Rundherum ein Hingucker: Kunst geht auf Salzburger Litfaßsäulen
Ernst Litfaß, Drucker aus Berlin, hat mit der Erfindung seiner „Annoncier-Säule“ einen All-Time-Hit gelandet. Seit 1855 gehören die nach ihm benannten Litfaßsäulen zum Bild jeder Stadt, die etwas auf sich hält. Als Werbemedium und öffentliches Kommunikationsmittel sind die prominenten Plakat-Träger auch im digitalen Zeitalter unschlagbar.
In Salzburg sorgen insgesamt 258 Litfaßsäulen für aktuelle Infos aus dem Kulturleben im öffentlichen Raum. Zwei von ihnen stehen ab 10. Jänner 2014 ganz dezidiert im Dienst der Kunst: Die Stadt Salzburg hat im Sommer 2013 gemeinsam mit dem Kunstbeirat (seit 2004 beratendes Expertengremium für Kunst im öffentlichen Raum) und mit der Progress Werbung zum ersten Mal den Wettbewerb „Kunst-Litfaßsäule“ ausgeschrieben. Bildende Künstlerinnen und Künstler mit Schwerpunkt Medien- oder Videokunst waren eingeladen, Vorschläge für Projekte an bzw. in Plakat-Säulen an zwei Standorten zu entwickeln.
Die Kulturabteilung unterstützt die ausgewählten Projekte mit je 1.000 Euro für die Gestaltung der Entwürfe, Progress übernimmt die Ausführungskosten.
Bürgermeister Heinz Schaden: „Mich fasziniert, dass dieses im Grunde ja ganz einfache Konzept der Litfaßsäule so nachhaltig funktioniert. Man kann sie einfach nicht übersehen. Deshalb freue ich mich, dass zwei solcher Hingucker jetzt für die Kunst im öffentlichen Raum stehen - und zwar ganz wörtlich gemeint!“
...................................................................
2 x 2 der Kunst für Stadtbibliothek und Franz-Josef-Straße
Der Kunstbeirat unter Vorsitz von Dr. Werner Thuswaldner, dem langjährigen Kulturchef der Salzburger Nachrichten, hat die Einreichungen gesichtet und als Jury die Projekte von Mischa Reska, Sigrid Kurz, Erik Hable und Bernhard Lochmann gewählt. Ab 10. Jänner bzw. ab Anfang März 2014 sind die Werke jeweils zwei Monate lang in der Franz-Josef-Straße bzw. vor der Stadtbibliothek zu sehen.
Die „klassische“ Litfaßsäule an der Franz-Josef-Straße / Ecke Rainerstraße bespielt Mischa Reska in klassischer bildnerischer Form - die als Affiche aber dennoch überrascht:
Sie präsentiert Malerei, und zwar zwei extra für die Litfaßsäule geschaffene Portraits der Salzburger Künstlerinnen Julie Hayward und Karin Pliem, die sie damit ins Bewusstsein rücken möchte. Denn ein Original im öffentlichen Raum sei heute so unerwartet wie ein handgeschriebener Brief, sagt die Künstlerin. Der Überraschungseffekt soll die Betrachter auch zum Lesen des kurzen Begleittextes animieren.
Für die mit Licht und Drehmotor aufgerüstete, neuzeitliche Variante der „City Light Säule“ vor der Stadtbibliothek hat Sigrid Kurz das Projekt „Welche Bücher lesen?“ entworfen. Ihre Frage steckt als Textzeile zwischen den abstrahiert dargestellten Seiten eines aufgeschlagenen Buches und wiederholt sich auf vier Plakaten in den CMYK-Farben – den Grundfarben des Drucks für Printmedien, nämlich Blau, Rot, Gelb und Schwarz. Fragen sind in der künstlerischen Arbeit von Sigrid Kurz ein wiederkehrendes Element, mit dem sie Austausch und Reflexion thematisiert. Mit „Welche Bücher lesen?“ fasst sie zahlreiche Fragestellungen zum Thema Information, Medien, Publikum und Öffentlichkeit in knappster Form zusammen.
