Troll-Borostyani-Preis 2000
Troll-Borostyani-Preis
2000
Bürgermeister
Heinz Schaden und Landesrätin Gabi Burgstaller ehren bedeutende Salzburger
Frauenrechtlerinnen
an Pionierinnen im Kampf um die Rechte der
Frauen
Heute, Montag, 6. März 2000 werden im Marmorsaal des Schlosses Mirabell
vom Bürgermeister Heinz Schaden und Landesrätin Gabi Burgstaller die
Troll-Borostyani-Preise 2000 verliehen. Der nach Salzburgs erster
Frauenrechtlerin Irma von Troll-Borostyani benannte Preis geht dieses Jahr an
"Pionierinnen im Kampf um die Rechte der Frauen". Zum einen hat sich das Jahr
2000 zum Rückblick auf frauenpolitische Errungenschaften angeboten, feiern doch
die Frauenbüros von Stadt und Land Salzburg ihr zehnjähriges Bestehen. Zum
anderen erfährt diese Retrospektive angesichts der neuen Bundesregierung und
ihrer Vorhaben eine besondere Aktualität. Mit der Abschaffung des
Frauenministeriums beispielsweise wird klar, dass bedeutende und hart errungene
Einrichtungen genauso in Frage stehen, wie elementare Rechte der Frauen. Der
Versuch Frauen wiederum aus dem Berufsleben zu verdrängen und ihnen die Rolle
als Hausfrau schmackhaft zu machen, ist ein gefährlicher Angriff auf die
Selbstbestimmungsrechte der Frauen.
Gerade in einer Zeit des gesellschaftspolitischen Rückschritts werden
Pionierinnen zu Vorbildern.
Deshalb werden heute zwei Pionierinnen mit dem Troll-Borostyani-Preis
ausgezeichnet. Steht Agnes Primocic für eine Zeit der Ausübung elementarer
politischer Rechte als Betriebsrätin, so steht Liane Pluntz für die Zeit des
frauenpolitischen Aufbruchs in den 70er Jahren.
Agnes Primocic - ein Leben für die Gerechtigkeit
Landesrätin Burgstaller ehrt verdiente Halleiner
Widerstandskämpferin und Pionierin der Arbeit für Frauen mit den
Troll-Borostyáni-Preis des Landes Salzburg
Agnes Primocic, 95, ist die diesjährige
Preisträgerin des Troll-Borostyáni-Preises! Die Halleiner Widerstandskämpferin,
Gewerkschafterin, Betriebsrätin und unermüdliche Kämpferin für Menschlichkeit
und Gerechtigkeit wurde heute, Montag, von Frauen-Landesrätin Mag. Gabi Burgstaller
für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. "Agnes Primocic ist eine beeindruckende
Persönlichkeit, die weit über alle politische Lager hinweg gewirkt hat und
heute noch - trotz ihres hohen Alters - sehr aktiv ist", würdigte Burgstaller
die Preisträgerin in ihrer Laudatio. Die Landesrätin: "In einer unmenschlichen
Zeit blieb sie Mensch, rettete das Leben anderer, ohne Rücksicht auf das eigene
Schicksal, setzte sich als Betriebsrätin für ihre Kolleginnen ein und ist bis
heute unermüdlich unterwegs, wenn es getreu nach dem Motto - `Wehret den
Anfängen´ - geht, in Schulen, Betrieben und Versammlungen vor Faschismus,
Diktatur und Unmenschlichkeit zu warnen. Sie ist das lebende Beispiel für Mut,
Zivilcourage und die Kraft, die Frauen aufbringen können, wenn es heißt, den
Kopf nicht in den Sand zu stecken, sondern aufrecht gegen den Strom
anzukämpfen."
Als Politikerin und Bürgerin dieses Landes sei es
ihr, so Burgstaller, eine Ehre, Agnes Primocic mit dem Troll-Borostyáni-Preis
auzuzeichnen. Für den Preis, der heuer zum fünften Mal vergeben wird, bedeute
die Auszeichnung Primocics eine echte Aufwertung, "weil Irma Troll-Borostyáni
eine Pionierin für die Rechte der Frauen in Salzburg war und Agnes Primocic in
ähnlicher Art und Weise stets das Wohl anderer in den Vordergrund ihres Wirkens
gestellt hat", meint Burgstaller. Solidarität und Nächstenliebe seien jene
Werte, denen sich Frau Primocic immer verpflichtet gefühlt habe. "Ihr
Lebenslauf ist so einzigartig und faszinierend - selbst in der ärgsten Not hat
sie Standfestigkeit und Rückgrat bewiesen. Wir alle können von ihr viel
lernen", erklärte die Frauen-Landesrätin von Salzburg.
