese Frage der Anfang für Armutsbekämpfung von morgen. Es gibt keine einfachen Lösungen und nur wir alle gemeinsam können Verbesserungen erwirken. Am besten bei uns selbst anfangen und sich fragen tun wir selbst genug?“, so Johannes Dines von der Caritas Salzburg.


Der „Monat der Vielfalt“ ist eine Initiative des BeauftragtenCenters der Stadt Salzburg. Bei rund 30 Veranstaltungen kann diskutiert, gelacht, gefeiert und analysiert werden. Das BeauftragtenCenter - der gesellschaftspolitische Think Tank im Magistrat - ist eine Bürogemeinschaft der Mitarbeiterinnen des Frauenbüros, des Jugendbüros, des Integrationsbüros, des Büros für Angelegenheiten von Menschen mit Behinderung und der Koordinationsstelle der Bewohnerservice-Einrichtungen der Stadt.

"Ein Weg aus der Armut": Stadt:Dialog und Premiere
"Ein Weg aus der Armut": Stadt:Dialog und Premiere

Eva Kraxberger