Gender Mainstreaming in der Praxis am Beispiel der Lehrstellenförderung der Stadt Salzburg

19.07.2006

Gender Mainstreaming und Gender Budgeting sind häufig gebrauchte, abstrakte Modewörter, deren Bedeutung sich nicht sofort erschließt.

„Unsere Absicht war es, endlich ein plastisches Beispiel zum Angreifen zu erarbeiten. Jetzt liegt eine Analyse der Lehrstellenförderung unter dem Gesichtspunkt Geschlechtergerechtigkeit vor. Die Ergebnisse sind nicht nur interessant, sondern haben auch praktische Relevanz: Die Vergabe der Lehrstellenförderung wird grundlegend neu gestaltet.“, meint Bürgermeister Heinz Schaden.

Die Studie wurde von Mag. Alexandra Schmidt (Frauenbüro der Stadt Salzburg) erstellt.


Die Analyse der Lehrstellenförderung

Seit 1997 gibt es in der Stadt Salzburg eine Lehrstellenförderung. Zunächst wurden steuerliche Vergünstigungen für jene Betriebe gewährt, die Lehrlinge ausbilden. Mit dem Jahr 2000 erfolgt eine Umstellung der Förderung hin zu einer direkten Geldleistung für Lehrstellen in den so genannten „Neuen Lehrberufen“. Das sind jene Berufe, die von der Wirtschaftskammer jährlich neu benannt werden. Dazu gehörten beispielsweise: MechatronikerIn, EDV-TechnikerIn, IT-InformatikerIn, KommunikationstechnikerIn.

Im Jahr 2001 wurden die Förderkriterien erweitert. Wenn ein Betrieb Investitionen in die Ausstattung einer Lehrstelle nachweisen konnte, wurden diese Ausgaben ebenso gefördert.
Geschlechterspezifische Auffälligkeiten
der bisherigen Förderpraxis (2000-2005)

• Weitaus mehr männliche Lehrlinge werden gefördert (100 Burschen,
43 Mädchen)
• Die Förderung verfestigt traditionelle Rollenzuschreibungen,
Burschen wurden vorwiegend in technisch orientierten Berufen
gefördert, Mädchen in traditionellen Frauenberufen (z.B.
Bürokauffrau)
• Die Fördernische „Neue Lehrberufe“ kommt den Burschen zugute
• Die Höhe der ausbezahlten Förderung zeigt: geringere Förderung an
Lehrstellen, die mit Mädchen besetzt sind, höhere Förderung an
Lehrstellen, die mit Burschen besetzt sind
• Es gab bisher keine geschlechterspezifischen Wirkungsziele der
Förderung


Schlussfolgerungen für eine geschlechtergerechte Lehrstellenförderung

1. Neue Zielfestlegungen hinsichtlich einer geschlechtergerechten
Lehrstellenförderung sind nötig
2. Neue Förderkriterien sollen ab 2007 zu mehr
Geschlechtergerechtigkeit am Lehrstellenmarkt beitragen. Dazu wird
ein Amtsbericht erstellt.
3. Begleitende Maßnahmen für mehr Geschlechtergerechtigkeit am
Lehrstellenmarkt sind zu setzen.





Trends am Lehrstellenmarkt in Salzburg

Vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation am Salzburger Lehrstellenmarkt wird nochmals besonders deutlich, dass Handlungsbedarf betreffend der Aufweichung traditioneller Rollenbilder besteht:

* Hohe Lehrstellenkonzentration: Mädchen sind zu 63 Prozent im Handel
beschäftigt, Burschen zu 68 Prozent in Gewerbe und Handwerk.
* Die Lehrberufswahl der Mädchen konzentriert sich in der Stadt Salzburg
noch deutlicher auf die drei Spitzenreiter Bürokauffrau (18,7 Prozent),
Friseurinnen (14,3 Prozent) und Einzelhandelskauffrau (7,4 Prozent).
40,4 Prozent aller weiblichen Lehrlinge in der Stadt Salzburg sind in
diesen drei Lehrberufen zu finden (Bundesland Salzburg: 35,6 Prozent).
* Buben arbeiten überwiegend in männlich besetzten Berufen:
Kraftfahrzeugtechniker (12,9 Prozent), Elektroinstallationstechniker
(7,6 Prozent) und Köche (5,9 Prozent). Damit arbeiten nur 26,6 Prozent
in den drei beliebtesten Lehrberufen.
* Auch die Lehrlingsentschädigung weist erhebliche Nachteile für junge
Frauen auf: FriseurInnen erhielten 2004 im dritten Lehrjahr 539 Euro
monatlich, Lehrlinge der Metallindustrie hingegen 770,53 Euro. Damit
wird der Grundstein des Auseinanderklaffens der Einkommensschere gelegt.


Lehrstellenförderung neu

Die Neugestaltung der Lehrlingsförderung wurde bereits im Jahr 2006 mit ersten Maßnahmen in Angriff genommen und für die Förderung 2007 grundlegend neu aufbereitet. „Für mich war besonders aufschlussreich, dass ein Instrument, das geschaffen wurde um jungen Leuten gezielt beim Schritt in die Berufstätigkeit zu helfen, traditionelle Rollenmuster fortgeschrieben hat, was keinesfalls beabsichtigt war!“ , so Studienautorin Alexandra Schmidt. „Die Befragung bisher geförderter Unternehmen hat erneut gezeigt, wie stark Buben der Bereich Technik, Mädchen der Bereich Dienstleistung zugeschrieben wird und auf Seiten der Unternehmen das Vorhandensein bzw. Fehlen entsprechender Eignungen und Talente als gegeben angenommen werden“, sagt Schmidt weiter.