Agnes Primocic wurde 1905 in Hallein geboren. Sie
wuchs in ärmsten Verhältnissen - gemeinsam mit 7 Geschwistern - auf. In
zahlreichen Aufsätzen und Film- sowie Buchbeiträgen schildert sie die harten
Jahre ihrer Kindheit, in der Jugend und der Widerstandszeit im Austrofaschismus
und Nationalsozialismus. Mit 13 Jahren musste sie bereits weg von Zuhause,
musste hart arbeiten, um für sich selbst sorgen zu können. Mit 16 kam sie als
Arbeiterin in die Halleiner Tabakfabrik, war eine der berühmten
"Zigarrenweiber" und Betriebsrätinnen, die ohne Rücksicht auf ihr eigenes
Schicksal für die Rechte der Arbeiterinnen eingetreten sind. 16 Jahre und Tabakfabrik
bedeuteten Arbeit im Akkord - ohne "Jausenzeit", wie sie einmal in einem
Zeitzeugengespräch bekannte. Mit 17 wurde sie Mutter eines Buben, doch der
Kindesvater starb ein Jahr nach der Geburt des Sohnes und die junge Arbeiterin
musste ihr erstes Kind alleine "durchbringen". Ohne soziales Netz, versteht
sich. Früh kam Primocic auch in Kontakt mit der politischen und
gewerkschaftlichen Arbeit. Sie war Jugendvertrauensfrau in der Tabakfabrik,
ursprünglich Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei ehe sie 1933 -
nach einem fünfwöchigen Aufenthalt mit einer Gewerkschaftsdelegation in der
Sowjetunion - der KP beitrat.
Bei den Februarunruhen 1934 organisierte sie einen
der wenigen wirklichen Streiks. "Nur die Zigarrenweiber legten die Arbeit
nieder, die anderen waren zu feig", meinte sie einmal in einem Interview. Der
Streik in der Tabakfabrik von Hallein blieb "isoliert", auch wenn Primocic und
die "Ziegeleder Mali" in Hallein von Betrieb zu Betrieb gingen, um die Arbeiter
und Betriebsräte vom friedlichen Widerstand gegen das Regime zu überzeugen.
Fünfmal wurde Primocic in der austrofaschistischen Zeit eingesperrt, einmal,
weil sie ihrem Bruder, der politisches Propagandamaterial nach Bad Gastein
geschmuggelt hat, 30 Groschen für eine Jause gegeben hat. Ihr Delikt:
"Unterstützung einer politischen Aktion mit Geld und Jause". Das Ergebnis der
Verhandlung: 1 Jahr Gefängnis.
Schwer lastete auf ihr der Druck und die tägliche Sorge
um ihre Kinder in der NS-Zeit. Mann und Sohn waren an der Front, die zwei kleinen
Töchter bei der Mutter in Hallein. Trotzdem wurde Primocic, die immer als
"belastet" galt, aus nicht nachvollziehbaren Gründen und völlig willkürlich
eines Tages im Jahre 1942 von der Gestapo festgenommen. Eine ihrer Töchter
hatte Lungenentzündung, beide Kinder musste Agnes Primocic zurücklassen, sieben
Wochen war sie im Keller von St. Peter, dem Sitz der Gestapo in Salzburg, in
Haft. Sie wusste nicht, ob ihre Kinder noch lebten oder nicht. Nur der
Standfestigkeit eines Nachbarn, der sie nicht - auch nicht unter der Folter -
denunzierte, war es zu verdanken, dass Primocic wieder frei kam. Und sich trotz
aller widrigen Umstände wieder für das Leben anderer einsetzte. Ihre größte Tat
war vielleicht eine "Aktion" im März 1945, als sie - knapp vor Kriegsende - den
Lagerkommandanten des Steinbruchs im Wiestal überzeugen konnte, die 17
Häftlinge und Zwangsarbeiter nicht erschießen zu lassen, sondern in die Stadt
Hallein zu bringen, wo sie sicher waren. Alle Häftlinge überlebten. Trotz
Erschießungsbefehl.
