Opfer und Komplize: Die Rolle der Kirchen während der NS-Zeit

Freitag, 09.11.2012

Mehr als 200 Besucherinnen und Besucher kamen Donnerstagabend, 8. November 2012, zum Doppelvortrag aus der Reihe „Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus“ in die TriBühne Lehen. Thema diesmal: die ambivalenten Rollen der christlichen Kirchen in der Stadt Salzburg während der NS-Zeit.

Ernst Hanisch, einer der bekanntesten NS-Forscher in Österreich, der auch dem Leitungsteam des städtischen Projekts angehört, stellte seinen Beitrag über die katholische Kirche unter das Motto „Zusammenarbeit und Verfolgung“. Er betonte, dass das Verhältnis von Katholizismus und Nationalsozialismus gut erforscht sei. Nach 1945 wurde die Opferrolle betont, danach das Versagen der Kirche. Erst in einer dritten Phase wurde erkannt, dass die Kirche in verschiedenem Ausmaß Opfer und Komplize zugleich war. Sie blieb ein weltanschaulicher Gegner des Nationalsozialismus auch im Zweiten Weltkrieg, aber sie arbeitete loyal mit dem nationalsozialistischen Staat zusammen.

Während dieses Mischverhältnis in Salzburg auf der Ebene der Kirchenleitung bereits ausreichend analysiert wurde, setzte sich Hanisch damit erstmals auf der Ebene der Stadtpfarren und der Gläubigen auseinander. Seine Hauptquellen dazu sind die regelmäßig abgelieferten Seelsorgeberichte.

Zwischen Hoffnung und Enttäuschung

Friedrich Gottas, pensionierter Universitätsprofessor am Fachbereich Geschichte der Universität Salburg sprach unter der Devise „Zwischen Hoffnung und Enttäuschung“ über die Evangelische Pfarrgemeinde in Salzburg. Nach der als „neue Gegenreformation“ erlebten Ständestaatzeit erhoffte man sich einen neuen „kirchlichen Frühling“. Gerhard Florey, ab 1934 als hauptverantwortlicher Pfarrer, wie auch die drei Presbyter Robert Lippert, Herbert Michael und Dagobert Weber waren Mitglieder der NSDAP sowie Anhänger der Theologie der NS-nahen „Deutschen Christen“.

Nach der NS-Machtübernahme folgte für sie jedoch eine herbe Enttäuschung nach der anderen. Denn bereits im Sommer 1938 begann die NS-Führung auch in Österreich damit, den Einfluss nicht nur der katholischen, sondern auch der evangelischen Kirche auf die österreichische Gesellschaft zurück zu drängen.

Dabei wurden Floreys NS-freundliche Aktivitäten keineswegs honoriert. Florey, 1941 zum Militärdienst eingezogen, wurde von Pfarrer Ernst Kruse beerbt, der ein Vertreter der NS-kritischen „Bekennenden Kirche“ war. Die Folge waren zahlreiche erbitterte Auseinandersetzungen in der Gemeinde. Allein schon deshalb könne die oft gehörte Behauptung, dass die Salzburger Gemeinde eine „reine Nazigemeinde“ gewesen sei, nicht aufrechterhalten werden, so Gottas.

NS-Machtstrukturen als Schwerpunkt 2013

Hinweis: Mit den beiden Vorträgen endete die diesjährige vierte Vortragsreihe. Der für 15. November angekündigte Vortrag von Reinhold Reith muss aus Krankheitsgründen leider abgesagt werden. Themenschwerpunkt im Herbst 2013: die NS-Machtstrukturen (NSDAP, SS, SA, GESTAPO, Wehrmacht usw.) in der Stadt Salzburg.

Referierten in TriBühne:
Referierten in TriBühne:

Karl Schupfer