Neue Ausstellung auf dem Marko-Feingold-Steg

Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Salzburgs
27.05.2022
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Marko Feingold würde am 28. Mai seinen 109. Geburtstag feiern. Die Kulturabteilung der Stadt Salzburg präsentiert in Zusammenarbeit mit Kurator Albert Lichtblau und dem Salzburg Museum aus diesem Anlass wieder eine Ausstellung auf dem Marko-Feingold-Steg – diesmal zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Salzburgs.

Marko Feingold war eine herausragende Persönlichkeit im öffentlichen Leben von Salzburg. Bis zu seinem Ableben im September 2019 hatte er über Jahrzehnte das jüdische Leben in der Stadt Salzburg verkörpert. Immer wieder nahm er Stellung in Debatten über Antisemitismus und die Rolle der NS-Vergangenheit für das Geschichtsverständnis Österreichs nach 1945. 

Im September 2020 beschloss der Gemeinderat der Stadt Salzburg, den Makartsteg als Marko-Feingold-Steg neu zu benennen. Die Neubenennung wurde mit einem Festakt am 27. Mai 2021 gefeiert. Gleichzeitig wurde eine vom Salzburg Museum kuratierte Ausstellung auf dem Steg eröffnet, die sich dem Leben und Wirken Marko Feingolds widmete. Die diesjährige Ausstellung  befasst sich mit der Geschichte der jüdischen Gemeinde Salzburgs, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Kuratiert wurde sie von Albert Lichtblau, Professor i.R. für Zeitgeschichte und Experte für Jüdische Kulturgeschichte an der Universität Salzburg.

Das Konzept der Ausstellung auf dem Marko-Feingold-Steg beruht darauf, dass die kurzen Texte im Vorbeigehen erfasst werden können. Wer sich genauer informieren möchte, kann mit einem QR-Code auf die vom Salzburger Stadtarchiv gestaltete Seite zur Persönlichkeit Marko Feingolds verbunden werden.

Kultur- und Bildungsressortchef Bernhard Auinger: „Es gehört zu unserem Bildungsauftrag, das jüdische Leben in Salzburg sichtbar zu machen und über die jüdische Geschichte aufzuklären. Marko Feingold hat in den vergangenen Jahrzehnten gerade im Schulbereich das Bewusstsein für Toleranz und Miteinander in den Mittelpunkt seiner persönlichen Geschichte gestellt. Leider ist grade das Thema Antisemitismus aktueller denn je in unserer Gesellschaft verhaftet. Im Kalenderjahr 2021 wurden der Antisemitismus-Meldestelle in Österreich insgesamt 965 antisemitische Vorfälle gemeldet - das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einem Anstieg um 65 Prozent und somit der höchsten erfassten Anzahl antisemitischer Vorfälle seit Beginn der Dokumentation vor 20 Jahren.“

Diese Entwicklung beobachtet auch Hanna Feingold, Witwe von Marko Feingold und derzeit Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg:
„Immer wieder frage ich Schüler oder Erwachsene, ob sie einen Juden kennen, wenn auch nicht beim Namen, aber vielleicht in diesem Haus oder in jener Straße; und immer wieder wird der Kopf geschüttelt - niemand hier kennt einen wirklich lebenden Juden. Und trotzdem sehe ich immer wieder antisemitische Schmierereien, werden Personen verurteilt weil sie gegen Juden hetzen und die Shoah leugnen. Und nochmals ganz deutlich möchte ich darauf hinweisen: Das "Lager Glasenbach" ist mit keinem Konzentrationslager zu vergleichen, auch wenn einige versuchen wollen, ihre Verwandten damit "reinwaschen" zu wollen.“

„Es wäre ein Erfolg, wenn die Ausstellung dazu beitragen kann, dass sich einzelne für die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Salzburg interessieren und mehr darüber erfahren wollen. Dabei handelt es sich immer um die Geschichte von einzelnen Menschen.“, sagt der Zeithistoriker Albert Lichtblau. Und er betont: „In der langen historischen Perspektive ist es erschreckend, von wieviel Gewalt die Geschichte der Jüdischen Gemeinde Salzburgs geprägt wurde. Insofern ist es wichtig, dass ein Bewusstsein dafür erneuert wird, dass die gesamte Gesellschaft antisemitische Tendenzen ernst nimmt und sich ihnen entgegenstellt. Der Name Marko-Feingold-Steg sollte in diesem Sinne verstanden werden.“

