„ANZIEHENDE AUSSTELLUNG“ IM HAUS DER STADTGESCHICHTE

09.05.2006

Die Sonderschau „Anziehende Ausstellung. Zur Kulturgeschichte der Frauenunterwäsche“ im Haus der Stadtgeschichte in der Glockengasse behandelt ein ungewöhnliches Thema. In einem historischen Rückblick wird die Stellung der Frau anhand ihrer Unterwäsche kritisch beleuchtet und damit eine Geschichte weiblicher Rollenzuschreibungen erzählt.

Die Ausstellung, die bis 8. Juli 2006 dauert, wird vom Frauenmuseum „Evelyn Ortner“ in Meran zur Verfügung gestellt und von den MitarbeiterInnen des Stadtarchivs und des Frauenbüros der Stadt Salzburg um einen historischen Salzburgbezug erweitert.

„Der Zusammenhang zwischen der gesellschaftlichen Stellung von Frauen und dem weiblichen Schönheitsideal einer Epoche lässt sich sehr gut anhand der Entwicklung der Mode sichtbar machen. Gerade an der Unterwäsche kommen die Rollenzuschreibungen besonders deutlich zum Ausdruck“, berichtet Frauenbeauftragte Dagmar Stranzinger. „Anziehende Ausstellung“ gibt einen umfassenden historischen Überblick anhand markanter Formen der Frauenunterwäsche. Die Betrachtung reicht bis in die Gegenwart und thematisiert aktuelle Modetrends.

Die Veränderung der Frauenunterwäsche über Jahrhunderte hinweg wird in der Ausstellung mit dem Blick auf den Wandel der Einstellung zum weiblichen Körper verknüpft. „Auf den ersten Blick mag es ungewöhnlich erscheinen, dass sich die Stadt Salzburg der ‚Frauenunterwäsche’ widmet. Doch gerade die Anziehungskraft des Themas eignet sich vortrefflich, damit historische und frauenpolitische Inhalte zu vermitteln“, meint Bürgermeister Heinz Schaden.

Unterwäsche verbindet Frauen-Generationen
Schon im Vorfeld der Ausstellungsgestaltung wird ein breites Interesse spürbar. Sowohl junge Frauen zeigen Begeisterung für diese Zeitreise, als auch Seniorinnen haben sich als Besucherinnen bereits angemeldet, um einen Blick auf die eigene Vergangenheit zu richten. Diesen Wünschen kommt die Ausstellung insofern entgegen, als das Thema sehr alltagsnahe und beispielhaft aufbereitet wurde. Die Ausstellung richtet sich an Schulen und interessiertes Publikum. Kostenlose Führungen gibt es für Schulklassen. Für Gruppen beträgt der Kostenbeitrag € 15. Die Führungen werden von einem Team aus geschulten FührerInnen bei Terminvereinbarung angeboten.



EIN INHALTLICHER BOGEN DURCH DIE AUSSTELLUNG

Der geschnürte Leib
War noch im Mittelalter der sehr schlanke, zierliche Frauentyp erwünscht, bevorzugt die Mode des Barock üppigere Formen. Über dem Hemd getragene Schnürmieder mit Eisen-, Holz- oder Fischbeinstäben und verschiedenste Arten von Reifröcken bringen den Körper der Frau in die „ideale“ Form und machen sie gleichzeitig nahezu unbeweglich. Dadurch wird das um 1860 gewünschte Traummaß von 45 bis 50 cm Taillenumfang erreicht.

Die bürgerliche Frau kann sich, eingeschnürt und mit schweren Gewändern beladen, kaum fortbewegen. Sie ähnelt einer unbeweglichen Puppe und dient als Repräsentationsobjekt ihres Mannes.

Büstenhalter und Hüftgürtel
Von Bildungsmöglichkeiten, Berufstätigkeit und Selbstständigkeit ist die bürgerliche Frau von vorneherein ausgeschlossen. Ihr Ziel besteht in erster Linie im Finden eines Ehemannes, um die ihr zugedachte Rolle als Ehefrau, Haus¬frau und Mutter erfüllen zu können. Die „Koketterie der Dessous“ kann sich hierbei als hilfreich erweisen. Unterwäsche wirkt im Verborgenen, wird ebenso wie der nackte Körper stark tabuisiert und löst somit eine noch intensivere erotische Faszination aus.

