Quelle: Grafische Gestaltung: Kreativbüro Zenz, © by Stadtgemeinde Salzburg

Marie Andeßner 1883–1906

Schwarzstraße 17 · Wohnhaus der Weltreisenden, die von 1895 bis 1903 Asien, Nord- und Südamerika besuchte und Reiseberichte verfasste
Rollenporträt der Weltreisenden Marie Andeßner

Reisen und die Erkundung der Fremde galten um 1900 als eindeutig männliche Domäne. Marie Andeßner* ist eine der wenigen Frauen, die aus der aufgrund ihres Geschlechts zugewiesenen privaten und immobilen Sphäre ausbrachen.

"Frl. Andessner, welche in Salzburg domizilierte, unternahm weite Reisen, und besuchte alle fünf Weltteile und zwar meistens allein und ohne jede Begleitung."
Salzburger Volksblatt, 2. März 1906, S. 3 

Marie Andeßner wurde 1833 als Tochter von Karl und Maria Andeßner in Eberschwang in Oberösterreich geboren. 1842 übersiedelte die Familie nach Salzburg, wo ihr Vater als Holzhändler, Mühlenbesitzer und Bauunternehmer wirtschaftlich sehr erfolgreich war. Die Familie lebte in einem Haus in der Schwarzstraße, das die unverheiratet gebliebene Marie Andeßner bis an ihr Lebensende bewohnte. Nach dem Tod von Karl Andeßner 1893 erbten
seine Tochter, sein Sohn und sein Enkel den Familienbesitz zu je einem Drittel. Zwei Jahre später begann die 62-jährige, materiell abgesicherte Salzburgerin große Fernreisen zu unternehmen, meist allein und ohne Begleitung. Ihre erste Reise führte sie nach Indien und Sri Lanka. Ein Jahr später reiste sie nach Nordamerika und besuchte unter anderem Chicago, die Niagara-Fälle, das Yosemite Valley und San Francisco.
Am 23. September 1897 berichtete die „Salzburger Zeitung“: „Fräulein Marie Andeßner ist gestern Nachmittag im besten Wohlsein und durchaus nicht Amerika müde, vielmehr hochbefriedigt von ihrer Reise wieder angekommen.“
1899 unternahm sie ihre längste und weiteste Reise, auf der sie von New York aus bis nach Vancouver mit der Eisenbahn und danach mit dem Schiff nach Japan reiste. Auf ihrer fünften Tour ging es im Jahr 1900 nach China, Singapur und Java. Mit 70 Jahren brach Marie Andeßner zu ihrer letzten großen Fahrt nach Südamerika auf. Von ihren Reisen schickte sie Briefe an die „Salzburger Zeitung“,die diese kommentierend veröffentlichte. Während eines Aufenthalts in Bozen starb Marie Andeßner am 1. März 1906 an „Lungenlähmung“. Ihr Leichnam wurde nach Salzburg überführt und auf dem Salzburger Kommunalfriedhof begraben.
Sowohl ihre fi nanziellen Möglichkeiten als auch ihr Alter hatten es ihr erleichtert, vorherrschende Geschlechterzuschreibungen zu überschreiten und fremde Welten zu erkunden. Durch ihre in der „Salzburger Zeitung“ abgedruckten Reise berichte war sie „in und außerhalb Salzburgs sehr bekannt“ und machte ihre Grenz überschreitungen öffentlich. Damit trug sie zu mindest zu einer Relativierung von starren Rollenbildern bei.

S p u r e n s u c h e

Werke
In mehreren Ausgaben der „Salzburger Zeitung“ erschienen Berichte über ihre Reisen.

Erinnerung
Seit 2004 vergibt die Universität Salzburg im Rahmen ihres Frauenförderprogramms nach Marie Andeßner benannte Preise und Stipendien an Wissenschaftlerinnen.
2017 wurde im Stadtteil Lehen der Marie-Andeßner-Platz benannt.

Literatur
Guido Müller, Eine Salzburgerin auf Weltreisen. Vor hundert Jahren starb Maria Andeßner, in: Landesgeschichte aktuell 128, April 2006, S. 5–7.
Ingrid Schmutzhart, Die Reiseschriftstellerin Maria Andeßner, in:  Gender Studies Newsletter Nr. 19, SoSe 2011, S. 11 f.