Bernhard Auinger betont abschließend: „Ein großes Lob und Dankeschön an die Kulturabteilung und das Salzburg Museum sowie an alle, die an der Umsetzung dieser hervorragenden Ausstellung mitgewirkt haben. Mit dem Sichtbarmachen der jüdischen Geschichte in Salzburg können wir den Geist und das Schaffen von Marko Feingold weiterleben lassen.“

Die Ausstellung: Jüdisches Leben in Salzburg vom Mittelalter bis Heute

400 Jahre Vertreibung bis zur Gleichberechtigung
Noch heute erinnert die „Judengasse“ an diese Geschichte, die damals von Verfolgungen bis hin zu Mord und schlussendlich der Vertreibung und Verbannung 1498 gekennzeichnet war. Über Jahrhunderte prangte am Rathaus eine sogenannte „Judensau“ zur Verhöhnung der jüdischen Bevölkerung.

Erst mit der im Staatsgrundgesetz 1867 gewährten Gleichberechtigung 1867 durften Jüdinnen und Juden in Salzburg wieder ansässig werden. Die Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde blieb sehr klein, dennoch gelang es mit dem Friedhof und der Synagoge in der Lasserstraße eine Infrastruktur zu schaffen, die es erlaubte 1911 eine eigenständige Israelitische Kultusgemeinde zu etablieren. Der 1944 in Auschwitz ermordete Rabbiner Adolf Altmann prägte die Frühphase.

Von der Gleichberechtigung bis zur NS-Machtübernahme 1938 blieben ca. 70 Jahre, nur die wenigsten konnte ihre gesamte Lebenszeit hier verbringen. Bei der letzten Volkszählung vor der NS-Zeit, 1934, gaben 198 Personen in Salzburg an, der jüdischen Religion anzugehören, im restlichen Land Salzburg waren es gar nur 41 Personen. Abgesehen von der kleinen jüdischen Gemeinde prägten andere Juden und Jüdinnen die Geschichte Salzburgs, nämlich Kulturschaffende rund um die Salzburger Festspiele. In der Ausstellung am Marko-Feingold-Steg wird Max Reinhardt und eine Karte für die Jedermann-Aufführung 1921 gezeigt.

NS-Zeit: Verfolgung, Raub und Mord
Wie in anderen Städten wurden in der NS-Zeit jüdische Menschen von Anbeginn gedemütigt, verfolgt, marginalisiert, ihres Eigentums beraubt, interniert und wer nicht rechtzeitig flüchten konnte, wurde – mit wenigen Ausnahmen - ermordet. In der Ausstellung werden Fotografien vom Boykott von Geschäften, die von jüdischen Geschäftstreibenden geführt wurden, gezeigt, als auch ein Foto von Anna Pollak vor ihrem während des Novemberpogrom 1938 zerstörten Geschäft in der Rainerstrasse 4.

Displaced Persons auf dem Weg nach Palästina
Nach der Niederlage des Nationalsozialismus wurde Salzburg für einige Jahre ein Zentrum für jüdische Überlebende aus ganz Europa. Sie machten hier für einige Zeit Station auf ihrem Weg nach Palästina bzw. Israel oder andere Länder. Alljährlich erinnert Alpine Peace Crossing mit der Überquerung der Krimmler Tauer in Richtung Italien an die damals noch illegale Einwanderung nach Palästina. In der Ausstellung wird ein Foto des damaligen Displaced Persons (DP)-Lagers in Parsch gezeigt, das den Namen „New Palestine“ trug. Nach 1945 kehrten nur wenige überlebende Mitglieder der früheren jüdischen Gemeinde nach Salzburg zurück.

Die Erinnerung an die NS-Opfer hat sich in Salzburg mit dem Stolperstein-Projekt und der historischen Dokumentation der individuellen Geschichten durch den Historiker Gert Kerschbaumer vorbildhaft etabliert. Eines der Bilder der Ausstellung zeigt den Stolperstein der zuvor genannten Anna Pollak. Sie wurde 1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet.

Israelitische Kultusgemeinde Salzburg
Heute besteht die jüdische Gemeinde aus nur weit unter Hundert Mitgliedern. Die derzeitige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg, Hanna Feingold, meint dazu auf der abschließenden Tafel der Ausstellung: „Es grenzt an ein Wunder, dass es noch eine jüdische Gemeinde gibt. Wir sind nur wenige und meistens alt. Wir setzen alles daran, weiter zu bestehen.“

PDF Ausstellungstafeln Marko-Feingold-Steg 2022

Cay Bubendorfer