Doch trotzdem werden Reformen gefordert, damit Unterwäsche an Gewicht verliert. Eine zukunftsweisende Veränderung hierzu ist die Unterteilung des Korsetts in Büstenhalter und Hüftgürtel mit Strumpfbändern.
Die Unterhose, die „Unaussprechliche“
Bis ins 19. Jahrhundert trugen Frauen mehrheitlich keine Unterhosen. Die Hose galt als ausdrückliches männliches Attribut und wurde mit Herrschaft in Verbindung gebracht.

Nur Frauen der Oberschichten zogen seit dem 16. Jahrhundert gelegentlich Hosen unter dem Kleid bei großer Kälte, zum Reiten oder auf Reisen an. Für die meisten Frauen mussten zum Wärmen mehrere Unterröcke reichen.

Die ersten Frauenunterhosen waren im Schritt offen und wurden als Beinkleid oder „Unaussprechliche“ bezeichnet, um sie nicht in Verbindung zur männlichen Hose zu bringen.

Die „neue“ Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Mit dem Ersten Weltkrieg ändert sich das Frauenbild nachhaltig. Die im Zuge des Krieges durch die äußeren Umstände erlangte Selbstständigkeit fördert in den 20er-Jahren die Berufstätigkeit und Beweglichkeit der Frau.

Dieses neue Selbstverständnis wird in der Mode durch kürzere Röcke und einfache Schnitte sichtbar. Der Stil ist knabenhaft, weibliche Formen werden kaschiert: So drückt der Büstenhalter der 20er-Jahre den Busen flach. Mieder bzw. Hüftgürtel mit Strumpfbändern (Strapsen) für mollige Frauen begradigen die Hüften und lassen die Taille verschwinden.

Die Unterhose der 20er-Jahre ist gerade geschnitten, mit relativ kurzem Bein und einem weiten Bund, der auf der Hüfte aufsitzt. Dazu gehören ein passendes Hemd und meist ein Unterrock. Neu ist die so genannte Schlupfhose mit Gummizügen.
Ein besonders typisches Wäschestück dieser Zeit ist die Hemdhose, eine Kombination aus Hemd und Beinkleid, bequem und weit geschnitten, aus besonders feinen, zum Teil auch neuen Materialien wie Batist, feinem Leinen, Seidenkrepp oder Kunst¬seide in zarten Pastellfarben.

Zurück zur Weiblichkeit
In den 30er-Jahren werden Häuslichkeit und Mutterschaft wieder zu zentralen weiblichen Eigenschaften und Aufgaben erklärt. Das Schönheitsideal tendiert immer mehr zu weiblichen Formen, jedoch mit schmalen Hüften. Figur betonende, wadenlange Kleider erfordern Unterwäsche, die nicht aufträgt und wie eine „zweite Haut“ am Körper anliegt.

Das Korsett erlebt in Form des Mieders allerdings mit vielen elastischen Teilen ein Revival. Im Gegensatz zu den 20er-Jahren wird die Büste nun wieder stark betont.

Der Zweite Weltkrieg
Während des Zweiten Weltkrieges muss die Unterbekleidung in erster Linie warm sein. Man stellt sie meist selbst her. Handgestrickte Leibwäsche aus Wolle und ande¬ren verfügbaren Materialien sowie Ausbesserungen und Umgestaltungen gehören in dieser Zeit zum Alltag.


N
ylon und Perlon – Wäsche zur Zeit des Wirtschaftswunders
Nach dem Zweiten Weltkrieg erhält Weiblichkeit neuerlich einen Bedeutungsgewinn. Die Frau soll einerseits – figurbewusst – auf ihr Aussehen achten und Fröhlichkeit sowie Freundlichkeit ausstrahlen, andererseits wird sie wieder zur Hausfrau und liebenden Ehefrau und Mutter stilisiert.

Verschiedene elastische Korsetts, Halb- und Vollmieder sowie Hüftgürtel bewirken nun die gewünschte Formung des Körpers. Der Büstenhalter ist spitz zulaufend. Neue pflegeleichte Kunstfasern wie Nylon und Perlon halten Einzug in die neue Mode. In den 60er-Jahren kommt die Strumpfhose auf, durch welche auch der Minirock er¬möglicht wird.