"Agnes Primocic kann auf ein bewegtes Leben
zurückblicken. Für die Zukunft wünsche ich ihr vor allem Gesundheit und
weiterhin jene Kraft und Entschlossenheit, mit der sie an alle Dinge in ihrem
bisherigen Leben herangegangen ist", schließt Burgstaller.
Liane Pluntz - im unermüdlichen Kampf um Frauenrechte
Bürgermeister Heinz Schaden ehrt die Pionierin der frauenpolitischen
Arbeit mit dem Troll-Borostyani-Preis der Stadt Salzburg.
Die autonome Frauenbewegung der 70er Jahre war ein zentraler Motor der
gesellschaftlichen Veränderungen. In Salzburg gründete eine Gruppe von Frauen
vorwiegend aus dem studentischen Milieu 1974 die erste autonome Frauengruppe
"Courage". Liane Pluntz war eine von ihnen. Der Kampf um die Straffreiheit des
Schwangerschaftsabbruchs prägte die politische Tätigkeit der "Courage" ebenso
wie die theoretische Auseinandersetzung mit Diskriminierung und Unterdrückung:
So heißt es in der Präambel der Frauengruppe "Courage" 1974:
Wir
arbeiten in einer Frauenbewegung, weil uns niemand befreien wird, außer wir
selbst. Wir arbeiten für eine Gesellschaft, in der es keine Unterdrückung geben
wird - weder für Mann noch für Frau -, denn Emanzipation bedeutet Befreiung von
Unterdrückung für alle.
In der Blütezeit der "Courage" haben etwa 30 Frauen an den wöchentlichen
Treffen teilgenommen. Die aktive Phase der "Courage" endet 1983.
Ihre Spuren hinterließ sie zumindest zweifach:
·
in der weiteren Biografie ihrer Betreiberinnen, die größtenteils
politische aktiv geblieben sind - so auch Liane Pluntz
·
in zahlreichen Initiativen, die direkt oder indirekt auf die Courage
zurückzuführen sind - u.a. die Gründung
des Vereins "Frauentreffpunkt" oder die Schaffung des Vereins "Frauennotruf"
Die politische Tätigkeit Liane Pluntz ist von frauenpolitischem Engagement
geradezu durchzogen. Nach der aktiven Zeit als Aktivistin in der "Courage"
widmet sie sich als Wissenschafterin der Frauenforschung um wiederum auf die
konkrete, politische Interessenvertretung zurückzukommen. Seit mehr als 10
Jahren arbeitet Liane Pluntz nun als Frauenreferentin in der Arbeiterkammer. In
ihrer Biographie spiegelt sich die Frauenbewegung der letzten 25-30 Jahre gut
wider. Es war ein Weg des lautstarken Protests von Frauen in einer autonomen
Bewegung, die mitbewirkt hat, dass zunehmend Einrichtungen und Institutionen
für Frauen geschaffen wurden (von den Frauenbeauftragten zu den
Frauenreferentinnen in öffentlichen Einrichtungen, Verbänden und Parteien).
An der Schwelle zum neuen Jahrtausend sind nun gerade jene bereits
etablierten Einrichtungen erneut gefährdet. Und wieder formiert sich
vernehmbarer Widerstand, auch ein Frauenwiderstand. Liane Pluntz ist wieder
dabei.
Biografie Liane Pluntz
geb. 1952 in Linz
Studium der Publizistik und Politikwissenschaft in Salzburg
1974 Gründung der Frauengruppe "Courage"
1985 bis 1988 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für
Alltagskultur (IAK) mit den Schwerpunkten Frauenforschung, Sozial- und
Arbeitsmarktpolitik
Seit 1988 Referentin für Frauenpolitik in der Arbeiterkammer Salzburg
Von 1991 bis 1995 Abgeordnete zum Salzburger Landtag
Seit 1997 Vorsitzende des Vereins "Initiative Frau und Arbeit" und
Vorsitzende des "Salzburger Frauenrates"
MD01 - Service und Information