Gratis-(Pflicht)Kindergarten: Ho-Ruck-Aktion zu Lasten der Eltern und Kinder sowie der Kommunen
„Das begrüssenswerte bildungspolitische Ziel, unsere Kinder bestmöglich auf den Start in die Schullaufbahn vorzubereiten, ist für Ho-Ruck-Aktionen wie der zwischen Bund und Ländern paktierten Einführung des Gratis-(Pflicht)-Kindergartens für alle Fünfjährigen eindeutig zu schade“ so Salzburgs Bürgermeister und Städtebund-Landesvorsitzender Heinz Schaden. Mit der Einführung des Gratis-(Pflicht)-Kindergartens setzt der Bund obendrein mit einer an sich sinnvollen Maßnahme am falschen Ort an, wiederholt Schaden darüber hinaus eine grundsätzliche Sorge der Bürgermeister aus dem Land Salzburg: Denn bei der Maßnahme handelt es sich um nichts anderes als um ein verpflichtendes Vorschuljahr, das aus fachlichen und auch verfassungsrechtlichen Gründen eigentlich bei den Volksschulen angesiedelt gehörte. Bekanntlich hatten die Salzburger Landesgruppen von Städte- und Gemeindebund ja einhellig beschlossen, gegen die übereilte und unausgegorene landesgesetzliche Umsetzung des Bund-Länder-Abkommens den „Konsultationsmechanismus“ wegen der völlig unklaren Umsetzungs- und Finanzierungsfragen auslösen zu wollen.
Nachstehend eine Auswahl der Fakten und Probleme im Einzelnen:
• Zu Beginn des laufenden Kindergartenjahres lebten in der Stadt Salzburg 1356 Kinder im Alter von fünf Jahren. Davon besuchten knapp 700 städtische Kindergärten, rund 300 wurden in anderen Einrichtungen (etwa private oder kirchliche Kindergärten) betreut, der Rest von rund 360 Kindern war in der Obhut von Tagesmüttern, in altersgemischten Gruppen oder wurde daheim betreut.
• Derzeit ist nicht klar, welche Anforderungen durch die Einführung des Gratis-(Pflicht)-Kindergartens auf die Gemeinden zukommen. Ab dem kommenden Jahr sollen fünfjährige Kindergartenkinder nach einem – inhaltlich noch unklaren - bundesweit einheitlichen, vorschulischen Bildungsplan betreut werden, dem sich auch Tagesbetreuungseinrichtungen oder Tagesmütter (nach einer entsprechenden Ausbildung) unterwerfen müssen. Schon allein aus diesem Titel ist mit „Verdrängungseffekten“ hin zu städtischen Kindergärten zu rechnen, die momentan überhaupt nicht zu quantifizieren sind.
• Darüber hinaus kommt es möglicherweise zu einer weiteren Verschiebung durch den Umstand, dass die Betreuung durch private Anbieter aufgrund deren Kostenstruktur nicht tatsächlich „gratis“ sein könnte. Realistisch erscheint eine Bezuschussung wie etwa in Wien, sodass die Eltern die darüber hinaus anfallenden Betreuungskosten weiterhin selbst tragen werden müssen. Inwieweit es dadurch zu Kapazitätsverschiebungen kommt ist ebenfalls nicht abschätzbar.
„Weder der Bund noch das Land oder die Gemeinden verfügen derzeit über gesicherte Daten der künftigen Entwicklung. In dieser Situation von Gemeinden Kindergarten-Investitionen zu fordern, deren Finanzierung obendrein nicht gesichert ist, ist eine Farce“, argumentiert Schaden.
• Offen ist gänzlich, ob das Land seinen Beitrag von 50 bzw. 25 Euro für einen Ganz- oder Halbtagskindergartenplatz aufrecht erhalten wird. Diese Regelung führt ja derzeit etwa in der Stadt Salzburg zu der absurden Situation, dass ein Ganztages-Kindergartenplatz (92 Euro Elternbeitrag/Monat minus 50 Euro Landesbeitrag = 42 Euro) billiger ist als ein Halbtagesplatz (76 Euro minus 25 Euro Landesbeitrag = 51 Euro)
• Vom Bund wurde bisher für die Finanzierung des Gratis-(Pflicht)Kindergartenjahres ein Beitrag befristet bis 2014 angeboten, der 2010 für ganz Österreich 70 Millionen Euro beträgt. Ob dieser Zuschuss jemals bei den Gemeinden, die als Träger die Investitionen und das Personal zu stellen haben, ankommt, ist noch fraglich. Das Land hat angekündigt, mit diesen Mitteln die Elternbeiträge zu stützen. Die Gemeinden würden dadurch leer ausgehen.
• Ein weiteres juristisches und finanzielles Problem ergibt sich aus dem Steuerrecht. Durch die Tatsache, dass die Gemeindekindergärten Elternbeiträge einheben, damit einen Betrieb gewerblicher Art darstellen und im Sinne des Umsatzsteuerrechtes als Unternehmen zu qualifizieren sind, konnte beispielsweise bei baulichen Investitionen der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden. Allein dadurch droht eine Verteuerung der nun zahlreich nötigen Kindergarten-Investitionen um zehn Prozent. „Oder anders gesagt,“ fügt Schaden an: „der Bund finanziert sich Teile der 70 Millionen Zuschuss für den Gratis-Kindergarten über Umsatzsteuer-Mehreinnahmen aus dem Titel Kindergarten-Investitionen.“
• Die grundsätzliche Kritik der Bürgermeister des Landes Salzburg, wonach der Bund das ursprünglich verfolgte Konzept eines verpflichtenden Vorschuljahrs nun zu Lasten der Gemeinden, die für die Kindergärten zuständig sind, verschiebt, wird letztendlich auch durch verfassungsrechtliche Bedenken untermauert: Es ist vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Kompetenzbestimmungen und der Judikatur des VfGH rechtlich mehr als fraglich, ob es sich bei dieser Form eines Pflichtkindergartens (mit bundesweit einheitlichen Bildungsplänen, Feststellung der Schulfähigkeit, Sprachförderung usw.) für Fünfjährige nicht viel mehr um das Modell einer (Vor-)Schule handelt, die eben in die Kompetenz des Bundes fallen würde. Durch den Trick, die ursprünglich geplante (Vor-) Schule als Kindergarten zu tarnen, verschiebt der Bund im komplizierten Wege einer Art. 15a B-VG Vereinbarung die gesamte Problematik auf die Ebene der Länder und Gemeinden.
„All diese Beispiele zeigen, dass es schon sinnvoll wäre, auch im Kindergartenbereich vor Einführung von Neuregelungen mit den Betreibern vor Ort zu reden“, schließt Schaden.
Greifeneder, Johannes (20222)