Flower Power und Individualismus
Die Protestbewegungen der 68er-Generation fordert die Befreiung von jeglicher Einengung. Frauen verbrennen ihre Büstenhalter und demonstrieren ihr neues Körpergefühl und Selbstbewusstsein mit Blusen und T-Shirts auf der bloßen Haut.

Figurbetont, aber auf Bequemlichkeit hin orientiert präsentiert sich die Frau der 70er-Jahre, vor dem Hintergrund des Kampfes um Gleichberechtigung und Selbstständigkeit.

Twiggy macht als Paradebeispiel für die Kindfrau mit androgynen Körperformen eine Weltkarriere. Dessous werden zur Oberbekleidung, etwa Miederhosen, die nun als Hot Pants ver¬wendet werden. Darunter werden enge und sehr knapp geschnittene Bikini-Slips und später auch der Tanga getragen.
Lust auf Luxus in den 80er Jahren
In den 80er-Jahren entsteht die Lust auf Luxus und damit eine neuerliche Flut von Korsagen, Miedergürteln oder halterlosen Strümpfen mit Siliconhafträndern. Die einzige wirkliche Neuheit, die sich auch durchsetzt, sind leicht formende Bodies, die als Unterwäsche, aber auch als Oberbekleidung getra¬gen werden können. Der „Bodystocking“ oder „Catsuit“ hingegen hält sich nur kurz.

String Tanga ab den 90er Jahren
Der Trend der Dessous in den 90er-Jahren und am Beginn des neuen Jahrtausends verbindet die Strömungen der vorhergehenden Jahrzehnte: den bereits in den 60er-Jahren entwickelten „Wonderbra“ - jetzt „Pushup“ genannt - und den Transparentlook, die eng anliegenden Hüfthosen, nun kombiniert mit dem „Stringtanga“, die Bauchfreiheit und die schrillen Modefarben der 70er sowie die facettenreiche Vielfalt an Dessous der 80er-Jahre, getragen natürlich von möglichst schlanken und durch¬trainierten Körpern.

Und heute?
Heute wird den Frauen eine große Dessous-Auswahl angeboten. Dies zeigt, dass die Unterwäsche in ihrer Bedeutung gleichwertig neben der Oberbekleidung steht. Zum einen leben Frauen selbst bestimmt ihre Lust auf Unterwäsche, zum anderen fordert allerdings das derzeitige Schönheitsideal einen schlanken Frauenkörper und rückt Brust und Dekolleté in den Mittelpunkt, was wiederum einschränkend wirkt. „Das Schönheitsideal wird als für jede Frau käuflich und machbar dargestellt, mit Hilfe von Diäten, Kosmetikprodukten, Fitnessgeräten und eben auch Dessous. Problematisch wird es dann, wenn medial erzeugte Frauenbilder die individuelle Entscheidung dominieren“, sagt die Frauenbeauftragte Dagmar Stranzinger.

Historischer Salzburgbezug
Auch Salzburger Frauen tragen und trugen Unterwäsche nach den jeweiligen Modetrends. So waren zum Beispiel an der Wende zum 20. Jahrhundert in Salzburger Kaufhäuser einerseits Fischbeinkorsetts, „Geradehalter“, Sport- und Kindermieder andererseits aber auch schon die neuesten „Reformhosen mit und ohne Volants“ erhältlich. Wer es sich leisten konnte, trug auserlesene Wäsche aus Frankreich, wie beispielsweise ein Mieder aus Paris.

Zu den prominenten Vertreterinnen der um Emanzipation bemühten Frauenrechtlerinnen, die eine Ablegung des Korsetts forderten, zählte auch die Salzburgerin Irma von Troll-Borostyáni: In ihrer 1897 erschienen Schrift „Das Weib und seine Kleidung“ wies sie auf die gesundheitlichen Schäden hin, die durch das Einschnüren des Körpers entstanden und kritisierte, dass die Frau dadurch auch auf einen „Köder für die Sinnlichkeit des Mannes“ reduziert werde.
Der Salzburgbezug wird mit ausgewählten musealen Stücken, zeitgenössischer Werbung und Fotos sowie aktuellen Leihgaben hergestellt.

