NS-Zeit: Stadt Salzburg lässt keine Gedächtnislücken offen

03.10.2014

Die „Gauhauptstadt – Stadtverwaltung und Kommunalpolitik“ ist der diesjährige Schwerpunkt des Großprojektes „Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus“, das 2015 nach sieben Jahren intensiver Forschung mit der so genannten „Entnazifizierung“ nach 1945 abgeschlossen werden wird.

Bürgermeister Heinz Schaden bekräftigte Donnerstagabend, 2. Oktober 2014, in der TriBühne Lehen, dass die Stadt Salzburg keine Gedächtnislücken in Bezug auf ihre „braunen“ Jahre offen lassen werde. „Das sind wir unserem Selbstverständnis als Kultur- und Wissensstadt schuldig“, so das Stadtoberhaupt.

In Anwesenheit des 101-jährigen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde und KZ-Überlebenden Marko Feingold und des Doyens der österreichischen NS-Forschung Ernst Hanisch war der erste Abend der Stadtverwaltung und -politik in der NS-Zeit gewidmet. Einleitend betonte der Vortragende, Stadtarchiv-Leiter Peter F. Kramml, die große Bedeutung des heurigen Themenschwerpunktes. Denn die Beamtenschaft bildete – und dies sei vielen in seiner Bedeutung nicht bewusst – neben Partei und Wehrmacht „die dritte tragende Säule des nationalsozialistischen Staates“.

Die kommunalen Verwaltungen hatten als Behörden einen großen Anteil an der Etablierung und Konsolidierung der NS-Herrschaft und sie konnten die Funktionstüchtigkeit dieser Unrechtsherrschaft bis zuletzt gewährleisten. Mit der Herausarbeitung der Teilnahme der Stadtgemeinde an diesem Regime, stellen sich Stadt und Magistrat ihrer eigenen Geschichte. Salzburg ist hier österreichweit ein Vorbild.

Nach der Machtübernahme stand eine Gruppe einheimischer illegaler Nationalsozialisten um den städtischen Beamten Anton Giger an der Spitze der Stadt. Sie bauten die Stadtverwaltung um und besetzten sie mit zuverlässigen Parteigängern. Der massive Ausbau der Verwaltung führte zu einer Verdreifachung des Personalstandes und bot die Möglichkeit, verdiente Parteigänger und Mitglieder der SA zu versorgen, auch solche die nicht den Anstellungserfordernissen entsprachen.

Durch den Diensteid auch formal an Hitler gebunden, bildete sich ein weitgehend kooperationsbereiter und loyaler Beamtenapparat, der durch Beförderungen und Sozialleistungen profitierte, aber auch einem starken Gesinnungs- und Formierungszwang ausgesetzt war. Eine Mitgliedschaft bei NS-Organisationen war ein wichtiges Zeichen für politisches Wohlverhalten, dem sich die meisten nicht entzogen. Sie traten daher der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) bei und rund ein Drittel waren auch NSDAP-Mitglieder. Einige Beamte und Angestellte leisteten Widerstand, Haftstrafen und Entlassung waren die Folge.

Die Stadtgemeinde war als „Gefolgschaft“ organisiert, „Gefolgschaftsführer“ war Oberbürgermeister Anton Giger. Das „Führerprinzip“ wurde auf die kommunale Ebene übertragen, es gab daher keine kollegialen Organe und keine Mehrheitsbeschlüsse in der Gemeindevertretung mehr. Alle, Bürgermeister und Stadträte sowie die 30 Ratsherren, die lediglich beratende Funktion hatten und daher nur ein Scheinparlament bildeten, waren an die Weisungen des Oberbürgermeisters gebunden.

Aber die Machtfülle des Oberbürgermeisters war nur eine scheinbare und für eine tatsächliche gemeindliche „Selbstverwaltung“ blieb nur wenig Raum. Der Oberbürgermeister unterlag der Kontrolle durch die Partei und dem uneingeschränktem Weisungsrecht des Gauleiters, der nach Kriegsbeginn als Reichsverteidigungskommissar unumschränktes Aufsichtsrecht hatte und den Magistrat zu einer nachgeordneten Dienststelle degradierte. Die Gemeinden waren im Krieg vorrangig nur mehr Vollzugsbehörden und sollten die Versorgung der Bevölkerung und den Luftschutz sicherstellen.

Die Stadtregierung wurde 1943 durch einen Korruptionsskandal erschüttert und war dadurch ab diesem Zeitpunkt weitgehend lahm gelegt. Anton Giger wählte 1945 den Freitod. Die Beamten blieben zunächst im Dienst und rechtfertigten sich damit, geltende Vorschriften eingehalten und ihre „Pflicht als städtische Beamte“ erfüllt zu haben.
Ende Mai 1945 wurden die meisten ehemaligen Parteigenossen entlassen, viele kehrten später, manche erst nach Jahren und durchaus in Spitzenpositionen der Stadtverwaltung, zurück.

Karl Schupfer