Für die Lehrstellenförderung wurden daher für die Gestaltung ab dem Jahr 2007 neue Förderungsziele formuliert:

* Die Einrichtung neuer Lehrstellen dient künftig neben der Qualifizierung
von Jugendlichen auch der Gegensteuerung der geschlechterspezifischen
Segregation am Arbeitsmarkt.
* Die Lehrstellenförderung soll für die Unternehmen noch leichter
zugänglich sein um die Inanspruchnahme zu erhöhen.
* Die Lehrstellenbesetzung soll in einem ausgewogenen
Geschlechterverhältnis und abseits traditioneller Berufsfestlegungen
erfolgen.
* Betriebliche AkteurInnen sollen hinsichtlich geschlechterspezifischer
Segregation sensibilisiert werden. Genderspezifische Ausbildungsangebote
für Personalverantwortliche und Lehrlinge werden entwickelt und
geschaffen.


Für die Förderungskriterien bedeutet dies konkret:

* Die Höhe der erforderlichen Investition in die Ausstattung einer
Lehrstelle wurde bereits 2006 auf 3.300,- Euro gesenkt, um vor allem den * Klein- und Mittelbetrieben (KMU) die Inanspruchnahme zu erleichtern.
* Die Förderung wird für neue Lehrstellen in Berufen, in denen Mädchen
stark unterrepräsentiert sind (weniger als 40 Prozent laut Statistik der
Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer) erhöht, maximal jedoch verdoppelt.
* Wenn AusbildnerInnen oder Personalverantwortliche eine genderspezifische
Schulung besuchen, wird diese zu 50 Prozent als Investition anerkannt.
* Weiters werden Weiterbildungsangebote (über Berufsschule und Lehre
hinaus) für alle Lehrlinge im ersten Lehrjahr zu 100 Prozent als
Investitionskosten anerkannt.


Begleitende Angebote runden das Maßnahmenpaket ab:

* Ein so genanntes „Gendertraining“ für jene Vortragenden, die die
LehrlingsausbildnerInnen schulen, wird entwickelt und soll über lokale
Bildungsträger angeboten werden. Ziel ist es, geschlechtersensible
Pädagogik auch in diesem Bereich anzuwenden. Diesbezügliche Vorgespräche
mit der Wirtschaftskammer zeigen sich als fruchtbringend.

* Eine Informationsoffensive soll Betriebe bereits im Vorfeld der
Lehrlingssuche über die Förderungsmöglichkeit in Kenntnis setzen.



Hauptakteur bei der Umsetzung:
Wirtschaftsservice der Stadt Salzburg

Das Beispiel der genderspezifischen Analyse der Lehrstellenförderung zeigt eindrucksvoll, dass die vermeintlich neutral gestaltete Lehrstellenförderung in großem Ausmaß Unterschiede zwischen den Geschlechtern verfestigt. „Für uns war die Herausforderung, unsere wirtschaftspolitischen Ziele mit den geschlechtergerechten Zielen zusammenzuführen. Wir wollen nun nicht mehr nur dem Fachkräftemangel entgegenwirken und Investitionen von Unternehmen in die eigene Infrastruktur fördern, sondern in Zukunft auch die Chancengleichheit zwischen Burschen und Mädchen am Lehrstellenmarkt vorantreiben“, so Otto Dorfer, Verantwortlicher für die Lehrstellenförderung im Wirtschaftsservice der Stadt Salzburg.
Erfreut ist Dorfer über die Beurteilung der Lehrlingsförderung durch die Unternehmen: 88 Prozent der Unternehmen waren sehr zufrieden mit der Abwicklung.



Befragung bisher geförderter Unternehmen:
Klischees wirken noch immer

Befragt wurden jene 33 Unternehmen, die 2003 und 2004 Lehrlingsförderung beansprucht haben, 27 Unternehmen haben sich an der Befragung beteiligt.

Rund 40 Prozent der Unternehmen sind dem Bereich Technik und Handwerk zuzuordnen, weitere 37 Prozent sind Handelsunternehmen. Annähernd 80 Prozent der Unternehmen beschäftigen weniger als 30 MitarbeiterInnen, sind also Klein- und Mittelbetriebe (KMU). 88 Prozent waren sehr zufrieden mit der Abwicklung der Förderung

Buben und Mädchen: unterschiedliche Interessen
Die Erfahrungen bei der Bewerbung und Einstellung spiegeln noch immer die bekannten Vorurteile wider: 32 Prozent der Unternehmen haben als Vermutung, warum sich eher Mädchen oder Buben für eine angebotene Lehrstelle interessiert haben beispielsweise angegeben:
o Mehr technisches Interesse der Buben
o EDV ist eine Männerdomäne
o Körperliche Arbeit als Vermessungstechniker spricht Buben eher an
o Mädchen haben mehr Chancen als Bürokauffrauen
o Mädchen haben mehr Interesse an Berufen in der Gastronomie

Mehr als ein Viertel der Unternehmen halten ein Geschlecht für eher geeignet, den Anforderungen der angebotenen Lehrstelle zu entsprechen: 19 Prozent halten Buben für geeigneter, 7 Prozent Mädchen.

In 65 Prozent der befragten Unternehmen hat keine Frau eine Führungsfunktion, in 15 Prozent der Unternehmen gibt es eine einzige weibliche Führungskraft.


Rückfragen: Mag. Alexandra Schmidt, Frauenbüro der Stadt Salzburg,
Tel. 8072-2044


Meet - Mädchen entdecken EDV und Technik
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Stockklauser, Doris (11451)