Gesundheitliche Folgen der Unterwäsche-Trends
Nahe liegend und einleuchtend ist, dass die enge Schnürung der Frauenkörper durch das Korsett zu massiven gesundheitlichen Schäden führte. Eine Deformation der Organe, Beeinträchtigung der Atmung, ständige Ohnmachtsanfälle waren beispielsweise die Folge. Überdies hat die Kleidervorschrift „Korsett“ Frauen nahezu unbeweglich gemacht.

Aber auch heute haben die aktuellen Modetrends in der Unterwäsche negative gesundheitliche Auswirklungen. So gehört der Stringtanga zu den best verkauften Wäschestücken der letzten Jahre, eine Entwicklung mit der zunehmend auch GynäkologInnen konfrontiert sind. „Ein ständiges Tragen von Stringtangas kann zu Infektionen führen, verursacht durch die konstante Reibung im Genitalbereich. Es kommt zu Entzündungen, Jucken und Scheidenausfluss“, berichtet die Gynäkologin Maria Haidinger von ihren Erfahrungen aus der ärztlichen Praxis.

Wichtig bei der Auswahl der Unterwäsche ist, dass sie gut passt. BHs sollen keine Druckstellen verursachen und Stringtangas nicht ständig getragen werden. „Jede Generation hat ihre Dessous, das ist auch in Ordnung. Wichtig ist allerdings, dass Frauen auf ihren Körper hören und so erfahren, was ihm gut tut. Schlecht ist, wenn sich Frauen einem gesellschaftlichen Druck beugen, der der Gesundheit schadet“, meint Haidinger.

Bilderzyklus: Getragene Hüllen, Gefallene Hüllen
Die beiden Salzburger Künsterlinnen Karin Fuchs und Doris Parragh ergänzen die Ausstellung um einen Bilderzyklus, der Frauenunterwäsche zum Thema hat. Die Künstlerinnen widmen sich in ihrer jeweils eigenständigen Auseinandersetzung dem Spannungsfeld weiblicher Körperlichkeit und seiner Verhüllung.

Karin Fuchs (Jg. 1973) fängt in ihren Drucken, Zeichnungen und Fotografien in Struktur und Farbe den zart durchscheinenden, transparenten Charakter von sieben ausgewählten Textilien ein. Sie spielt mit den bunten Feinheiten ihrer Kollektion aus luftigen Stoffstücken.

Doris Parragh (Jg. 1974) inszeniert eine 6-teilige Skiny-Höschen-Serie. Strich für Strich erscheinen die Wäschestücke als skelettartiges Unterhosengerippe, abgetragen, abgeworfen, völlig willkürlich posierend und jenseits jedes repräsentativen Charakters in Falten geworfen.

ÖFFNUNGSZEITEN UND RAHMENPROGRAMM

Ausstellungsdauer: 11. Mai bis 8. Juli 2006

Mittwoch, 10. Mai 2006, 19 Uhr
Ausstellungseröffnung mit Vortrag
Lisa Fischer (Historikerin und Soziologin, Universität Wien):
Vom Modediktat zum Körperverrat

Donnerstag, 1. Juni 2006, 19 Uhr
Vortrag von Astrid Schönweger (Mitarbeiterin des Frauenmuseums „Evelyn Ortner“, Meran): Vom Keuschheitsgürtel zu den Strapsen oder wie der Frauenkörper als Objekt sichtbar wird.

Samstag, 8. Juli 2006, 11 Uhr
Finissage und Führung durch die Ausstellung


Führungen
Sonntag, 14. Mai 2006, 10.30 Uhr
Muttertags-Führung durch die Ausstellung
Anmeldung erforderlich (beschränkte TeilnehmerInnenzahl) unter 0662/8072-2043

Samstag, 10. Juni 2006, 10.30 Uhr
Montag, 19. Juni 2006, 17.30 Uhr


Führungen für Schulen und Gruppen
Nach telefonischer Vereinbarung: 0662/8072-4714

Öffnungszeiten
Montag, 8 bis 17.30 Uhr
Dienstag,8 bis 15.30 Uhr
Mittwoch-Freitag, 8 bis 12 Uhr

Eintritt frei





Niedl, Stefanie (19365)