Ganz im Sinne des Erfinders wird dann Anfang März gewechselt:
Bernhard Lochmann übernimmt die Litfaßsäule Franz-Josef-Straße mit einem interaktiven Projekt, in dem er das Affichieren von Meinungen zur Gesellschaft, zur Stadt oder zur eigenen Lebenswirklichkeit ins Zentrum stellt. Ausgangspunkt ist seine aktuelle Serie von Lithografien („Too big to fail“ und „Gewinnzone“), die an Plakate erinnern und Schlagwörter aus Politik und Wirtschaft aufnehmen.
In der ersten Phase plakatiert er sein eigenes Statement in Form einer gedruckten Collage seiner Lithografien auf der Litfaßsäule. In der zweiten Phase lädt Lochmann drei KünstlerInnen ein, im Sinne eines Dialoges auf seine Arbeit zu reagieren und diese zu überplakatieren. Nach der Reihe werden Iris Andraschek (*1963, lebt in Wien), Peter Baldinger (*1958, lebt in Wien) und Helga Gasser (*1979, lebt in Salzburg) ihre Positionen affichieren und so zu einer künstlerischen Interaktion gelangen. Die Litfaßsäule wird dadurch zum Ort der öffentlichen politischen und künstlerischen Auseinandersetzung.
Erik Hable nutzt vor der Stadtbibliothek die Möglichkeit zur Drehung und Beleuchtung der Säule, um aus einem bäuerlichen Ornament, das er auf einem Jausenbrett entdeckt hat, durch Abstraktion und Wiederholung ein orientalisch anmutendes Muster werden zu lassen.
Dazu beklebt er die transparente Innenseite der Plakatsäule mit einer Muster-Ebene und den drehbaren Teil mit Motiven in Blacklight-Print. Durch die Drehbewegung oszillieren die sich überlagernden Ornamentmotive.
...................................................................
Kurzbiographien
Sigrid Kurz
geboren 1958 in Salzburg, Studium an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz, lebt und arbeitet in Salzburg und Wien. Seit 1989 zahlreiche Einzelausstellungen in Österreich und Ausstellungsbeteiligungen in Europa, USA und Mexico. Kunstprojekte im öffentlichen Raum realisierte Sigrid Kurz u.a. für das Stadion Wals-Siezenheim und das Pflegewohnheim Simmering.
Mischa Reska
geboren 1970 in Salzburg, Studium an der Akademie der Bildenden Künste Wien, Meisterschule bei Arnulf Rainer (Malerei) und Gunter Damisch (Graphik). Zahlreiche Stipendien im In- und Ausland, Projektmitarbeiten sowie Einzel- und Gruppenausstellungen in Europa. Lebt als freischaffende Künstlerin in Wien und Salzburg.
Erik Hable
geboren 1968 in Linz, Gründer der Künstlerkollektive The Video Sisters, body manufacture*** und Alpine Gothic; seit 1998zahlreiche internationale Ausstellungen, Projekte und Performances. Ausgezeichnet u.a. mit dem Slavi-Soucek-Stipendium des Landes Salzburg, zahlreiche Residencies und Auslandsstipendien. Seit 2000 kuratorische Tätigkeit in der Galerie 5020.
Bernhard Lochmann
Geboren 1972 in Kufstein, Grafik-Studium an der Universität Mozarteum, seit 1996 Tätigkeit in der Grafischen Werkstatt im Traklhaus und Vertiefung in den Techniken Lithografie, Holzschnitt und Radierung. Mitbegründer von periscope:project:space Salzburg. Ab 1995 regelmäßig Solo- und Gruppenausstellungen in Österreich, Deutschland, Frankreich und Ungarn, zuletzt ausgezeichnet mit dem Slavi-Soucek-Preis des Landes Salzburg (2013).
Cay Bubendorfer